Leben am Vulkan – in zwei Schritten zur Anpassung



Bio-News vom 17.05.2022

Ein internationales Team hat eine Wildpopulation der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) untersucht, die sich am Fuß eines Stratovulkans angesiedelt hat. Die Studie zeigt einen eindeutigen Fall der Anpassung in einer Wildpopulation mit weitreichenden Auswirkungen auf die Evolutionsbiologie und die Verbesserung von Kulturpflanzen.

Anpassung an eine neue Bodenumgebung

Die Nährstoffhomöostase ist entscheidend für ein gutes Pflanzenwachstum und damit von zentraler Bedeutung für die Produktivität von Nutzpflanzen. Die genetischen Veränderungen aufzudecken, die es den Pflanzen ermöglichen, unter neuen Bodenbedingungen zu gedeihen, bietet Einblicke in diesen wichtigen Prozess. Aufgrund der immensen Größe eines Genoms ist es jedoch eine Herausforderung, die spezifischen funktionellen Varianten zu identifizieren, die eine Anpassung ermöglichen.


Neue Forschungen an Pflanzen, die den Fuß eines aktiven Stratovulkans besiedelt haben, zeigen, dass zwei einfache molekulare Schritte den Nährstofftransport neu vernetzen und damit die Anpassung ermöglicht haben.

Publikation:


Tergemina et al.
A two-step adaptive walk rewires nutrient transport in a challenging edaphic environment
Science Advances

DOI: 10.1126/sciadv.abm9385



Forschende des Teams konnten bereits zeigen, dass wilde Populationen der molekularen Modellpflanze Arabidopsis thaliana, die gemeinhin als Ackerschmalwand bezeichnet wird, die Kapverdischen Inseln von Nordafrika aus kolonisiert haben und sich durch neue Mutationen, die nach der Besiedlung der Inseln entstanden sind, angepasst haben. Hier konzentrieren sich die Forschenden auf die Ackerschmalwand-Population der Insel Fogo, die am Fuße des Pico de Fogo wächst, einem aktiven Stratovulkan. "Wir wollten wissen: Was braucht es, um am Fuße eines aktiven Vulkans zu leben? Wie haben sich die Pflanzen an den vulkanischen Boden auf Fogo angepasst?", so Hancock.

"Was wir gefunden haben, war überraschend", sagt Emmanuel Tergemina, Erstautor der Studie. "Während die Pflanzen von Fogo in ihrer natürlichen Umgebung gesund zu sein schienen, wuchsen sie auf normaler Blumenerde schlecht." Die chemische Analyse der Fogo-Erde ergab, dass sie einen erheblichen Mangel an Mangan aufwies, einem Element, das für die Energieproduktion und das Wachstum der Pflanzen entscheidend ist. Im Gegensatz dazu enthielten die Blätter von Fogo-Pflanzen, die in normaler Blumenerde gezüchtet wurden, hohe Manganwerte. Dies deutet darauf hin, dass die Pflanzen einen Mechanismus entwickelt hatten, um die Manganaufnahme zu erhöhen.

In zwei Evolutionsschritten zu einer neuen Anpassung

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzten eine Kombination aus genetischer Kartierung und Evolutionsanalyse, um die molekularen Schritte zu entdecken, die es den Pflanzen ermöglichten, den manganarmen Boden auf Fogo zu kolonisieren.

In einem ersten Evolutionsschritt wurde durch eine Mutation das primäre Eisentransportgen (IRT1) unterbrochen und damit seine Funktion ausgeschaltet. Die Unterbrechung dieses Gens in einer natürlichen Population war insofern bemerkenswert, als dieses Schlüsselgen in allen anderen weltweiten Populationen der Ackerschmalwandart intakt ist - anderswo gibt es keine derartigen Unterbrechungen. Außerdem deuten die Muster der genetischen Variation in der Genomregion von IRT1 darauf hin, dass die gestörte Version von IRT1 für die Anpassung wichtig war. Die evolutionäre Rekonstruktion zeigt, dass die Mutation in der gesamten Fogo-Population schnell fixiert wurde, so dass heute alle Ackerschmalwandpflanzen auf Fogo diese Mutation tragen. Mithilfe von Gen-Editing-Technologie (CRISPR-Cas9) untersuchten die Forschenden die funktionellen Auswirkungen der Störung von IRT1 in Fogo und stellten fest, dass die Mangananreicherung im Blatt erhöht wird, was seine Rolle bei der Anpassung erklären könnte. Der Verlust des IRT1-Transporters hatte jedoch einen Preis: Er führte zu einem starken Rückgang von Eisen im Blatt.

In einem zweiten Evolutionsschritt wurde das Metalltransporter-Gen NRAMP1 in mehreren parallelen Vorgängen verdoppelt. Diese Verdoppelungen verbreiteten sich rasch, so dass heute fast alle Ackerschmalwandpflanzen auf Fogo mehrere Kopien von NRAMP1 in ihrem Genom tragen. Die Verdoppelungen verstärken die Funktion des NRAMP1-Gens, erhöhen den Eisentransport und kompensieren den durch die Störung von IRT1 verursachten Eisenmangel. Außerdem erfolgte die Verstärkung durch mehrere unabhängige Verdopplungsereignisse in der gesamten Inselpopulation. Dies war angesichts der kurzen Zeit seit der Kolonisierung (etwa 5000 Jahre) und des Fehlens ähnlicher Ereignisse in anderen weltweiten Populationen unerwartet. "Der rasche Anstieg der Häufigkeit dieser Verdoppelungen zusammen mit ihrer positiven Wirkung auf die Nährstoffhomöostase deutet darauf hin, dass sie für die Anpassung wichtig waren", erklärte Hancock. "Insgesamt sind unsere Ergebnisse ein deutliches Beispiel dafür, wie einfache genetische Veränderungen die Nährstoffverarbeitung in Pflanzen neu vernetzen und die Anpassung an eine neue Bodenumgebung ermöglichen können.“

Auswirkungen auf die Verbesserung von Kulturpflanzen

Die Ergebnisse dieser Studie sind auch für die Pflanzenzüchtung eine gute Nachricht. Bisher wurden Informationen über die Funktion von Genen durch Studien an einzelnen Mutantenlinien gewonnen. Durch die Nutzung der in der Natur vorhandenen Variation ist es jedoch möglich, komplexere mehrstufige Prozesse aufzudecken, die zu Veränderungen bei landwirtschaftlich relevanten Merkmalen führen können. "Die Entdeckung, dass in diesem Fall ein einfacher zweistufiger Prozess den Nährstofftransport verändert, kann Anhaltspunkte für Ansätze zur Verbesserung von Kulturpflanzen bieten, die besser an die lokale Bodenumgebung angepasst sind. Darüber hinaus gehören die Unterbrechung und Verstärkung von Genen, wie im Fall von IRT1 und NRAMP1 in Fogo, zu den einfachsten genetischen Veränderungen, die man vornehmen kann. Das macht sie besonders interessant, da sie leicht auf andere Arten übertragbar sein könnten", schloss Tergemina.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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