Die Viren-Detektive: Geheimnis des „Bachforellen-Sterbens“ gelüftet
Bio-News vom 28.11.2018
Jeden Sommer gehen in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz massenhaft Bachforellen zugrunde. Einem interdisziplinären Team der Technischen Universität München (TUM) ist es jetzt gelungen, das mysteriöse Fischsterben aufzuklären: Das „Bachforellen-Sterben“ wird durch ein bisher unbekanntes Virus ausgelöst.
Tatort sind immer dieselben Flussabschnitte. Und immer sind die Opfer die Bachforellen. Innerhalb weniger Tage färbt sich deren Haut dunkel und die Tiere gehen zu Grunde. Nach der Ursache des mysteriösen Massensterbens fahndeten Forscher und Behörden seit Jahrzehnten – bisher ohne Erfolg.
Mit modernsten Analyse-Methoden hat Prof. Ralph Kühn zusammen mit einem Forschungsteam der TU München jetzt den Erreger entdeckt, der das „Proliverative Darkening Syndrom“, kurz PDS, bei Bachforellen auslöst.
Publikation:
Ralph Kühn, Bernhard C. Stöckle, Marc Young,, Lisa Popp, Jens-Eike Täubert, Michael W. Pfaffl, Jürgen Geist
Identification of a piscine reovirus-related pathogen in Proliferative Darkening Syndrome (PDS) infected brown trout (Salmo trutta fario) using a next-generation technology detection pipeline
PLOS ONE, 22.10.2018
DOI: 10.1371/journal.pone.0206164
Von der Iller ins Labor
„Die größte Herausforderung lag darin, einen Krankheitserreger zu identifizieren, den niemand kannte. Wir wussten daher nicht, wonach wir suchen mussten“, erinnert sich der Biologe. „Am Anfang war nicht einmal klar, ob es sich ein Bakterium, ein Virus, einen Parasiten oder um ein Umweltgift handelt.“
Es folgten zehn Jahre wissenschaftlicher Detektivarbeit. Die Forscherinnen und Forscher legten an der Iller zwei Versuchsstationen an – eine im Oberlauf, in der Nähe von Obersdorf, wo die Fischkrankheit nie beobachtet worden war; eine zweite im Unterlauf, nahe Kempten, wo jeden Sommer Bachforellen verenden.
An beiden Stationen bauten die Forschenden mit Flusswasser gespeiste Aquarien auf. Von Mai bis September beobachteten sie die Fische in den Aquarien und entnahmen jeden Tag Gewebeproben, die tiefgekühlt ins Labor der TUM geschickt und dort analysiert wurden.
Mit Next Generation Technologies auf Spurensuche
Die Beobachtungen zeigten, dass die PDS-Krankheit in drei Phasen verläuft: Zu Anfang wirken die Fische noch völlig gesund, später erkennt man Veränderungen der inneren Organe wie Leber und Nieren, in der dritten Phase färbt sich Haut der Bachforellen dunkel, kurz drauf sterben die Tiere. „Aufgrund dieses Krankheitsverlaufs vermuteten wir schon bald, dass es sich bei PDS um eine Viruserkrankung handelt“, berichtet Kühn.
Um das Virus in den Proben aufzuspüren, nutzten die Forscher eine Reihe moderner molekulargenetischer Verfahren, so genannter „Next Generation Technologies.“ Diese Methoden erlauben eine intensive Analyse des Erbguts.
Hierbei wurde zunächst der Krankheitsverlauf der Fische auf der Ebene der Genantwort charakterisiert, um anschließend an Tieren mit ähnlicher Immunantwort die Nukleotid-Abfolge allen enthaltenen Erbgutes, Fisch und mögliche Pathogene, zu bestimmen.
Die Nadel im genetischen Heuhaufen
Computerprogramme halfen dabei, in diesem genetischen Datenberg den krankmachenden Virus zu finden. Mit Hilfe von „Deep Bioinformatic Processing“ gelang es, Teile des genetischen Profils des Krankheitserregers zu identifizieren und mit den Profilen schon bekannter Viren zu vergleichen.
Erweiterte, virusspezifische Sequenzierungen führten zur Bestimmung des Viren-Erbguts. Ergebnis: Bei dem Erreger, der das Bachforellen-Sterben auslöst, handelt es sich um einen Piscine Reo-Virus. Dieser ist verwandt ist mit dem, der Lachse im Nordatlantik und auch im Pazifik befällt und große wirtschaftliche Schäden verursacht.
Im nächsten Schritt wollen die Forscher den Virus im Labor vermehren und untersuchen, warum es nur in bestimmten Abschnitten der Alpenflüsse vorkommt und inwieweit der globale Handel mit Fischen die Ausbreitung begünstigt.
Forschungsförderung
Das Projekt des Konsortiums Bachforellensterben TUM (Lehrstuhl für Zoologie, Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie, Lehrstuhl für Tierphysiologie & Immunologie) wurde gefördert durch das Bayerisches Landesamt für Umwelt sowie das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Kooperationspartner war außerdem die Fachberatung für Fischerei Niederbayern, Bezirk Niederbayern, in Landshut.
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.