Megalodon konnte ganze Killerwale fressen
Bio-News vom 17.08.2022
Der Megalodon ist berüchtigt für seine riesigen Zähne, doch es gibt kaum fossile Belege für den gesamten Körperbau des grössten Hais, der je gelebt hat. Ein internationales Forschungsteam hat nun anhand eines außergewöhnlich gut erhaltenen Exemplars ein 3D-Computermodell erstellt. Die Ergebnisse legen nahe, dass der Riesenhai Beutetiere so gross wie heutige Killerwale vollständig hätte verschlingen und danach zwei Monate ohne weitere Nahrung durch die Meere ziehen können.
Er war 16 Meter lang, wog über 61,5 Tonnen und konnte weite Strecken mit einer geschätzten Geschwindigkeit von rund 1,4 Metern pro Sekunde schwimmen: Der Megalodon (Otodus megalodon), der für diese Studie rekonstruiert wurde. Sein Magenvolumen dürfte wohl fast 10.000 Liter umfasst und der tägliche Energiebedarf über 98.000 Kilokalorien betragen haben. Zudem legen die Resultate nahe, dass der Megalodon bis zu 8 Meter lange Beutetiere vollständig verschlingen konnte – was etwa der Grösse eines Killerwales, dem jetzigen Spitzenräuber der Meere, entspricht. Die Fähigkeit, selbst grosse Raubtiere zu verspeisen, stellte den Megalodon somit vor Millionen von Jahren auf eine höhere Stufe der Nahrungskette als heutige Spitzenprädatoren.
Publikation:
Jack A. Cooper et al.
The extinct shark Otodus megalodon was a transoceanic 1 super-predator: Inferences from 3D modelling
Science Advances (2022)
Gut erhaltene Wirbelsäule ermöglicht Rekonstruktion
Diese Erkenntnisse gehen aus einer internationalen Studie in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich hervor. Sie basieren auf der 3D-Modellierung eines einzelnen Exemplars, das vor etwa 18 Millionen Jahren in den Ozeanen des Miozäns im heutigen Belgien verendet war und in den 1860er-Jahren entdeckt wurde. Von diesem 46-jährigen Tier ist ein grosser Teil der Wirbelsäule erhalten.
„Haifischzähne sind häufige Fossilien, da sie aufgrund ihrer harten Beschaffenheit gut konserviert werden können“, sagt Erstautor Jack Cooper, Doktorand an der Universität Swansea. „Die Skelette dagegen bestehen aus Knorpel und versteinern nur selten. Die Wirbelsäule des Megalodons aus dem Königlichen Belgischen Institut für Naturwissenschaften ist daher einzigartig.“
Vom einzelnen Wirbel zur ganzen Körpermasse
Das Team mit Wissenschaftlern aus der Schweiz, dem Vereinigten Königreich, den USA, Australien und Südafrika vermaß und scannte jeden einzelnen Wirbel, rekonstruierte die gesamte Wirbelsäule und ergänzte sie mit einem 3D-Scan eines Megalodon-Gebisses aus den Vereinigten Staaten. Anhand von 3D-Scans von heutigen Weißen Haien aus Südafrika ergänzten die Forschenden danach das „Fleisch“ um das Skelett.
„Eines der wichtigsten Merkmale eines Tieres ist sein Gewicht“, erklärt Mitautor John Hutchinson, Professor am Royal Veterinary College in Grossbritannien. Bei ausgestorbenen Tieren können wir die Körpermasse mit modernen digitalen 3D-Modellierungsmethoden schätzen und dann einen Bezug zwischen Masse und biologischen Eigenschaften herstellen.“
Ein transozeanischer Super-Apex-Räuber
Seinen riesigen Energiebedarf hat das Tieres wahrscheinlich mit kalorienreichem Walspeck gedeckt, wie auch Bissspuren von Megalodon in anderen Fossilien belegen. Eine Berechnung der optimalen Nahrungsausbeute ergab zudem, dass der Riesenhai dank des Verzehrs eines einzigen 8-Meter-Wals zwei Monate lang tausende von Kilometern durch die Ozeane zu schwimmen konnte, ohne erneut zu fressen. „Dies bedeutet, dass der Megalodon ein transozeanischer Super-Apex-Räuber war“, sagt Catalina Pimiento, Professorin an der Universität Zürich und Letztautorin der Studie. „Das Aussterben des Riesenhais hatte somit Auswirkungen auf die globale Nahrungskette und reduzierte für grosse Wale in verschiedenen Gewässern den Verdrängungswettbewerb.“
Das 3D-Modell des belgischen Megalodons dient nun als Grundlage für künftige Rekonstruktionen und weitere Forschungen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse tragen nicht nur zum besseren Verständnis dieser einzigartigen Superräuber bei, sondern auch zu deren Funktion im marinen Ökosystemen und den weitreichenden Folgen ihres Aussterbens.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Zürich via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.