Mit traditionellen Methoden gegen extreme Trockenheit



Bio-News vom 24.09.2018

Wissenschaftler der Universität Tübingen untersuchen Strategien zum Umgang mit wiederkehrenden Dürreperioden.

Wald- und Feldbrände, Probleme mit der Trinkwasserversorgung und erhebliche Ernteausfälle – das ist die bisherige Bilanz des Sommers 2018 in weiten Teilen Europas. Naturschutzverbände und Klimaforscher fordern in Reaktion auf die Dürre einen Kurswechsel in der Agrarpolitik. Die Landwirtschaft müsse sich besser als bisher auf Wetterextreme einstellen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Tübinger Sonderforschungsbereichs (SFB) RessourcenKulturen haben erforscht, wie Agrargesellschaften in der Vergangenheit gelernt haben, mit Hitze und Trockenheit umzugehen und trotzdem erfolgreich zu wirtschaften.


Dehesa-Landschaft bei Munigua in der Sierra Morena.

Publikation:


Martin Bartelheim
Mit traditionellen Methoden gegen extreme Trockenheit
Eberhard Karls Universität Tübingen

„Wassermangel ist ein Problem, für das es eine Vielzahl historischer Beispiele gibt“, sagt Dr. Laura Dierksmeier, die im Rahmen des SFB Projektes C05 Inselökonomien der frühen Neuzeit erforscht: „Aber, wie die Geschichte zeigt, gibt es mindestens genauso viele Lösungen. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit kann somit gute Ansätze für die Zukunft liefern.“ Die Ressource Wasser sei ein wichtiger Faktor, dessen Verfügbarkeit und gerechte Verteilung nicht zuletzt über sozialen Frieden und Kooperation entscheide.

Als Beispiel für eine Kulturlandschaft, die bereits seit Jahrtausenden mit niederschlagsarmen Sommern zurechtkommt, gelten die Dehesas im Süden der Iberischen Halbinsel. Im interdisziplinären Projekt A02 analysieren Professor Martin Bartelheim, der Sprecher des SFB RessourcenKulturen, und ein Team aus Archäologen gemeinsam mit Ethnologen von der Goethe-Universität Frankfurt unter Leitung von Professor Roland Hardenberg Entstehung und Nutzung der Dehesas. Die charakteristischen Haine aus Eichen und Olivenbäumen wurden bereits vor etwa 2.800 bis 4.000 Jahren angelegt und haben in diesem Zeitraum sämtliche Klimaveränderungen überstanden. Seit der Bronzezeit grasen einheimische Nutztierrassen, wie Ibérico-Schweine, Merino-Schafe oder Retinta-Ziegen und -Kühe in den Dehesas. Tiere und Landschaft sind ideal an die klimatischen Bedingungen angepasst. Während die Bäume dafür sorgen, dass der wenige Regen, der in Andalusien und der Extremadura fällt, langsam ins Grundwasser sickern kann und nicht sofort verdunstet, verhindern die Weidetiere ein Zuwuchern der Kulturlandschaft mit Sträuchern und Gebüsch, was der Gefahr von Waldbränden vorbeugt.

Auf den italienischen Inseln Linosa und Pantelleria untersuchen die Archäologen Dr. Frerich Schön und Hanni Töpfer unter Leitung von Professor Thomas Schäfer im Projekt B05 über 100 Wasserzisternen und legen diese teilweise frei. Die Zisternen zwischen fünf und 100 Kubikmeter Größe wurden von punischen Siedlern ab dem 8. Jahrhundert vor Christus in den Fels gehauen und unter römischer Herrschaft nochmals erweitert. Einige dieser unterirdischen Trinkwasserspeicher versorgen die Inselbevölkerungen bis heute mit Wasser. Dies war eine wichtige Lösung, um den mühseligen Transport von Wasser zu erleichtern, vor allem in Gebieten, die über wenig Grundwasser verfügen. Unterirdische Zisternen sind relativ einfach zu unterhalten und speichern Wasser an einem kühlen und sauberen Ort, was einer Belastung des Wassers mit Bakterien vorbeugt. Bei starken Regenfällen verhindern Zisternen außerdem Bodenerosion, indem sie überschüssiges Wasser sammeln.

Auch die Auswirkungen von anhaltender Wasserknappheit auf die betroffenen Gesellschaften werden von den Tübinger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erforscht. So untersucht die Historikerin Dr. Laura Dierksmeier unter Leitung von Professor Renate Dürr und Professor Jörn Staecker die ökonomischen und sozialen Auswirkungen von Wassermangel in Inselgesellschaften des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Gerade Inseln weisen oft einen Mangel an Quellen, Flüssen und Grundwasser auf und sind dadurch besonders anfällig für Wasserknappheit.

Dabei konnte Dierksmeier einen deutlichen Zusammenhang zwischen Einkommensniveau und dem Zugang zu sauberem Trinkwasser feststellen. Auf den Kanaren und Balearen führte das zu sozialen Spannungen, Konflikten und Kriminalität. Krankheiten brachen aus, da Wasser für die Sauberhaltung von Krankenhäusern und die persönliche Hygiene fehlte, was vor allem Kinder und ältere Menschen traf. Um diese Auswirkungen abzumildern, wurden Wasserkontingente an Privatpersonen verkauft. Dies sollte ursprünglich dafür sorgen, dass die knappe Ressource bei denen landete, die sie am meisten benötigten, startete aber einen irreversiblen Prozess. Denn so wurde aus dem öffentlichen Gut nach und nach eine Ware, die an den Meistbietenden versteigert wurde. Um die Besitzverhältnisse von Wasser zu klären, die Qualität zu überprüfen und Verschmutzer zu bestrafen, wurde auf diesen Inseln eine Wasserpolizei eingeführt. Außerdem bildeten sich akademische Gesellschaften, wie die Sociedad de Amigos del País, die über die bestmögliche Verwaltung von Wasserressourcen debattierten, die Einrichtung von Nebelfängern und Techniken wie das Sammeln von Schmelzwasser und die Meerwasserentsalzung erforschten, um den Anteil des verfügbaren Wassers zu erhöhen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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