Pflanzenschutzmittel aus bakteriellem Naturstoff: Viele Grüße von Keanu Reeves



Bio-News vom 06.02.2023

Bakterien der Gattung Pseudomonas produzieren einen stark antimikrobiellen Naturstoff, das haben Forschende des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie entdeckt. Sie wiesen nach, dass die Substanz sowohl gegen pflanzliche Pilzkrankheiten als auch gegen human-pathogene Pilze wirkt.

Die in Bakterien neu entdeckte Naturstoff-Gruppe der Keanumycine wirkt effektiv gegen den Pflanzenschädling Botrytis cinerea, der die sogenannte Grauschimmelfäule auslöst und jährlich für immense Ernteeinbußen sorgt. Aber auch für den Menschen gefährliche Pilze wie Candida albicans werden durch den Wirkstoff gehemmt. Dabei ist er nach bisherigen Untersuchungen ungefährlich für pflanzliche und menschliche Zellen.


Künstlerischer Blick auf Bakterien.

Publikation:


Götze S, Vij R, Burow K, Thome N, Urbat L, Schlosser N, Pflanze S, Müller R, Hänsch VG, Schlabach K, Fazlikhani L, Walther G, Dahse HM, Regestein L, Brunke S, Hube B, Hertweck C, Franken P, Stallforth P
Ecological niche-inspired genome mining leads to the discovery of crop-protecting nonribosomal lipopeptides featuring a transient amino acid building block

J Am Chem Soc (2023)

DOI: 10.1021/jacs.2c11107



Keanumycine könnten daher eine umweltfreundliche Alternative zu chemischen Pflanzenschutzmitteln sein. Sie bieten aber auch eine Alternative im Kampf gegen resistente Pilze. „Wir haben eine Krise bei den Antiinfektiva“, erklärt Sebastian Götze, Erstautor der Studie und Postdoc am Leibniz-HKI. „Viele human-pathogene Pilze sind inzwischen gegen Antimykotika resistent – unter anderem auch deshalb, weil sie in großen Mengen auf den Feldern eingesetzt werden.“


Bakterien der Gattung Pseudomonas produzieren einen stark antimikrobiellen Naturstoff, Keanumycin, der giftig für Amöben ist und auch gegen pflanzliche Pilzkrankheiten und human-pathogene Pilze wirkt.

Tödlich wie Keanu Reeves

Dass die Forschenden nun in Bakterien der Gattung Pseudomonas einen neuen Wirkstoff gefunden haben, ist kein Zufall. „Wir arbeiten schon länger mit Pseudomonaden und wissen, dass viele dieser Bakterienarten sehr giftig für Amöben sind, die sich von Bakterien ernähren“, sagt Studienleiter Pierre Stallforth. Er ist Abteilungsleiter der Paläobiotechnologie am Leibniz-HKI und hat an der Friedrich-Schiller-Universität Jena die Professur für Bioorganische Chemie und Paläobiotechnologie inne. Offenbar sind mehrere Gifte für die tödliche Wirkung der Bakterien verantwortlich, von denen bisher nur eines bekannt war. Im Genom der Bakterien fanden die Forschenden nun Biosynthesegene für die neu entdeckten Naturstoffe, die Keanumycine A, B und C. Die Naturstoffgruppe gehört zu den nichtribosomalen Lipopeptiden mit seifenartigen Eigenschaften.



Gemeinsam mit Kollegen vom Biotechnikum des Leibniz-HKI gelang es den Forschenden, eines der Keanumycine zu isolieren und weitere Tests damit durchzuführen. Die Forschenden vermuteten, dass Keanumycine auch Pilze töten könnten, da diese den Amöben in bestimmten Merkmalen ähneln. Diese Vermutung wurde zusammen mit der Forschungsstelle für gartenbauliche Kulturpflanzen an der Fachhochschule Erfurt bestätigt: Auf Hortensienblättern wirkte Keanumycin gegen die Grauschimmelfäule. Dabei reichte Kulturflüssigkeit – die keine Bakterienzellen mehr enthält – aus, um das Wachstum des Pilzes deutlich zu hemmen.

„Für Pflanzen könnte der keanumycinhaltige Überstand aus Pseudomonas-Kulturen theoretisch direkt verwendet werden“, sagt Götze. Zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen in Erfurt werden hierzu weitere Tests durchgeführt. Keanumycin ist biologisch abbaubar, sodass sich keine dauerhaften Rückstände im Boden bilden sollten. Damit hat der Naturstoff das Potenzial, eine umweltfreundliche Alternative zu chemischen Pflanzenschutzmitteln zu werden.

Pilzkrankheiten wie Botrytis cinerea, Auslöser der Grauschimmelfäule, sorgen im Obst- und Gemüseanbau jährlich für immense Ernteeinbußen. Betroffen sind mehr als 200 verschiedene Obst- und Gemüsearten, insbesondere Erdbeeren und unreife Trauben.



Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Instituts (Leibniz-HKI) via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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