Experimente der Evolution: Neuer Raubdinosaurier aus Patagonien
Bio-News vom 11.12.2019
Der SNSB-Paläontologe Oliver Rauhut hat in Patagonien einen bisher unbekannten Raubdinosaurier (Asfaltoventor vialidadi) aus der mittleren Jurazeit (ca. 172 Mio Jahre) entdeckt, der ein neues Licht auf die Evolutionsgeschichte dieser Tiergruppe wirft. Die Neuentdeckung veröffentlichte der Forscher gemeinsam mit einem Kollegen kürzlich in der Fachzeitschrift Scientific Reports.
Der in Patagonien neu gefundene Raubdinosaurier, Asfaltoventor vialidadi, gehört zur Großgruppe der Tetanuren, der wichtigsten Gruppe der zweibeinigen Raubdinosaurier. Zu dieser Gruppe gehören so bekannte ausgestorbene Tiere wie Allosaurus, Tyrannosaurus oder Velociraptor, aber auch die heutigen Vögel. Bei dem neuen Fossil handelt es sich um das vollständigste Raubdinosaurierskelett, das aus der frühen mittleren Jurazeit (vor ca. 174-168 Mio. Jahre) weltweit bekannt ist. Erhalten sind ein fast vollständiger Schädel, die gesamte Wirbelsäule bis zum Becken, vollständige Arme sowie Teile der Beine. Das Tier war insgesamt etwa 8m lang.
Publikation:
Rauhut OWM & Pol D.
Probable basal allosauroid from the early Middle Jurassic Cañadón Asfalto Formati-on of Argentina highlights phylogenetic uncertainty in tetanuran theropod dinosaurs
Scientific Reports
DOI: 10.1038/s41598-019-53672-7
„Wir fanden bei dem Fossil eine sehr ungewöhnliche Kombination von Skelettmerkmalen, die die bisher angenommenen Verwandtschaften zwischen den großen Gruppen der Tetanuren - Megalosaurier, Allo-saurier und Coelurosaurier - in Frage stellt“, zeigen sich Oliver Rauhut, Oberkonservator an der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie (SNSB-BSPG) und Koautor Diego Pol vom Museo Paleontológico Egidio Feruglio, Trelew, Argentinien von den Untersuchungsergebnissen überrascht. Asfaltoventor vialidadi zeigt diverse Skelettmerkmale, die ansonsten nur von unterschiedlichen anderen Raubsaurierarten bekannt waren.
Aufgrund der ungewöhnlichen Merkmalskombination von A. vialidadi wurden die Forscher neugierig und untersuchten und verglichen andere Tetanuren-Arten. Dabei fiel auf, dass zur Zeit der raschen Ausbreitung dieser Raubsaurier-Gruppe viele unterschiedliche Arten gleichzeitig sehr ähnliche Skelettmerkmale entwickelten.
Die fast explosionsartige Evolution der Gruppe bringt Rauhut mit einem großen Massenaussterben im späten unteren Jura (vor ca. 180 Mio. Jahre) in Verbindung. Die Forscher deuten die Parallelentwicklungen von äußeren Merkmalen als „Experimentieren“ der Evolution während der raschen Ausbreitung der Tetanuren. Durch das Aussterben von möglichen Konkurrenten standen den überlebenden Gruppen, wie es die Tetanuren hier offenbar waren, deutlich mehr Lebensräume zur Verfügung, die sie besiedeln konnten.
„Dieses Muster beobachten wir auch bei anderen Tiergruppen, die sich nach Aussterbeereignissen oft rasend schnell entfalten, wie etwa bei den Säugetieren oder den Vögeln nach dem Aussterben der Dinosaurier am Ende der Kreide-Zeit vor 66 Mio. Jahren“, so Rauhut. Dies kann erklären, warum Verwandtschaftsverhältnisse am Ursprung vieler Tiergruppen oft so schwer entschlüsselt werden können.
Diese Newsmeldung wurde mit Material Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.