Kohlmeisen entgiften auf Kosten der Lebensdauer



Bio-News vom 28.11.2018

Manchmal stehen Fortpflanzung und Überleben im Widerspruch zueinander. Ein Grund für dieses Dilemma könnten sogenannte freie Radikale sein. Wenn Kohlmeisen-Männchen während der Brutzeit höhere Energiekosten haben, entstehen in ihrem Körper mehr dieser reaktionsfreudigen und daher schädlichen Moleküle. Wissenschaftlerinnen vom Max-Planck-Institut für Ornithologie haben herausgefunden, dass sie diese Kosten auch durch Gewichtsverlust und höhere Stresshormonwerte im Blut wettmachen, ohne Nachteile für ihren Nachwuchs und ihr eigenes Überleben. Ein Teil der Vögel neutralisiert die freien Radikale durch ein Enzym, das Zellschäden vorbeugt. Diese Tiere überleben häufiger nicht den nächsten Winter

Die Aufzucht von Nachwuchs verlangt Eltern einiges an Ressourcen und Energie ab und kann sich daher auf ihre Überlebenswahrscheinlichkeit auswirken. Die zugrundeliegenden Prozesse, die zwischen Investition in die Fortpflanzung und Überleben vermitteln, sind jedoch noch unklar. Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen haben nun zwei potentiell vermittelnde physiologische Systeme untersucht: Zum einen Stresshormone, die kurzfristige Energieressourcen im Körper mobilisieren können, um eine erhöhte Stoffwechseltätigkeit zu unterstützen. Zum anderen das sogenannte Redoxsystem, das eine hohe Konzentrationen von freien Radikalen im Blut ausgleicht, die oxidativen Stress verursachen können: Erhöhte Stoffwechselraten führen zu einer vermehrten Produktion eines Enzyms namens GPx, das intrazelluläres Wasserstoffperoxid unschädlich machen und so Zellschäden verhindern kann.

In ihrer Studie haben Stefania Casagrande und Michaela Hau vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen das Arbeitspensum einiger Kohlmeisen-Männchen während der Jungenaufzucht erhöht, indem sie ihnen je drei Federn pro Flügel verkürzten. Der Eingriff erhöht die Anforderungen an den Stoffwechsel in etwa wie die Mauser. Nach drei Wochen waren die Federn wieder vollständig nachgewachsen.


Kohlmeisenmännchen kompensieren erhöhten Energiebedarf während der Brutzeit durch Gewichtsverlust und höheren Konzentrationen von Stresshormonen und einem Enzym, das freie Radikale neutralisiert.

Publikation:


Casagrande Stefania & Hau Michaela
Enzymatic antioxidants but not baseline glucocorticoids mediate the reproduction–survival trade-off in a wild bird

Proceedings of the Royal Society B, veröffentlicht am 28. November 2018

DOI: http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2018.2141



Die Kohlmeisen-Väter flogen trotz gekürzter Federn nicht weniger oft zum Nest mit ihren Nachkommen. Tatsächlich konnten den Ergebnissen der Wissenschaftlerinnen zufolge die Männchen die erhöhten Stoffwechselanforderungen so gut ausgleichen, dass sie sich nicht negativ auf ihre Nachkommen oder auf ihr eigenes Überleben während der Jungenaufzucht auswirken. Fünf Tage nach der Behandlung hatten die Männchen mit gekürzten Federn im Vergleich zu den unbehandelten Männchen jedoch drei Prozent ihres Körpergewichts verloren. Außerdem hatten die meisten von ihnen höhere Werte an Stresshormonen und des Enzyms GPx im Blut.

“Der Gewichtsverlust ist wahrscheinlich eine Antwort des Körpers auf die erhöhte Konzentration an Stresshormonen”, erklärt Erstautorin Stefania Casagrande. “Er hat keinen Effekt auf den Bruterfolg oder auf die Überlebenswahrscheinlichkeit der Männchen”.

Die Männchen jedoch, die vermehrt das Enzym GPx produzieren, überleben seltener den nächsten Winter. “Bei Männchen mit gekürzten Federn haben wir oft eine erhöhte Konzentration des Enzyms gefunden, aber auch bei unbehandelten Vögeln kommt so eine Höherregulierung der Konzentration natürlicherweise vor”, sagt Casagrande.

Es scheint also kostspielig zu sein, freie Radikale im Körper abzuwehren. “Männliche Kohlmeisen haben unterschiedliche Mittel, mit den Herausforderungen der Fortpflanzung umzugehen, aber die „Detox“-Strategie hat unter Umständen Auswirkungen auf die Lebensdauer“, fasst Forschungsgruppenleiterin Michaela Hau zusammen.


Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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