Igel



Igel

Langohrigel (Hemiechinus auritus)

Systematik
Reihe: Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Klasse: Säugetiere (Mammalia)
Unterklasse: Höhere Säugetiere (Eutheria)
Überordnung: Laurasiatheria
Ordnung: Insektenfresser (Eulipotyphla)
Familie: Igel
Wissenschaftlicher Name
Erinaceidae
Fischer, 1814

Die Igel (Erinaceidae) bilden eine Familie von Säugetieren, deren bekannteste Vertreter die in Europa lebenden Arten Braunbrustigel (Erinaceus europaeus) und Nördlicher Weißbrustigel (Erinaceus roumanicus) sind. Insgesamt umfasst die Familie rund 25 Arten, die in Eurasien und Afrika verbreitet sind. Sie teilen sich in zwei äußerlich deutlich verschiedene Unterfamilien, die Stacheligel (Erinaceinae) und die stachellosen Ratten- oder Haarigel (Galericinae). Die systematische Stellung der Igel ist immer noch umstritten: Diskutiert werden eine Zugehörigkeit zu den Insektenfressern (Eulipotyphla) oder eine Stellung als eigene Ordnung (Erinaceomorpha) an der Basis der Höheren Säugetiere (Eutheria), wobei jüngere Untersuchungen die erstere Variante wieder wahrscheinlicher werden lassen.

Etymologie

Althochdeutsch igil (9. Jahrhundert), mittelhochdeutsch igel, altsächsisch igil, mittelniederdeutsch ēgel, mittelniederländisch ēghel, niederländisch egel, altenglisch igil, altnordisch īgull, ist als l-Ableitung verwandt mit dem griechischen échis (ἕχις) 'Schlange', aus indoeuropäisch *eĝhi- 'Schlange'.

Zur gleichen griechischen, bzw. indoeuropäischen Ausgangsform gehören mit n-Suffix griechisch echinos (έχΐνος), 'Igel, Seeigel' und mit indoeuropäischem įo-Suffix: serbisch-kirchenslawisch ježь, russisch ёж, litauisch ež&#375s 'Igel'.

Alle diese Ableitungen sind als 'Schlangentier, Schlangenfresser' zu verstehen, da der Igel außer Insekten, Fröschen, Mäusen etc. auch Schlangen frisst[1].

Merkmale

Allgemeiner Körperbau

Junger Stacheligel
Stacheligel können sich im Bedrohungsfall einrollen
Hylomys suillus gehört zu den Rattenigeln, der zweiten Gruppe innerhalb der Igel.

Igel sind kleine bis mittelgroße Tiere. Ihre Kopf-Rumpf-Längen variieren von 10 bis 45 Zentimetern. Die Igel-Art mit den größten und schwersten Exemplaren ist der Große Rattenigel mit einen Gewicht von bis zu 2 Kilogramm. Im Gegensatz dazu bringen Exemplare des Kleinen Rattenigel 20 bis 80 Gramm auf die Waage. Die Schwanzlänge von Igeln ist variabel, einige Vertreter der Rattenigel haben einen langen Schwanz, während er bei den Stacheligeln meist nur ein kurzer Stummel ist.

Die Gliedmaßen der Igel sind relativ kurz und unspezialisiert. Die Daumen beziehungsweise großen Zehen sind wie bei allen Insektenfressern nicht opponierbar, die Füße enden in meist fünf mit scharfen Krallen versehenen Zehen – lediglich die Afrikanischen Igel haben vier Zehen an den Hinterfüßen. Das Schien- und das Wadenbein sind wie bei vielen Insektenfressern in der unteren Hälfte verschmolzen.

Igel sind Sohlengänger. Bei den Rattenigeln sind die Hinterbeine etwas länger als die Vorderbeine, um eine rasche Flucht zu ermöglichen.

Fell

Stachel im Rasterelektronenmikroskop („REM“), Vergrößerung 20 x

Das Fell der Igel ist meist in unauffälligen Braun- oder Grautönen gehalten. Die Stacheligel haben als wirksame Verteidigungswaffe Stacheln am Rücken und an den Flanken (beim Braunbrustigel sind es etwa sechs- bis achttausend). Diese Stacheln sind modifizierte, hohle Haare. Jeder Stachel ist mit einem Aufrichtemuskel (Musculus arrector pili) ausgestattet. Stacheligel können sich im Bedrohungsfall zu einer Kugel zusammenrollen. Das Einrollen des Körpers ist ein komplexes Zusammenspiel zahlreicher Muskeln, darunter des Musculus caudo-dorsalis, der von den Schwanzwirbeln zum Rücken verläuft und die Stacheln aufrichtet und eines Schließmuskels (Musculus sphincter cuculli), der die Kugel geschlossen hält und so die ungeschützten Körperteile verbirgt. Der Bauch, das Gesicht und die Gliedmaßen sind bei den Stacheligeln mit Fell bedeckt.

Im Gegensatz dazu haben Rattenigel keine Stacheln und erwecken darum (und aufgrund des meist längeren Schwanzes) einen eher spitzmaus-ähnlichen Eindruck. Ihr graubraunes bis schwarzes Fell kann je nach Art seidig-weich oder rau sein. Die Verteidigungsstrategie dieser Tiere ist Flucht.

Schädel eines Igels

Kopf und Zähne

Der Schädel der Igel ist langgestreckt und flach. Eine Besonderheit ist der geschlossene Jochbogen und durch das selbständige Jochbein, was diese Tiere von den meisten anderen Insektenfressern unterscheidet. Der Kopf sitzt auf einem kurzen Hals. Die langgezogene, bewegliche Schnauze ist mit Tasthaaren ausgestattet. Die Augen und Ohren sind – verglichen mit anderen Insektenfressern – relativ groß. Der Geruchssinn und das Gehör dürften die wichtigsten Sinne bei der Nahrungssuche sein, der Gesichtsinn spielt hingegen nur eine untergeordnete Rolle.

Der Hirnschädel ist relativ klein, dementsprechend ist auch das Gehirn einfach gebaut und im Vergleich zur Körpermasse klein. Der Riechkolben ist jedoch gut entwickelt. Auch der Igel nutzt das Jacobsonsche Organ.

Zahnformel I C P M
36–44 = 3 1 3–4 3
2–3 1 2–4 3

Die Zähne der Igel sind mit spitzen Höckern und scharfen Schmelzleisten versehen und sehr gut an ihre fleischliche Ernährungsweise angepasst. Alle Arten haben vergleichsweise viele Zähne, bei einigen Vertretern ist die ursprüngliche Zahnzahl 44 der Höheren Säugetiere erhalten geblieben. Der vorderste Schneidezahn ist oft größer als die übrigen Schneidezähne, die oberen Backenzähne haben vier Höcker, wobei der hinterste Backenzahn oft reduziert ist.

Verdauungs- und Fortpflanzungstrakt

Der Verdauungstrakt ist sehr einfach gebaut. Es gibt keinen Blinddarm, der Darm ist eine einfache Röhre und verglichen mit der Körperlänge sehr kurz. Bei den Männchen liegen die Hoden stets außerhalb der Bauchhöhle in hodensack-ähnlichen Hautfalten, den Cremasterfalten. Die Weibchen haben eine zweihörnige Gebärmutter.

Verbreitung und Lebensraum

Der Braunbrustigel ist die westliche der zwei europäischen Igelarten.

Igel sind auf die Alte Welt beschränkt, sie kommen in Europa, Afrika und Teilen Asiens vor. In Amerika fehlen sie ebenso wie in Australien. Während sich das Verbreitungsgebiet der Stacheligel von den Britischen Inseln und der Iberischen Halbinsel bis nach Südafrika beziehungsweise Korea und Indien erstreckt, sind die Rattenigel auf Südostasien beschränkt.

Igel bewohnen eine Vielzahl von Lebensräumen: Die Stacheligel bevorzugen eher trockene Habitate, sie finden sich unter anderem in lichten Wäldern, Grasländern und auch Kulturlandschaften. Einige Gattungen wie die Wüsten- und Langohrigel sind sogar ausgesprochene Steppen- und Wüstenbewohner. Die Rattenigel hingegen bevorzugen feuchte Habitate und finden sich vorrangig in Regenwäldern.

Keine Igel und mit ihnen auch nicht näher verwandt, jedoch stacheltragende Insektenfresser sind die australischen Ameisenigel.

Lebensweise

Allgemeines

Stacheligel im Winter

Igel sind in erster Linie terrestrisch (bodenlebend). Zwar können einige Arten gut klettern und halten sich manchmal auf Büschen auf, meist suchen sie jedoch auf dem Erdboden nach Nahrung. Manche Arten legen zum schnelleren Vorwärtskommen Trampelpfade im dichten Unterholz an. Einige Arten können gut schwimmen. Zumindest eine Art, der Große Rattenigel, geht auch im Wasser auf Nahrungssuche.

Die Stacheligel graben meist eigene Baue, die ihnen als Ruheplätze dienen. Die Eingänge der Baue sind meist in dichter Vegetation verborgen, das Nest wird oft mit trockener Vegetation ausgekleidet. Im Gegensatz dazu legen die Rattenigel meist keine Baue an, sondern verbergen sich zwischen Felsspalten, im Wurzelwerk der Bäume oder in Erdlöchern.

Sozialverhalten und Aktivitätszeiten

Igel sind meist dämmerungs- oder nachtaktiv

Igel führen außerhalb der Paarungszeit zumeist ein einzelgängerisches Leben und reagieren aggressiv auf Artgenossen. Sie sind vorwiegend dämmerungs- oder nachtaktiv, lediglich von einigen Arten der Rattenigel ist bekannt, dass sie auch tagsüber auf Nahrungssuche gehen können.

Die Igel in kühleren Regionen halten einen Winterschlaf, die Bewohner sehr heißer Gebiete fallen während der Trockenperioden manchmal in einen Torpor (Starrezustand).

Nahrung

Die Nahrung der Igel besteht in erster Linie aus Wirbellosen (beispielsweise Insekten und deren Larven sowie Ringelwürmern), sie nehmen aber auch kleine Wirbeltiere und Aas zu sich. In kleinem Ausmaß verzehren sie auch pflanzliches Material wie Wurzeln und Früchte.

Falsch ist die Behauptung, dass Igel ihre Nahrungsvorräte auf den Stacheln lagern. Zwar finden sich manchmal Blätter oder Früchte auf ihren Rücken aufgespießt, allerdings ernähren sich die Tiere nicht davon. Sie nehmen diesen Ballast unabsichtlich auf, beispielsweise in ihrem Nest, und scheinen danach keinen großen Eifer in dessen Entfernung zu legen.

Fortpflanzung

Igel mit Jungtier

Igel bringen einmal (in wärmeren Regionen auch zweimal) im Jahr Nachwuchs zur Welt. Nach einer rund 30- bis 48-tägigen Tragzeit wirft das Weibchen ein bis elf Jungtiere (bei den europäischen Arten sind es im Durchschnitt vier bis fünf). Neugeborene sind zunächst blind und hilflos. Die jungen Stacheligel haben bei der Geburt noch weiche Stacheln, um den Geburtskanal der Mutter nicht zu verletzen. Nach 12 bis 24 Tagen öffnen die Jungtiere die Augen , nach sechs bis acht Wochen werden sie entwöhnt. Die Geschlechtsreife tritt meist nach 6 bis 12 Monaten ein. Die Lebenserwartung in freier Natur beträgt – soweit bekannt – drei bis sieben Jahre.

Igel und Menschen

Weißbauchzwergigel werden manchmal als Heimtiere gehalten

Aus volksmedizinischen oder abergläubischen Gründen wurden einige Igelarten manchmal bejagt, aber nicht in einem Ausmaß, das die Gesamtpopulation gefährdete. Weißbauchzwergigel werden mancherorts als Heimtiere gehalten, zumeist in den USA, aber mittlerweile auch schon in Europa. Nachdem ursprünglich viele Tiere importiert wurden, stammen die meisten heute aus Nachzuchten und werden auch schon in verschiedenen Farbschattierungen angeboten.

Da die Stacheligel zu einem gewissen Grad Kulturfolger sind oder oft trockene, dünn besiedelte Regionen bewohnen, sind sie weniger gefährdet als andere Säugetierarten. Im Gegensatz dazu sind die regenwaldbewohnenden Rattenigel den Bedrohungen ausgesetzt, die mit der Zerstörung ihres Lebensraums einhergehen. Die IUCN listet zwei Rattenigelarten als „stark gefährdet“ (endangered), eine als „gefährdet“ (vulnerable), für eine weitere Art fehlen genaue Daten.[2]

Da die meisten kulturellen Bezüge des Igels sich auf den in Europa verbreiteten Braunbrustigel beschränken, sei an dieser Stelle auf diesen Artikel verwiesen.

Systematik

Äußere Systematik

Die systematische Stellung der Igel zählt zu den umstrittensten Fragen in der Systematik der Säugetiere. Lange Zeit wurden sie in die Ordnung der Insektenfresser (Insectivora) eingeordnet, zu der unter anderem auch Spitzmäuse und Maulwürfe zählen. Diese Ordnung war aber nur durch relativ schwache Gemeinsamkeiten definiert, immer wieder sind Gruppen ein- oder ausgegliedert worden.

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts gab es einige molekulargenetische Untersuchungen, etwa von mitochondrialen Genen, denen zufolge die Igel nicht näher mit den übrigen Insektenfressern verwandt sind, sondern eine eigene Ordnung (Erinaceomorpha) bilden. Diese Untersuchungen platzierten die Igel an die Basis der Höheren Säugetiere und sahen in ihnen die Schwestergruppe aller übrigen Höheren Säuger.

Es gibt jedoch Kritik an diesen Untersuchungen. Besonders mitochondriale DNA-Sequenzen haben bei diesen Tieren eine schnelle Evolution mit einer hohen Mutationsrate durchlaufen und unterscheiden sich deshalb genetisch stärker von ihren nächsten Verwandten als diese sich von weiter entfernten Arten. Nachfolgende Analysen, unter anderen von nukleären Genen,[3] und auch von mitochondrialen Genen[4] bestätigten wiederum die Zugehörigkeit der Igel zu den Insektenfressern. Auch wenn diese Ansicht nicht unumstritten ist, gewinnt sie doch immer mehr an Evidenz.

Diesen Untersuchungen zufolge sind die nächsten Verwandten der Igel die Spitzmäuse, innerhalb der Insektenfresser ergibt sich somit folgendes Kladogramm:[5]

 Eulipotyphla (Insektenfresser)  
  N.N.  

 Talpidae (Maulwürfe)


  N.N.  

 Erinaceidae (Igel)


   

 Soricidae (Spitzmäuse)




  N.N.  

 Solenodontidae (Schlitzrüssler)


   

 Nesophontidae † (Karibische Spitzmäuse)




Innere Systematik

Die Igel werden in zwei Unterfamilien mit insgesamt 10 Gattungen und rund 25 Arten unterteilt:

Die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Familie kommen in folgendem Diagramm zum Ausdruck:

 Igel (Erinaceidae) 
 Rattenigel (Galericinae) 
 N.N. 

Kleine Rattenigel (Hylomys)


   

Hainan-Rattenigel (Neohylomys)


   

Spitzmausigel (Neotetracus)


Vorlage:Klade/Wartung/3

 N.N. 

Großer Rattenigel (Echinosorex)


   

Philippinische Rattenigel (Podogymnura)




 Stacheligel (Erinaceinae) 
 N.N. 

Kurzohrigel (Erinaceus)


   

Afrikanische Igel (Atelerix)



   

Steppenigel (Mesechinus)


 N.N. 

Wüstenigel (Paraechinus)


   

Langohrigel (Hemiechinus)



Vorlage:Klade/Wartung/3


Stammesgeschichte

Die Fossilgeschichte der Igel reicht bis in das Paläozän zurück, als ihr ältester bekannter Vertreter gilt Litolestes aus Nordamerika. Aus Nordamerika und Europa ist die Gruppe der Amphilemuridae bekannt, die bereits sehr ähnliche Verteidigungsstrategien wie die heutigen Vertreter aufwies. Aus dem Miozän ist aus Europa die Gattung Deinogalerix bekannt, ein Vertreter der Rattenigel, der wahrscheinlich rund zehn Kilogramm wog. Im Pliozän dürften die Igel in Amerika ausgestorben sein.

Literatur

  • Gerhard Storch: Lipotyphla, Insektenfresser. In: Wilfried Westheide, Reinhard Rieger (Hrsg.): Wirbel- oder Schädeltiere. Spektrum, Heidelberg 2004, ISBN 3-8274-0307-3 (Spezielle Zoologie. Teil 2).
  • Thomas S. Kemp: The Origin and Evolution of Mammals. Oxford University Press, Oxford 2005. ISBN 0-19-850761-5.
  • Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Mammal Species of the World. Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005, ISBN 0-8018-8221-4.

Einzelnachweise

  1. Pfeifer, Dr. Wolgang, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv) München, 5. Auflage 2000, S.571.
  2. Igel in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN. Abgerufen am 9. November 2009.
  3. C. J. Douady u. a.: Molecular phylogenetic evidence confirming the Eulipotyphla concept and in support of hedgehogs as the sister group to shrews. In: Molecular Phylogenetics and Evolution. 25, 2002, S. 200–209.
  4. M. Nikaido u. a.: Mitochondrial phylogeny of hedgehogs and monophyly of Eulipotyphla. In: Molecular Phylogenetics and Evolution. 28, 2003, S. 276–284.
  5. Nach Robin Beck u. a.: A higher-level MRP supertree of placental mammals. In: BMC Evolutionary Biology. 6, Nr. 93, 2006

Weblinks

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