Verhaltensbiologie: Forscher entwickeln neuen Versuchsaufbau für Tierexperimente
Bio-News vom 21.10.2020
Studienergebnisse in der Forschung müssen präzise und wiederholbar sein. Verhaltensbiologen traten jetzt den Beweis an, dass ein neuer Versuchsaufbau die Reproduzierbarkeit und Aussagekraft von Ergebnissen aus der tierexperimentellen Forschung verbessern kann.
Studienergebnisse in der Forschung müssen präzise und wiederholbar sein. Wissenschaftler führen deshalb ihre Versuche unter strikt standardisierten Laborbedingungen durch. Trotz der hohen Standards lassen sich in der Praxis Ergebnisse aus einzelnen Studien nicht immer reproduzieren. Besonders wenn Tiere für Forschungszwecke eingesetzt werden und die Originalstudie nicht wiederholbar ist, wirft dies jedoch ethische Fragen auf. Seit Längerem diskutieren Forscher diesen Aspekt unter dem Schlagwort „Reproduzierbarkeitskrise“. Verhaltensbiologinnen und -biologen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) konnten nun zeigen, dass ein neuer Versuchsaufbau die Reproduzierbarkeit und Aussagekraft von Ergebnissen aus der tierexperimentellen Forschung verbessern kann. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlicht.
Publikation:
Kortzfleisch, V.T., Karp, N.A., Palme, R. et al.
Improving reproducibility in animal research by splitting the study population into several ‚mini-experiments‘
Sci Rep 10, 16579
DOI: 10.1038/s41598-020-73503-4
Methodisches Vorgehen
Unter standardisierten Versuchsbedingungen verstehen die Verhaltensbiologen, dass beispielsweise alle Tiere am gleichen Tag im Frühjahr, zur gleichen Uhrzeit von dem gleichen Forscher getestet werden. Bereits eine andere Jahres- oder Uhrzeit können zur Folge haben, dass sich die Daten unterscheiden. Mittlerweile wird in der Forschung immer häufiger diskutiert, ob nicht gerade die sehr strikte Standardisierung die Ursache für zahlreiche nicht reproduzierbare Ergebnisse sein könnte. Daran knüpft die empirische Studie der WWU-Wissenschaftler an.
Anstatt wie üblich alle Tiere eines Versuchs unter strikt standardisierten Bedingungen an einem Zeitpunkt zu testen, teilten die Wissenschaftler das großes Experiment in kleinere, unabhängige Experimente, sogenannte Mini-Experimente, auf. Dadurch unterschieden sich die laborspezifischen Bedingungen wie beispielsweise der Geräuschpegel oder die Temperatur geringfügig. „Es ist wichtig, die biologische Variation aus dem echten Leben auch im Labor abzubilden. Wir konnten nachweisen, dass eine leichte Änderung des Versuchsdesigns enorme Konsequenzen für den Erkenntnisgewinn hat“, erläutert Vanessa von Kortzfleisch, Doktorandin bei Prof. Dr. Helene Richter am Institut für Neuro- und Verhaltensbiologie der WWU und Erstautorin der Studie.
Getestet wurde der neue Versuchsaufbau mit mehreren Wochen Abstand an Mäusen verschiedener Zuchtlinien. Um die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse in beiden Versuchsdesigns zu überprüfen, wiederholten die Wissenschaftler den gleichen Verhaltensversuch in jedem Design vier Mal. „Die Ergebnisse aus dem Mini-Experiment-Design sind reproduzierbarer und aussagekräftiger als die Ergebnisse aus dem bisher genutzten standardisierten Versuchsdesign“, betont Vanessa von Kortzfleisch.
Die Verbesserung des Studiendesigns ist ein wichtiger Bestandteil der tierbasierten Forschung. Zwar sind viele Tierversuche noch unerlässlich, aber es besteht Einigkeit darüber, sie auf ein notwendiges Minimum zu beschränken. Als Richtlinie gilt dabei das Konzept der „3R“: replacement (Ersatz), reduction (Verringerung) und refinement (Verbesserung). Der neu entwickelte Versuchsaufbau lässt sich nicht nur einfach in der Forschungspraxis umsetzen, sondern trägt auch wesentlich zur Verbesserung und zur Reduktion von solchen Versuchen bei.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.