Fächerflügler kennen keinen Schmerz



Bio-News vom 16.08.2022

Ein Forschungsteam hat untersucht, wie weibliche Fächerflügler das Trauma der Paarung überstehen. Um die Eizellen seiner Partnerin zu befruchten, verletzt das Fächerflügler-Männchen den „Hals“ des Weibchens mit seinem hakenförmigen Penis und injiziert ihr die Samen direkt ins Körperinnere.

Die Fortpflanzung der Insektenordnung der Fächerflügler ist nichts für schwache Nerven: Um die Eizellen seiner Partnerin zu befruchten, verletzt das Fächerflügler-Männchen den „Hals“ des Weibchens mit seinem hakenförmigen Penis und injiziert ihr die Samen direkt ins Körperinnere. Diese sogenannte traumatische Begattung ist für die Weibchen riskant. So kann die Verletzung zum Verlust von Körperflüssigkeit führen und eindringende Keime können Infektionen auslösen.


Publikation:


Jandausch K. et al.
Have female twisted-wing parasites (Insecta: Strepsiptera) evolved tolerance traits as response to traumatic penetration?
PeerJ 10:e13655 (2022)

DOI: 10.7717/peerj.13655

Der Jenaer Doktorand und Erstautor der Studie Kenny Jandausch mit einem Versuchsaufbau für Fächerflügler.
©Jürgen Scheere / Uni Jena

Doch die Weibchen der Fächerflügler-Arten Stylops ovinae und Xenos vesparum haben sich im Laufe der Evolution an das rabiate Vorgehen ihrer Partner morphologisch gut angepasst.


Xenos vesparum versteckt im Hinterleib der Feldwespe Polistes dominula

Ein ganzes Leben versteckt im Hinterleib anderer Insekten

Fächerflügler sind weltweit verbreitet. Dass sie trotzdem fast niemand kennt, liegt wahrscheinlich nicht daran, dass sie, wie viele andere Insekten, mit nur wenigen Millimetern eher klein und unscheinbar sind. Entscheidend neben der extremen Kurzlebigkeit der Männchen von nur wenigen Stunden ist wohl, dass „die Weibchen der allermeisten Fächerflügler-Arten ihr ganzes Leben als Parasiten gut versteckt im Hinterleib anderer Insekten verbringen“, erläutert PD Dr. Hans Pohl von der Universität Jena. So lebt Stylops ovinae in der Weidensandbiene (Andrena vaga) und Xenos vesparum in Feldwespen (Arten der Gattung Polistes). Nur der etwa stecknadelkopfgroße Vorderleib schaut aus dem Wirt heraus.


Fächerflügler Stylops ovinae: A) Zwei Männchen auf einer parasitierten Weidensandbiene (Andrena vaga). (B) Fünf Männchen auf einem parasitierten Wirt.

„Um sich überhaupt fortpflanzen zu können, müssen sich die Parasiten also etwas einfallen lassen“, so der Insekten-Experte und Leiter des Autorenteams der vorliegenden Publikation. Da die übliche Begattungsregion am weiblichen Hinterleib für das Männchen nicht zugänglich ist, bleibt nur der vordere Körperteil des Weibchens, um das Sperma zu injizieren.

Wie das Team nun herausgefunden hat, sind die Weibchen der beiden untersuchten Arten ihren männlichen Artgenossen jedoch nicht schutzlos bei der traumatischen Begattung ausgeliefert. „Wir konnten zeigen, dass die Außenhülle der Weibchen von Stylops ovinae und Xenos vesparum an einer bestimmten Körperstelle zwischen Kopf und Rumpf deutlich verdickt ist. In dieser Region sticht das Männchen mit seinem Penis in das Weibchen“, erläutert Doktorand Kenny Jandausch, der Erstautor der Studie. Die gesamte Hülle enthält viel Resilin, ein Eiweißmolekül, das die Außenhaut besonders elastisch macht. Da die Haut an der Einstichstelle jedoch dicker ist als an anderen Stellen, ist die Verletzung dort für das Fächerflügler-Weibchen weniger gefährlich, da dadurch ein sehr effizienter Wundverschluss erfolgen kann. „Im Gegensatz zu Xenos vesparum bildet diese Stelle bei Stylops ovinae eine Art Tasche, in die das Männchen mit seinem Penis eindringt“, so Jandausch.

Breites Methodenspektrum enthüllt Begattungsmechanismus

Doch wie locken die Weibchen die Männchen nun genau an? Zum einen erst einmal ganz klassisch: „Unbegattete Weibchen senden Duftstoffe aus, die Männchen aus der Umgebung anziehen“, sagt Hans Pohl. Das konnten die Insektenforscher direkt in der Jenaer Natur beobachten. Mit einem kleinen Käfig paarungsbereiter Fächerflügler-Damen lockten die Forscher Fächerflügler-Männchen an und nahmen sie mit ins heimische Labor. Dort brachten sie Männchen und Weibchen in Petrischalen und unter Mikroskop-Beobachtung zusammen.

„Hier stellte sich zum einen heraus, dass die Weibchen von Stylops ovinae nicht nur Männchen ihrer eigenen Art anlockten, sondern auch Männchen von zwei weiteren Stylops-Arten. Zum anderen wurde beobachtet, dass die Männchen der beiden anderen Arten trotz heftiger Bemühungen ihren Penis nicht in die Begattungstasche des Weibchens einführen können“, berichtet Kenny Jandausch. Dank computertomographischer Aufnahmen konnten die Forscher die morphologische Passfähigkeit von Penis und Begattungstasche abbilden und in ein dreidimensionales Computermodell überführen. „Dabei fanden wir heraus, dass tatsächlich nur artgleiche Männchen überhaupt in der Lage sind, sich mit den Weibchen zu paaren“, bilanziert Dr. Pohl. „Unsere Hypothese ist, dass die Begattungstasche eine präzygotische Barriere darstellt, die Paarungen zwischen unterschiedlichen Arten noch vor der Befruchtung verhindert.“ Bislang gingen die Forschenden davon aus, dass die ausgesendeten Duftstoffe der weiblichen Fächerflügler nur Männchen derselben Art anlocken.

Eine schlechte Nachricht gibt es für die Fächerflügler-Weibchen am Ende aber doch: Nachdem das Sperma die tausenden Eizellen in ihrem Körper befruchtet hat, entwickeln sich ebenso viele winzige Larven, die wenige Wochen später lebend zur Welt kommen – ein Ereignis, das die Mutter selbst nicht überlebt.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Friedrich-Schiller-Universität Jena via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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