Floren verlieren weltweit an Einzigartigkeit



Bio-News vom 15.12.2021

Selbst weit voneinander entfernte Regionen unseres Planeten werden sich in ihren Floren immer ähnlicher. Grund ist die Ausbreitung gebietsfremder Pflanzenarten, so das Ergebnis eines globalen Forschungsprojektes unter Leitung Konstanzer Biologen

Wenn gebietsfremde Pflanzen sich in ein bestehendes Ökosystem integrieren und sich dort erfolgreich ausbreiten, kann dies in seltenen Fällen zur Einzigartigkeit der regionalen Flora beitragen. Deutlich häufiger führt dieser als „Naturalisierung“ bezeichnete Vorgang jedoch zu einer Vereinheitlichung regionaler Floren und damit weltweit betrachtet zu einem Nettoverlust an Einzigartigkeit. Insbesondere sogenannte Super-Invasoren sorgen durch ihre hocheffektive Verbreitung und die Verdrängung einheimischer Pflanzenarten dafür, dass sich selbst weit voneinander entfernte Regionen mit klarer geographischer Trennung immer ähnlicher werden. Zu diesen Ergebnissen kommt ein internationales Forschungsteam unter der Leitung Konstanzer Biologen in der Fachzeitschrift Nature Communications.


Die nordamerikanische Stachelgurke (Echinocystis lobata) in der russischen Republik Altai.

Publikation:


Qiang Yang et al.
The global loss of floristic uniqueness

Nat Comm (2021)

DOI: 10.1038/s41467-021-27603-y



Untersuchung mithilfe globaler Datenbanken

In ihrer aktuellen Studie vergleichen die Forschenden anhand globaler Datenbanken erstmalig die Zusammensetzung 658 regionaler Floren aus nahezu allen Teilen der Welt. Zusätzlich untersuchen sie den Einfluss biogeographischer und anthropogener, also menschgemachter Faktoren auf die zunehmende Vereinheitlichung der regionalen Floren. Für die Bewertung der Einzigartigkeit einzelner Regionen berücksichtigen sie sowohl die Anzahl der Pflanzenarten, die sich eine Region mit anderen Regionen teilt oder nicht teilt, als auch den Verwandtschaftsgrad der Pflanzenarten zueinander. Sie schließen dadurch auch die regionalen Evolutionsgeschichten in ihre Untersuchung ein.

Eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung gebietsfremder Pflanzen und dem Verlust der Einzigartigkeit regionaler Floren spielen verschiedene biogeographische Faktoren. Hierzu gehören laut Studie die geographische Entfernung zwischen den betrachteten Regionen und deren „klimatische Distanz“ zueinander. „Je mehr sich zwei Regionen klimatisch ähneln, desto eher gelingt es einer Pflanze aus der einen Region, sich in der Anderen als naturalisierte Art zu etablieren, wenn geographische Hürden erst einmal überwunden wurden. Pflanzen aus einer Region mit kurzer klimatischer Distanz zum neuen Lebensraum sind sozusagen ‚klimatisch vorangepasst‘“, erklärt der Erstautor der Studie, Dr. Qiang Yang, den Effekt.


Das Indische Springkraut (Impatiens glandulifera) entlang eines Waldrandes in Deutschland.
Der Japanische Staudenknöterich (Fallopia japonica) entlang eines Flusses in Österreich.

Politische Faktoren als zusätzliche Triebkraft

Doch auch menschgemachte Faktoren haben einen Einfluss auf die Verbreitung gebietsfremder Pflanzen und die Vereinheitlichung der weltweiten regionalen Floren. So beschreiben die Forschenden, dass die gemeinsame Verwaltungshistorie einiger betrachteter Gebiete ebenfalls eine Rolle spielt: Regionen, die heute oder in der Vergangenheit unter derselben politischen Verwaltung stehen oder standen, weisen höhere Grade der Vereinheitlichung in der Zusammensetzung ihrer Floren auf.

Aktuelle Beispiele bieten Regionen, die Teil desselben Staatsgebietes sind, wie verschiedene Regionen innerhalb der USA. Historische Beispiele sind dagegen die Europäischen Kolonialmächte und ihre ehemaligen Kolonien. „Zwischen Regionen desselben Staatsgebietes oder Regionen mit historischen kolonialen Verbindungen besteht oder bestand zumindest in der Vergangenheit ein reger Austausch sowohl in Form von Fracht- als auch Personenverkehr. Dadurch erhöht sich gewöhnlich auch der Austausch von Pflanzen über geographische Grenzen hinweg – sei es absichtlich, als Handelsware oder Nutzpflanze, oder unabsichtlich“, erläutert Qiang Yang.

Wirksamere Maßnahmen zur Biosicherheit erforderlich

In der Summe treiben gebietsfremde Pflanzen im Falle ihrer Naturalisierung die weltweite Vereinheitlichung regionaler Pflanzengemeinschaften voran und der Mensch trägt durch die Verbreitung dieser gebietsfremden Pflanzen einen deutlichen Teil dazu bei. „Diese Effekte zeigen sich heute selbst an den entlegensten Orten der Welt“, berichtet Prof. Dr. Mark van Kleunen, Professor für Ökologie am Fachbereich Biologie der Universität Konstanz und Letztautor des Fachartikels, und schließt: „Sofern es in Zukunft keine effektiveren Schutzmaßnahmen gegen die fortschreitende Ausbreitung und Naturalisierung gebietsfremder Pflanzen geben wird, werden diese die Einzigartigkeit unserer Lebensräume zunehmend zerstören – und die Welt so zu einem eintönigeren Ort machen.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Konstanz via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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