Winterschlaf
- Seiten mit Skriptfehlern
- Chronobiologie
- Schlaf
- Winter
Als Winterschlaf oder Hibernation bezeichnet man einen schlafähnlichen Zustand, in den bestimmte endotherme oder homoiotherme Tiere – manche Säugetiere und wenige Vögel wie z. B. die amerikanische Winternachtschwalbe – unter Herabsetzung ihrer Körpertemperatur während der kalten Jahreszeit verfallen. Einige Winterschläfer wie Fledermäuse, Siebenschläfer und Haselmäuse würden sterben, wenn sie gewaltsam am Schlafen gehindert würden. Dachse und Hamster können ohne die Winterschlafphase überleben.
Der echte Winterschläfer verwandelt sich – vereinfacht ausgedrückt – im Herbst von einem gleichwarmen Tier in ein wechselwarmes Tier, indem seine Körpertemperatur auf annähernd die Umgebungstemperatur abfällt. Während dieser Zeit verlangsamen sich Atmung und Herzschlag. Die Energie, die notwendig ist, um die Lebensfunktionen des Winterschläfers während der jahreszeitlichen Schlafphase aufrechtzuerhalten, kommt aus den während des Sommers angefressenen Fettdepots.
Einzelne Säugetiere (wie die Fledermäuse) halten einen unterbrochenen Winterschlaf, andere (wie der Siebenschläfer, die Haselmaus, der Igel oder das Murmeltier) einen lang andauernden Winterschlaf mit wenigen kurzen Unterbrechungen. Andere Tiere, wie die Weinbergschnecke, halten beispielsweise Sommerschlaf aufgrund der Wärme und des Wassermangels.
Mit der zeitlichen Organisation des Winterschlafs beschäftigt sich die Chronobiologie.
Das Verhalten der Winterschläfer in den kalten Jahreszeiten
Die Winterschläfer suchen im Herbst Orte auf, an denen sie vor der strengen Kälte geschützt sind (hohle Baumstämme, Erdhöhlen und dergleichen) und polstern sie mit Heu, Stroh, Blättern, Haaren, Wolle und anderen Materialien aus. In dem so ausstaffierten Unterschlupf verbringen sie meist zu mehreren Tieren mit zusammengezogenem, abgekugeltem Körper und geschlossenen Augenlidern den Winter in einem energetischen Sparzustand, dem so genannten Torpor. Ihre normale Körpertemperatur sinkt dabei meist auf Werte zwischen 9 und 1 °C ab. Alle Körperfunktionen sind in diesem Zustand stark vermindert. Die Atmung ist schwach, der Herzschlag verlangsamt und die Empfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen gering. Murmeltiere senken zum Beispiel während des Winterschlafs ihre Körpertemperatur von 39 auf bis zu 7 °C ab. Ihr Herz schlägt statt hundertmal nur noch zwei- bis dreimal pro Minute. Die Atempausen können bis zu einer Stunde betragen. Absonderungsprodukte des Darmkanals und der Leber sammeln sich bei Winterschläfern im unteren Teil des Darms an und werden gleich nach dem Erwachen ausgeschieden. Nahrung wird während der Zeit des Schlafes nicht aufgenommen, höchstens zwischendurch in den gelegentlichen Wachphasen. Die Tiere zehren stattdessen von ihren Fettreserven, welche sie sich im Herbst angefressen haben. Murmeltiere verkleinern während des Winterschlafes sogar Magen und Darm um die Hälfte, Leber und Nieren um etwa 30 Prozent. Ein spezielles braunes Fettgewebe, das im Schulter- und Nackenbereich der Winterschläfer liegt, dient zusätzlich dem Energierückgewinn, besonders auch dann, wenn die Tiere bei erhöhten Außentemperaturen wieder aus ihrem Winterschlaf aufwachen, was etliche Stunden dauert. In der Spätphase des Aufwachens wird der Körper vor allem durch Muskelzittern wieder auf Normaltemperatur gebracht. Je wärmer es wird, desto schneller atmen die Tiere.
Die Dauer des Winterschlafs
Die Dauer des Winterschlafs ist bei den einzelnen Winterschläfern unterschiedlich. Beim Igel sind es drei bis vier Monate; Siebenschläfer verbringen sechs bis sieben Monate im Winterschlaf (daher auch ihr deutscher Name). Man darf jedoch nicht der falschen Vorstellung unterliegen, dass es sich beim Winterschlaf um einen mehrmonatigen Dauerschlaf ohne Pause handelt. Vielmehr verläuft der Schlaf meist in Abschnitten, wobei sich längere Phasen der Ruhe mit stark reduziertem Stoffwechsel mit kurzen Wachphasen abwechseln. Zu oft dürfen die Tiere während des Winters allerdings nicht aufwachen, weil jede zwischenzeitliche Aufwachphase an den Energiereserven zehrt, so dass die Fettdepots zu früh aufgebraucht würden und für den eigentlichen Aufwachvorgang im Frühjahr nicht mehr zur Verfügung stünden.
Wissenschaftler haben für ein Experiment extra gemästete Haselmäuse länger als ein Jahr im Winterschlaf gehalten.
Sozialer Winterschlaf
Manche Winterschläfer wie die Murmeltiere halten sogar einen sozialen Winterschlaf. In jedem Bau ruhen bis zu 20 Eltern- und Jungtiere eng nebeneinander, so dass sie sich gegenseitig aufwärmen können, wenn die winterlichen Temperaturen zu stark absinken. Das erhöht die Chancen vor allem der Jungtiere, die über weniger Energiereserven verfügen, auch härtere Winter zu überstehen.
Mögliche Auslöser für den Winterschlaf
Als Auslöser für den lang anhaltenden Ruhezustand wurden traditionell äußere Faktoren wie das Sinken der Außentemperaturen oder der Nahrungsmangel im Herbst angeführt. Doch sollen nach Ansicht von Experten neben den kürzeren Tageslängen als Signalgeber vor allem innere Faktoren wie die Umstellung des Hormonhaushalts – ein Nachlassen der Bestrahlung mit ultraviolettem Licht durch die schwächere Sonne führt zu einer geringeren Erzeugung von Vitamin D, was Erstarrungshormone in Gang setzt – oder die innere Uhr, die einem jahreszeitlich bedingten Rhythmus unterworfen ist, für die Auslösung des Winterschlafs verantwortlich sein. So scheint die innere Uhr die Bildung von Fettdepots und dies wiederum die Schlafbereitschaft zu beeinflussen. Selbst der narkotisierende Einfluss einer höheren Kohlendioxidkonzentration in den Schlafhöhlen wurde als auslösender Faktor für den Winterschlaf diskutiert.
Das Aufwachen im Frühjahr
Die genaue Ursache für das Aufwachen im Frühjahr ist immer noch nicht bekannt. Steigende Umgebungstemperaturen und die Anreicherung von zu vielen Stoffwechselendprodukten im Körperinneren könnten als Wecksignale dienen. Jedenfalls muss der Winterschläfer während der Aufwachphase nach und nach seine Körpertemperatur erhöhen. Hormonelle Einflüsse sorgen dafür, dass das braune Fettgewebe zwecks Energiegewinn zur Wärmeerzeugung abgebaut wird. Sind 15 Grad Celsius erreicht, setzt das Muskelzittern zur weiteren Temperaturerhöhung ein. Der Brust- und Kopfbereich mit den lebenswichtigen Organen wird dabei schneller erwärmt als der übrige Körper.
Negative Auswirkungen des Winterschlafs auf Gedächtnisleistungen
Untersuchungen der Universität Wien an Zieseln haben gezeigt, dass der mehrmonatige Winterschlaf negative Auswirkungen auf die Gedächtnisleistungen der Winterschläfer hat. Im Vergleich zu Tieren, die keinen Winterschlaf gehalten hatten, waren die Ziesel nach ihrer langen Schlafphase nicht mehr in der Lage, vorher erlernte Aufgaben zu lösen (zum Beispiel einen Weg im Labyrinth zu finden oder den Hebel eines Futterautomaten zu bedienen). Eine Erklärung dafür könnte die niedrige neuronale Aktivität während des Torpors sein. Man hat sogar nachgewiesen, dass Verbindungen zwischen Nervenzellen im Gehirn während des Winterschlafs abgebaut werden.
Winterschlaf haltende Vögel
Der Winterschlaf kommt nicht nur bei Säugetieren vor. Auch bei einigen Vögeln kennt man winterschlafähnliche Zustände. So reduzieren die Kolibris bei Nahrungsmangel oder Kälteeinbrüchen ihren Stoffwechsel und fallen in eine Schlafstarre. In unseren Breiten verfallen bei Hungerperioden junge Mauersegler während des Schlafes in einen poikilothermen (wechselwarmen) Zustand, ohne dass die Körpertemperatur so stark herabgesetzt würde wie bei echten Winterschläfern. Längere Zeiträume des Winterschlafs wie bei Säugetieren gibt es bei Vögeln jedoch nicht.
Abgrenzung
Winterruhe
Die Winterruhe der Braunbären in ihren Höhlen ist nicht mit dem beschriebenen Winterschlaf zu verwechseln, weil die Körpertemperatur der Bären während ihrer längeren Ruhephase nie so stark abfällt wie bei den echten Winterschläfern. Winterruhephasen ohne eine größere Absenkung der Körpertemperatur gibt es auch bei Dachsen, Eichhörnchen und Waschbären. Die betreffenden Tiere sind allerdings während ihrer Winterruhe häufig wach und wechseln auch öfter die Schlafposition. Braunbären dagegen verbringen bis zu sieben Monate in ihrer Bärenhöhle in einem Dämmerschlaf, wobei sie weder Kot abgeben noch urinieren und auch nicht fressen oder trinken, sondern allein von ihren Fettreserven leben. Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass für diesen Dämmerzustand das Winterruhehormon Hibernation Induction Trigger (HIT) verantwortlich ist. Diese Substanz ermöglicht es den Bären, ihre lange Winterruhe zu überstehen, ohne dabei an Muskelkraft einzubüßen. Ein Mensch würde bei einer ähnlich langen Ruhephase, etwa im Krankenbett, rund 90 Prozent seiner Muskelkraft verlieren.
Winterliche Ruhezustände bei Hirschen
In jüngster Zeit wurde zur Winterzeit auch ein Ruhezustand mit einem Abfall der Körpertemperatur auf bis zu 15 Grad Celsius bei einheimischen Hirschen festgestellt. Durch die Herabsetzung ihrer Stoffwechselaktivität in der nächtlichen Ruhephase sind die Tiere in der Lage, die kalte Jahreszeit besser zu überstehen. Versuche der Veterinärmedizinischen Universität Wien ergaben, dass diese Regulationsmechanismen der Körpertemperatur und des Stoffwechsels vom Nahrungsangebot beeinflusst werden. Eiweißreiche Nahrung, die untypisch für die Winterzeit ist, könnte für unnötig hohe Stoffwechselaktivität im Winter verantwortlich sein. Eine nicht artgerechte Winterfütterung könnte so Hunger im Frühjahr erzeugen, da der Stoffwechsel nicht reduziert wurde, was wiederum zu Verbissschäden im Forst führe.
Die Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien gehen davon aus, dass die Abgrenzung des Winterschlafs von der Winterruhe nicht mehr haltbar ist, sondern eine Vielzahl von Säugetieren über eine Palette von ähnlich verlaufenden Regulationsmechanismen der Herabsetzung des Stoffwechsels und der Körpertemperatur verfügen, die möglicherweise auch von Seehunden und Walen bei längeren Tauchgängen genutzt werden.
Die Kältestarre der wechselwarmen Tiere
Abzuheben ist der Winterschlaf auch von der Kältestarre, wie sie bei vielen poikilothermen Tieren – Schnecken, manchen Insekten, den meisten Reptilien (Schlangen, Schildkröten, Eidechsen) und Amphibien (Kröten, Fröschen) – in den gemäßigten Klimazonen vorkommt. Im Gegensatz zur Kältestarre bleibt beim Winterschlaf homoiothermer Tiere die Körpertemperatur auch im abgesenkten Zustand geregelt und wird bei Erfrierungsgefahr aktiv erhöht. Teichmolche verbringen 3 bis 4 Monate, Blindschleichen und Kreuzottern 4 bis 5 Monate, Laubfrösche und Zauneidechsen 5 bis 6 Monate im Zustand der Winterstarre. Ein völliges, tödliches Einfrieren der Körperflüssigkeiten wird durch Glukose verhindert. Zusätzlich sondert der nordamerikanische Waldfrosch Rana sylvatica während der Winterstarre keinen Harn ab, so dass der Harnstoffgehalt seines Blutes um bis das Fünfzigfache steigt.
Der Sommer- oder Trockenschlaf
Eine andere Erscheinung ist der Sommerschlaf, den Krokodile und Schlangen (z. B. die Todesotter) der heißen Regionen während der trockenen Jahreszeit, meist unter einer Schlammdecke verborgen, halten. Einen ähnlichen Sommer- oder Trockenschlaf halten in Mitteleuropa bei Wärme und Wassermangel auch die Weinbergschnecken. Weitere sommerschlafende Tiere sind einige Frosch- und Krötenarten wie der Schmuckhornfrosch (Ceratophrys ornata) oder der Afrikanische Ochsenfrosch (Pyxicephalus adspersus). Ziel des Sommerschlafs ist es, während der heißen und nahrungsarmen Zeit Energie zu sparen; zu diesem Zweck fahren die Sommerschläfer, genau wie die winterschlafenen Tiere, ihren Stoffwechsel herunter. Bei den oben genannten Amphibien reduziert sich zusätzlich die Größe des Darms um über 40 Prozent. Einhergehend mit der Darmschrumpfung ist ein Rückgang der Nährstoffaufnahme um ca. 60 Prozent. Sobald es wieder Nahrung gibt, wächst der Darm wieder auf Normalgröße.
Siehe auch
Literatur
- Martin Eisentraut: Der Winterschlaf mit seinen ökologischen und physiologischen Begleiterscheinungen. Jena 1956.
- Ralf Elvert: Kardiorespiratorische und metabolische Reaktionen während des Eintritts in den Winterschlaf beim Siebenschläfer Glis glis. Görich und Weiershäuser, Marburg 2001, ISBN 3-89703-480-8
- Gerhard Körtner: Winterschlaf und seine Auswirkungen auf den Energiehaushalt beim Alpenmurmeltier (Marmota marmota). Diss. Marburg 1991.
- Erwin Kulzer: Winterschlaf. Mit 7 Tabellen. Staatliches Museum für Naturkunde, Stuttgart 1981.
- Paul Raths: Tiere im Winterschlaf. Leipzig ²1977, 1979.
- Ulrich Weber (Hrsg.): Biologie Oberstufe. Cornelsen, Berlin, 2009, ISBN 978-3-464-17183-7