Stark wie eine Maschine: Forschungsteam untersucht die Raspelzunge der Gefleckten Weinbergschnecke



Bio-News vom 25.07.2019

Schnecken verfügen mit der sogenannten Radula über ein komplexes Mundwerkzeug. Mit dieser Art Zunge zerkleinern die meisten Arten ihre Nahrung und nehmen sie auf. Ein Forschungsteam vom Centrum für Naturkunde der Universität Hamburg und des Zoologischen Institutes der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat in einer Studie nun erstmals die immensen Kräfte gemessen, die von dem Organ bewirkt werden.

Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Journal „Royal Society Open Science“ berichten, wirken auf die Kronen der einzelnen Zähne, mit denen die Radula besetzt ist, umgerechnet bis zu 4.700 bar ein. Zum Vergleich: Eine handelsübliche Espressomaschine arbeitet mit rund zehn bar. Druck in der Größenordnung von mehr als 4000 bar kennt man eher aus der Industrie: Hier werden mit diesem Druck mittels Wasserstrahlschneiden Werkstoffe wie Metall und sogar Mineralien bearbeitet.


Screenshot aus dem unten gezeigten Video

Publikation:


Krings W, Faust T, Kovalev A, Neiber MT, Glaubrecht M, Gorb S
In slow motion: radula motion pattern and forces exerted to the substrate in the land snail Cornu aspersum (Mollusca, Gastropoda) during feeding
R. Soc. Open Sci. 6: 190222

DOI: 10.1098/rsos.190222



Innerhalb der Schnecken, die zu den Weichtieren (Mollusca) gehören, sind mehr als 80.000 Arten bekannt. Die Tiere besiedeln nahezu alle Lebensräume von der Tiefsee über Wüsten bis zum Hochgebirge. „Schnecken sind unter anderem so weit verbreitet, weil sich viele Arten auf höchst unterschiedliche Nahrungsquellen spezialisiert haben“, erklärt Wencke Krings, Doktorandin am Centrum für Naturkunde der Universität Hamburg. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Radula: Das Mundwerkzeug besteht aus einem Chitinband, das mit Tausenden winzigen Zähnchen in Längs- und Querreihen besetzt ist und mit dem Nahrung zerkleinert und verarbeitet wird.

Für die Studie untersuchten die Forscherinnen und Forscher vom Hamburger Centrum für Naturkunde sowie von der Universität Kiel die Gefleckte Weinbergschnecke Cornu aspersum. Im Mittelpunkt des Interesses standen der Aufbau und die Bewegung der Radula. Beim Fressen schieben Weinbergschnecken die Radula zuerst nach vorne aus dem Mund. Mit den kleinen Radula-Zähnchen wird die Nahrung sowohl vom Untergrund gerieben als auch – wie bei einem Schaufelradbagger – in den Schlund geschaufelt. Des Weiteren drückt die Radula die Nahrung gegen den Kiefer, eine relativ starre Struktur im Mund der Schnecke. So kann sie etwa ein Salatblatt oder eine Möhre zerreißen.

Bei den Versuchen im Kieler Labor wurde eine Futterpaste aus Mehl und Karottensaft auf einer durchsichtigen Acrylplatte aufgetragen. Ein Kraftsensor – platziert in einem winzigen Loch in der Plattform, bestrichen mit der Paste – lieferte dem Team Daten über die durch die Reibezunge entstandenen Kräfte während der Nahrungsaufnahme. Eine Kamera zeichnete zusätzlich von unten die Bewegungen der Radula auf. Die stärksten Kräfte wurden beim Reibevorgang selbst gemessen, die zweithöchsten beim Zupfen mit Radula und Kiefer.

Über die detailreichen Videosequenzen konnten die Forscherinnen und Forscher die Kontaktfläche der Zähne mit dem Futter berechnen. Berücksichtigt wurden zudem Größe und Gewicht der jeweiligen Schnecke sowie schon vorhandene Analysedaten. „Die Zahnhärte und -elastizität sind bei der untersuchten Schneckenart mit Holz vergleichbar – also relativ weich“, erläutert Wencke Krings. Es gibt andere Arten mit deutlich härteren Zähnen, aber selbst Cornu aspersum mit dem relativ weichen Zahnmaterial kann durch intensives Reiben Nahrung schneiden und durchstoßen.

Prof. Dr. Stanislav Gorb erklärt: „Durch die Kombination von moderner Mikroskopie und biomechanischen Messtechniken erwarten wir in Zukunft weitere spannende Erkenntnisse zur Funktion und Evolution der Radula-Zungen, auch bei anderen Schneckenarten.“ Krings ergänzt: „Wir gehen davon aus, dass wir so neue Einblicke erhalten können, wie Arten spezialisiert werden. Außerdem wollen wir ergründen, wie durch Anpassungen an spezifische Nahrung Lebensräume besiedelt werden konnten.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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