Todesduft der Pfeifenwinde lockt Sargfliegen in die Blüten



Bio-News vom 10.06.2021

Ein internationales Pflanzenforscherteam hat in einer neuen Studie eine ungewöhnliche und bisher unbekannte Fortpflanzungsstrategie bei Pflanzen entdeckt. Die in Griechenland vorkommende Pfeifenwindenart ‚Aristolochia microstoma‘ produziert eine einzigartige Mischung von flüchtigen Stoffen, die dem Geruch von toten und verwesenden Insekten ähnelt, um dadurch die bestäubende Fliegengattung ‚Megaselia‘ (auch ‚coffin flies‘, deutsch ‚Sargfliegen‘) zu ihren Fallenblüten zu locken.

Pflanzen nutzen zahlreiche Mechanismen für ihre Bestäubung. Nun haben Botaniker ein besonders ausgeklügeltes System unter den Pfeifenwinden entdeckt, welches auf Lug und Trug basiert.

Die Blüten der in Griechenland vorkommenden Pflanze Aristolochia microstoma verströmen einen faulig-muffigen Geruch, der den Geruch von verwesenden Insekten zu imitieren scheint. Fliegen aus der Gattung Megaselia (auch „Sargfliegen“ genannt) werden von diesem Geruch angelockt, wenn sie nach Insektenleichen suchen, um sich womöglich darüber zu paaren und ihre Eier darin abzulegen. Wenn sie dann in eine Blüte eindringen, werden sie von Haaren nach unten zu einer kleinen Kammer geleitet, in der sich die Geschlechtsorgane befinden. Darin gefangen, deponieren sie mitgebrachten Pollen, den sie tragen, auf den weiblichen Organen, bevor die Staubgefäße reifen und eigenen Pollen freisetzen. Wenn die Haare, die den Eingang zur Kammer blockieren, verwelken, können die Bestäuber entkommen, und ein neuer Zyklus kann beginnen.


Im Gegensatz zu anderen Aristolochia-Arten mit ihren auffälligen Blüten hat A. microstoma unauffällige bräunliche Blüten, die horizontal, teilweise vergraben oder nahe am Boden unter Laubstreu oder Steinen liegen. Die Blüten verströmen einen unangenehmen, aasähnlichen Geruch, der für Menschen schon aus kurzer Entfernung wahrnehmbar ist, um Bestäuber anzulocken und gefangen zu halten.

Publikation:


Rupp Thomas, Oelschlägel Birgit, Rabitsch Katharina, Mahfoud Hafez, Wenke Torsten, Disney R. Henry L., Neinhuis Christoph, Wanke Stefan, Dötterl Stefan
Flowers of Deceptive Aristolochia microstoma Are Pollinated by Phorid Flies and Emit Volatiles Known From Invertebrate Carrion

Front. Ecol. Evol., 21 May 2021

DOI: 10.3389/fevo.2021.658441



"Hier zeigen wir, dass die Blüten von A. microstoma eine ungewöhnliche Mischung von flüchtigen Stoffen emittieren, die Alkylpyrazine enthält, die sonst nur selten von blühenden Pflanzen produziert werden. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass dies der erste bekannte Fall einer Blume ist, die Bestäuber austrickst, indem sie eher nach toten und verrottenden Insekten als nach Wirbeltier-Aas riecht", beschreibt einer der korrespondierenden Autoren, Prof. Stefan Dötterl, Leiter der Arbeitsgruppe Pflanzenökologie und des Botanischen Gartens an der Paris-Lodron-Universität Salzburg, Österreich die "trügerische Bestäubungsstrategie".

Zwischen 4-6% der blühenden Pflanzen vermehren sich auf diese Art: Sie nutzen Geruch, Farbe und Berührung, um Bestäubern eine Belohnung, so zum Beispiel Nektar, Pollen oder Paarungs- und Brutplätze, vorzutäuschen. Die Täuschung funktioniert, weil die Bestäuber kaum zwischen echter Belohnung und Nachahmung unterscheiden können. Täuschende Bestäubung ist typisch für viele Orchideen, hat sich aber auch unabhängig davon in anderen Pflanzen entwickelt, unter anderem in der Gattung Aristolochia.

„Die Gattung Aristolochia umfasst über 550 Arten auf der ganzen Welt, vor allem in den Tropen und Subtropen. Es sind meist verholzende Reben und Stauden mit auffälligen, komplexen Blüten, die ihre Besucher zeitweise gefangen halten, um bestäubt zu werden", erklärt Prof. Christoph Neinhuis, Mitautor der Studie, der am Botanischen Garten der TU Dresden eine der weltweit größten Aristolochia-Sammlungen kultiviert.

"Von vielen Aristolochia-Arten ist bekannt, dass sie Fliegen mit Blütendüften anlocken, indem sie zum Beispiel den Geruch von Aas oder Fäkalien von Säugetieren, verrottenden Pflanzen oder Pilzen imitieren", sagt Erstautor Thomas Rupp, Doktorand an der Paris-Lodron-Universität in Salzburg. "Aber unsere Neugierde wurde durch A. microstoma geweckt, eine Art, die nur aus Griechenland bekannt ist: Im Gegensatz zu anderen Aristolochia-Arten mit ihren auffälligen Blüten hat A. microstoma unauffällige bräunliche Blüten, die horizontal, teilweise vergraben oder nahe am Boden unter Laubstreu oder Steinen liegen."

"Wir zeigen, dass die Blüten von A. microstoma eine einfache, aber höchst ungewöhnliche Duftmischung ausströmen, die 2,5-Dimethylpyrazin enthält, ein Molekül, das weder in Wirbeltierkadavern noch in Fäkalien vorkommt, wohl aber in toten Käfern. Der unangenehme, aasähnliche Geruch ist auch für Menschen schon aus kurzer Entfernung wahrnehmbar“, erläutert einer der korrespondierenden Autoren Prof. Stefan Wanke von der TU Dresden.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Technischen Universität Dresden via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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