Hummeln: Besser sehen durch Bewegung
Bio-News vom 07.06.2023
Wenn sich Hummeln bewegen, verbessert sich ihr Sehvermögen, das konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uni Würzburg nun nachweisen.
Von anderen Insekten war bereits bekannt, dass Laufen oder Fliegen die Verarbeitung von Sehinformationen im Gehirn beschleunigt. Ob aktives Verhalten aber auch einen Einfluss auf die Verarbeitung von Reizen im Auge hat, war bisher nicht erforscht.
Publikation:
Lisa Rother, Robin Müller, Erwin Kirschenmann, James J. Foster, Sinan Kaya-Zeeb, Markus Thamm and Keram Pfeiffer
Walking bumblebees see faster
Proceedings of the Royal Society B (2023)
Mithilfe von elektrophysiologischen Ableitungen – also Messung und Aufzeichnung der elektrischen Aktivität – hat ein Team von Forschenden der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) nun die Reaktionsgeschwindigkeit des Auges von Hummeln bestimmt, während die Tiere entweder saßen oder liefen. Dabei konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachweisen, dass laufende Hummeln Sehinformationen tatsächlich schneller verarbeiten als sitzende.
Die Ergebnisse waren dabei durchaus beachtlich: Laufende Hummeln sehen um 20 Prozent schneller als ihre statischen Artgenossinnen
Professor Keram Pfeiffer vom Lehrstuhl Zoologie II der JMU
Laufende Hummeln sehen um 20 Prozent schneller
Hummeln sind in der Lage ihre Körpertemperatur aktiv zu erhöhen und beschleunigen damit auch den Ablauf biochemischer Prozesse. Dazu zittern sie mit ihrer Flugmuskulatur. Gleichzeitige Messung der Temperatur und der Reaktionsgeschwindigkeit des Auges deutete darauf hin, dass der beobachtete Zugewinn an Reaktionsgeschwindigkeit eine Folge erhöhter Körpertemperatur sein könnte. „Dass dies tatsächlich der Fall ist, konnten wir nachweisen, indem wir sitzende Tiere mit einer Wärmelampe bestrahlten und die Ergebnisse so reproduzierten“, erklärt Lisa Rother. Die Doktorandin ist, gemeinsam mit Robin Müller, Erstautorin der Studie.
Bereits bekannt war, dass eine höhere Lichtintensität schnelleres Sehen ermöglicht. Wie viel heller das Licht sein muss, um eine ähnliche Steigerung wie durch die Bewegung zu erreichen, konnten die Forschenden in weiteren Untersuchungen beziffern. Ergebnis: Die Lichtintensität musste um den Faktor 14 erhöht werden.
Folgeversuche für tiefere Einblicke
Welchen Nutzen die Hummeln aus diesem Effekt ziehen und ob sie ihn vielleicht sogar aktiv einsetzen, sollen weitere Untersuchungen klären.
Grundsätzlich gäbe es hier laut Robin Müller zwei Erklärungsansätze. Die erste Möglichkeit: „Die Tiere wärmen im Laufen ihre Flugmuskulatur so auf, dass sie jederzeit abfliegen können. In diesem Falle wäre die beobachtete Geschwindigkeitserhöhung des Sehens lediglich ein nützlicher Nebeneffekt.“
Möglichkeit zwei: Die Tiere wärmen sich aktiv auf, um visuelle Reize schneller zu verarbeiten. Das hätte schon allein deshalb Vorteile, weil sich die visuell wahrgenommene Umgebung in Bewegung schneller verändert. Diese schnelleren Bilder können die Hummeln also auch schneller verarbeiten. Im Flug steigt die Kopftemperatur der Hummeln auf ca. 35°C an. Dabei wäre die Verarbeitungszeit für Sehinformationen im Auge dann nur noch halb so groß wie im Sitzen – was passend zu der noch größeren Informationsflut im Flug wäre.
Beschreibung des Videos unten im Kasten.
Zum Video
Das Video zeigt oben eine thermografische Aufnahme einer Hummel. Zunächst sitzt das Tier. Sobald es beginnt zu laufen, erkennt man, wie es sich aufwärmt, um dann beim anschließenden Sitzen wieder abzukühlen. Im unteren Abschnitt ist der zeitliche Zusammenhang zwischen einem Lichtstimulus und der Reaktion des Auges in Form einer sogenannten Kreuzkorrelation dargestellt. Je weiter sich die Kurve nach links verschiebt, desto schneller reagiert das Auge auf Sehinformationen.
Diese Newsmeldung wurde mit Material https://idw-online.de/de/institutsion99 via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.