Vor 560 Millionen Jahren: Ediacara-Fauna pumpte Sauerstoff in die Weltmeere
Bio-News vom 21.05.2024
Anhand von Computersimulationen haben internationale Forschende Fossilien der über 560 Millionen Jahre alten Ediacara-Fauna untersucht. Sie zeigen in ihrer Studie, dass die marinen Organismen in der Lage waren für eine Durchmischung der Wassersäule und damit für eine verbesserte Sauerstoff- und Nährstoffzufuhr zu sorgen. Auf diese Weise bereitete die Ediacara-Fauna die Bedingungen für die Vielfalt des Lebens in den Ozeanen und auf der Erde vor – lange vor der „kambrischen Explosion“.
Die „Kambrische Explosion“ markiert einen der bedeutendsten Momente in der Geschichte des Lebens auf der Erde. In dieser Zeit vor etwa 541 Millionen Jahren sind ein bemerkenswerter Anstieg der biologischen Vielfalt und die Entwicklung komplexer Lebensformen zu verzeichnen, welche das Fundament für die heutige Fauna und Flora legten. „Wir konnten nun mit Hilfe von verschiedenen Strömungsdynamikmodellen zeigen, dass die Ediacara-Fauna vermutlich ein wichtiges Puzzleteil für diese ‚Explosion‘ des Lebens auf der Erde darstellte“, erklärt Prof. Dr. Simon Darroch vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt.
Publikation:
Gutarra et al.
Ediacaran marine animal forests and the ventilation of the oceans
Current Biology 34, 1–7 (2024)
DOI: 10.1016/j.cub.2024.04.059
Unter der Leitung von Dr. Susana Gutarra vom Natural History Museum in London hat Darroch gemeinsam mit Senckenberg-Forscherin Dr. Rachel Racicot und einem internationalen Team die fossilen Lebewesen, die vor etwa 635 bis 541 Millionen Jahren in der Zeit des Ediacariums existierten, genauer unter die Lupe genommen. Dabei untersuchten sie Fossilplatten aus dem UNESCO-Weltnaturerbe „Mistaken Point Ecological Reserve“, eine Fossillagerstätte in der kanadischen Provinz Neufundland und Labrador. Dort findet sich die namensgebende „Mistaken Point Formation“, die eine der vielfältigsten und am besten erhaltenen präkambrischen Faunen der Welt enthält. „Darunter befinden sich auch die von uns untersuchten Fossilien aus dem Ediacarium – die ältesten bekannten Überreste von mehrzelligem Leben auf der Erde“, so Racicot und weiter: „Die neue Studie stellt den Höhepunkt unserer langjährigen Arbeit dar. Mit Hilfe leistungsstarker Computertechnik – unter anderem nutzen wir Software, die Forschenden sonst für die Entwicklung von U-Booten und Flugzeugen einsetzen – konnten wir unser Verständnis zur Bedeutung der geheimnisvollen Ediacara-Organismen für die Ozeane deutlich vorantreiben.“
Ziel der Untersuchung war es herauszufinden, welche Rolle die „marinen Tierwälder“ vor 560 Millionen Jahren während des jüngsten Zeitabschnitts des Präkambriums spielten. Um zu erforschen, wie die – an heutige Seefedern erinnernden – Tiere aus dem Ediacarium ihre Umgebung und die Wassersäule beeinflussten, nutzte das Team ökologische Modellierungen und Strömungssimulationen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Morphologie der Organismen sowie die Struktur und die Zusammensetzung der Gemeinschaften die vertikale Durchmischung des umgebenden Wassers beeinflussten“, erläutert Racicot und fährt fort: „Dabei wird deutlich, dass diese uralte Unterwasser-Fauna durchaus in der Lage war für eine gute Durchmischung der Wassersäule und damit für eine Förderung des Sauerstoff- und Nährstofftransports zu sorgen.“ Laut der Studie hatte hier insbesondere der, in seiner Gestalt an einen Kohlkopf erinnernde, Ediacara-Organismus Bradgatia eine wichtige Rolle. Die Tiere gehören mit einem Durchmesser von über 50 Zentimetern zu den größten Fossilien des Fundortes.
In heutigen Ozeanen gilt die vertikale Durchmischung des Wassers als Schlüsselprozess für die Umverteilung von Wärme, Nährstoffen und Larven von Meeresorganismen. Die Durchmischung durch die Ediacara-Fauna könnte dazu beigetragen haben, die Sauerstoffkonzentration auf lokaler Ebene zu erhöhen und Ressourcen wie gelösten organischen Kohlenstoff umzuverteilen, so die Forschenden. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die marinen ‚Tierwälder‘ der Ediacara-Fauna zur Belüftung der Ozeane beigetragen haben – sie dienten sozusagen als Ventilatoren der Meere vor über 560 Millionen Jahren. Diese – immer noch für die Wissenschaft rätselhaften – Organismen spielten demnach schon lange vor der ‚kambrischen Explosion‘ eine wichtige Rolle für das Leben auf der Erde. Unsere Ergebnisse helfen dabei die ökologischen Verbindungen zwischen den ältesten und mysteriösesten Zeitabschnitten der Erdgeschichte und unseren heutigen, modernen Ökosystemen herzustellen“, fasst Darroch zusammen.
Förderung
Das Forschungsprojekt wurde durch die gemeinsame Finanzierung des britischen Natural Environment Research Council (NE/V010859/2) und der US National Science Foundation (NSF-NERC EAR-2007928) unterstützt.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.