Was ein Teebeutel über das Insektensterben erzählen kann



Bio-News vom 20.06.2022

Man kennt die Szenerie aus TV-Krimis: Nach einem Verbrechen sucht die Spurensicherung der Kripo bis in den letzten Winkel eines Tatorts nach DNA des Täters.

Henrik Krehenwinkel ist so etwas wie ein biologischer Spurensicherer. Der Juniorprofessor und Biogeograph an der Universität Trier sucht mit seinem Team ebenfalls nach DNA-Spuren, allerdings von Insekten. Diese Tiergruppe ist für das Gleichgewicht des globalen Ökosystems von enormer Bedeutung, wie auch die aktuelle Diskussion um das „Insektensterben“ zeigt.


Eine Grüne Reiswanze krabbelt über ein Blatt und hinterlässt DNA-Spuren.

Publikation:


Krehenwinkel H.; Weber, S.; Künzel, S.; Kennedy, SR.
The bug in a teacup - monitoring arthropod-plant associations with environmental DNA from dried plant material
Biological Letters 18 (2022)

DOI: 10.1098/rsbl.2022.0091



In einem gerade veröffentlichten wissenschaftlichen Artikel hat Henrik Krehenwinkel eine Methode vorgestellt, mit der sich aus getrockneten Pflanzen aussagekräftige Umwelt-DNA (environmentalDNA) gewinnen und auswerten lässt. „Wir haben handelsübliche Tees und Kräuter untersucht und dabei in einem einzigen Teebeutel DNA von bis zu 400 verschiedenen Insektenarten gefunden“ beschreibt der Trierer Wissenschaftler die Dimensionen seines Verfahrens.

Die Möglichkeit, quasi überall in der Umwelt – im Wasser, im Boden oder auf Pflanzen – eDNA sammeln zu können, hat dem Biomonitoring, der Beobachtung und Überwachung von Tieren und Pflanzen, in den letzten Jahren einen enormen Fortschritt verschafft. Bislang mussten dafür Insekten in Fallen gefangen werden. Diese Praxis hat nicht nur den Nachteil, dass die Tiere dabei sterben, in der Regel wird auch nur ein Teil der mit einer Pflanze in Berührung stehenden Insekten gefangen und somit in der Analyse erfasst.

Die Innovation des von Henrik Krehenwinkel, Sven Weber und Susan Kennedy entwickelten Verfahrens besteht darin, eDNA nicht wie üblich von den Oberflächen der Pflanzen zu entnehmen, sondern aus zerkleinertem, getrocknetem Pflanzenmaterial. Auf der Pflanzenhülle ist eDNA nicht lange verfügbar, weil sie durch UV-Licht abgebaut oder von Regen weggespült wird. Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass auf diese Weise vor allem Insekten auf der Oberfläche der Pflanze berücksichtigt werden. „Jetzt können wir auch nachweisen, welche Insekten im Inneren der Pflanze leben“, beschreibt Henrik Krehenwinkel den neuen Erkenntnishorizont.

Die Beobachtung der Interaktionen zwischen Pflanzen und Insekten ist für die Wissenschaft noch aus weiteren Gründen von besonderem Interesse. So hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass mit bestimmten Pflanzenarten auch die mit ihr verbundenen Insektenarten verschwinden – und umgekehrt. Mithilfe des eDNA-Verfahrens könnte die Forschung neue Informationen über die bislang wenig bekannten Ursachen gewinnen. Auch die Landwirtschaft könnte im Hinblick auf die Erforschung von Pflanzenschädlingen profitieren, da die Verbreitung von Schadinsekten mittels Einlagerungen in Pflanzen erfolgen kann.

Ein weiterer Mehrwert besteht darin, dass die in getrockneten Pflanzen enthaltene eDNA überraschend stabil ist. Henrik Krehenwinkel will daher anhand von Pflanzensammlungen, die über Jahrzehnte archiviert wurden, prüfen, ob sich mittels eDNA ein Biomonitoring über einen langen Zeitraum hinweg zurückverfolgen lässt.

Auch außerhalb der professionellen Forschung ergibt sich eine Fülle von Anwendungsmöglichkeiten. „Wir arbeiten gerade daran, das Protokoll unseres Verfahrens so zu erleichtern, dass Schulklassen damit arbeiten können. Langfristig könnte daraus ein Citizen-Science-Projekt entstehen, in dem Bürgerinnen sowie Bürger auf dem Gebiet der Biodiversität forschen“, erläutert Henrik Krehenwinkel weiter.

Schließlich könnte das Verfahren auch ein Fall für die Kriminalistik werden. Per eDNA lassen sich zuverlässige Aussagen über die tatsächliche geografische Herkunft von Pflanzen treffen. So könnte der Zoll ermitteln, ob eingeführte Teesorten tatsächlich aus den angegebenen Ländern stammen. Was bei Tee möglich ist, gilt auch für andere Pflanzen – Drogen beispielsweise.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Trier via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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