Eisalgen verstärken Grönlands Eisschmelze



Bio-News vom 25.01.2021

Der grönländische Eisschild schmilzt seit 25 Jahren dramatisch. Eine bislang wenig beachtete Triebkraft hierfür sind Eisalgen. Sie verdunkeln die Oberfläche und reduzieren so die Reflexion des Sonnenlichts. Das Eis schmilzt schneller.

Forschende der University of Leeds (UK) um Jenine McCutcheon (jetzt University of Waterloo, Ca) und Liane G. Benning, Deutsches GeoForschungsZentrum Potsdam GFZ, haben eine wichtige Nahrungsquelle für die Eisalgen identifiziert: Phosphor aus lokal entstandenem Mineralstaub. Diese Erkenntnis hilft, künftige Entwicklungen von Algenblüte und Eisschmelze besser vorherzusagen und Klimamodelle zu optimieren.

Grönlands dunkles Eis

Der grönländische Eisschild ist die zweitgrößte Landeis-Masse der Erde. Er bedeckt rund 80 Prozent dieser riesigen Insel. Doch sein Eis ist nicht so weiß, wie man denkt. An der Westküste lässt sich ein dreißig Kilometer breiter dunkler Streifen, die sogenannte „Dark Zone“, beobachten. Er enthält nicht nur Ruß und Mineralstaub, sondern auch Schnee- und Eisalgen. Letztere blühen in der Sommersaison und färben sich dunkel violett – mit fatalen Folgen für das Eis: Sie reduzieren den Albedo-Effekt, also die Reflexion des Sonnenlichts, und beschleunigen so die Oberflächenschmelze. Weil die arktischen Sommer wärmer und länger werden, nimmt auch die Algenblüte zu – sowohl räumlich wie zeitlich.


Das Forschungscamp auf Grönland. Im Vordergrund: das dunkle Eis.

Publikation:


Jenine McCutcheon, Stefanie Lutz, Christopher Williamson, Joseph M. Cook, Andrew J. Tedstone, Aubry Vanderstraeten, Siobhan A. Wilson, Anthony Stockdale, Steeve Bonneville, Alexandre M. Anesio, Marian L. Yallop, James B. McQuaid, Martyn Tranter & Liane G. Benning
Mineral phosphorus drives glacier algal blooms on the Greenland Ice Sheet
Nature Communications

DOI: 10.1038/s41467-020-20627-w



Das beobachtet ein internationales und interdisziplinäres Team um Liane G. Benning vom GFZ und ehemals an der University of Leeds seit einigen Jahren an verschiedenen Orten quer über den südwestlichen Rand des grönländischen Eisschilds. Die nun ausgewerteten Messkampagnen fanden in den Sommern 2016 und 2017 im Rahmen des mittlerweile abgeschlossenen Projektes „Black & Bloom“ statt. Seine Ergebnisse sind auch die Grundlage für das Projekt „DEEP PURPLE“, das seit 2020 im Rahmen eines Synergy Grants des Europäischen Forschungsrates ERC läuft.

Landschaftsaufnahme der Schmelzwässer in der „Dark Zone“ im Südwesten Grönlands.

Die Rolle der Eisalgen

Die Forschenden wollen genau verstehen, welche Faktoren das Wachstum der Eisalgen befördern und wie diese wiederum den Albedo-Effekt beeinflussen. Sie haben gezeigt: Obwohl die Biomasse nur etwa fünf Prozent der „dunklen Masse“ auf dem Eis ausmacht - die übrigen 95 Prozent sind Ruß und Mineralstaub –, sind es doch die dunklen Pigmente der Eisalgen, die für das Abschwächen der Albedo des Eises im Wesentlichen ursächlich sind.

Den Nährstoffen auf der Spur

Im Fokus der aktuellen Studie lag die Nährstoffversorgung der Algen: Wodurch ernähren sie sich und wie gelangen sie an ihr „Futter“? Die Herausforderung dabei: In dem Gemisch aus Schnee, Eis und Wasser mit Bakterien, Pilzen und Algen einerseits sowie Ruß und Mineralstaub andererseits gilt es, die einzelnen organischen und mineralogischen Anteile zu identifizieren und zu quantifizieren, um ihr komplexes Zusammenspiel zu entschlüsseln. Hierfür wurde eine Vielzahl unterschiedlicher Messungen und Experimente durchgeführt.


Probennahme der Eisalgen in Grönland.

Vor Ort haben die Forschenden – quasi als Vital-Funktion – die Photosynthese-Aktivität der Eisalgen gemessen, in Abhängigkeit der Gabe verschiedener Nährstoffe, u.a. Phosphor und Stickstoffverbindungen. Eine deutliche Steigerung der Photosynthese konnten sie nur feststellen, wenn sie die Algen mit Phosphor versorgten. „Das zeigt uns, dass Phosphor hier der limitierende Nährstoff ist. Je mehr davon zusätzlich im Angebot ist, desto stärker wachsen die Algen noch. Zusätzlicher Stickstoff bewirkt keine weitere Vermehrung“, sagt die Geomikrobiologin Jenine McCutcheon.

Vielfältige Analyse

Um diesen Einfluss zu verifizieren und eine natürliche Phosphor-Quelle zu finden, die den Algen zugänglich ist, haben sie und ihre Kolleginnen und Kollegen Schnee- und Eisproben gesammelt, geschmolzen, gefiltert, und das Filtrat getrocknet und analysiert. Wichtige Indikatoren sind die Elemente Kohlenstoff C, Stickstoff N und organischer Phosphor P(org). Gemessen in ausgewogen ernährten Mikroorganismen stehen sie in einem ganz bestimmten Verhältnis zueinander. Auch hier zeigen die ermittelten Daten: Je mehr mineralischer Phosphor in den Proben enthalten war, den Algen also im Prinzip als Nahrung zur Verfügung stand, desto dichter war das Mengenverhältnis C:N:P(org) am Idealwert.


Probenaufbereitung und -analyse in einem grönländischen Forschungszelt.

Während die Ernährungsversuche vor Ort auf dem Eis gemacht wurden, fanden die meisten anderen Analysen in Spezial-Laboren der beteiligten Institutionen statt. Mittels Massenspektrometrie und Fließ-Injektions-Analyse wurden Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor in der Biomasse analysiert. Mit Röntgenbeugung kam man der Zusammensetzung der Mineralien auf die Spur. Darüber hinaus half Genomsequenzierung, die verschiedenen Arten Mikroben in den Proben zu identifizieren.

Quelle des Phosphors

Woher der mineralische Phosphor kommt, lässt sich aus der exakten chemischen Zusammensetzung des Mineralstaubs schließen. Zum Vergleich wurden auch lokale Gesteine untersucht. Als Quelle für den Phosphor (P) wurde das Mineral Hydroxylapatit mit der chemischen Zusammensetzung Ca5(PO4)3(OH) identifiziert. Es stammt von lokalen Gesteinen und nicht etwa aus Asien oder Afrika. „Mineralstaub kann über Tausende Kilometer mit dem Wind eingetragen werden. Aber dieser hier stammt aus der Umgebung. Da die Trockengebiete in den nördlichen Breiten durch den Klimawandel noch trockener werden, ist zu erwarten, dass mehr Staub transportiert und auf dem grönländischen Eisschild abgelagert wird, was die Algenblüte weiter anheizt“, sagt Atmosphärenforscher Jim McQuaid von der Uni Leeds und Mitautor der Studie.

Selbstverstärkende Effekte – wichtig für Klimamodelle

Insgesamt zeigt sich ein selbstverstärkender Effekt: Je stärker die Algenblüte, desto stärker die Schmelze. Das wiederum setzt mehr Nährstoff frei, der zuvor im Eis eingefroren war, was wiederum zu verstärkter Algenblüte führt. „Derzeit werden diese wichtigen Effekte weder bei der Modellierung von Eismassenverlusten noch bei der Klimamodellierung berücksichtigt. Unsere quantitativen Ergebnisse können das ändern. Sie werden dazu beitragen vorherzusagen, wo künftig Algenblüten zu erwarten sind und in welchem Maße das die Schmelze beeinflusst“, sagt Liane Benning.


Die Eisalgen können bis zu 78 Prozent der bloßen Eisflächen in der Dunklen Zone bedecken. Allerdings haben die Forschenden im Verlauf einer Saison und von Jahr zu Jahr große Schwankungen in der Intensität und Ausbreitung der Blüte beobachtet. Das macht eine genaue Vorhersage noch schwierig. Umso wichtiger sei es, weitere Einflussfaktoren genauer zu kennen, betont die Geochemikerin.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Helmholtz-Zentrums Potsdam - Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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