Weniger Treibhausgase mit «Comammox»-Bakterien
Bio-News vom 23.04.2019
Der Stickstoff-Kreislauf der Erde wird vom Menschen, insbesonders durch Düngung in der industriellen Landwirtschaft, massiv beeinflusst. Zu den dramatischen Folgen gehört die Freisetzung von Lachgas, welches die Ozonschicht zerstört und ein fast 300-mal stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid ist. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Holger Daims und Michael Wagner von der Universität Wien hat nun herausgefunden, dass die erst vor kurzem entdeckten "Comammox-Bakterien" viel weniger Lachgas freisetzen als andere Stickstoffdünger-umsetzende Mikroben – und somit von großem Interesse für eine umweltverträglichere Landwirtschaft sind.
Die moderne Landwirtschaft würde ohne stickstoffhaltige Dünger nicht funktionieren. Die intensive Düngung führt jedoch zu vielen Problemen: ein Großteil des Stickstoffs wird von den Pflanzen gar nicht aufgenommen, sondern durch das Zusammenspiel von mikrobieller Umsetzung und Niederschlägen aus den Böden ausgewaschen und landet schließlich in Flüssen, Seen und Meeren.
Dort bewirkt der überschüssige Stickstoff die Eutrophierung (das "Umkippen") von Gewässern, mit dramatischen Folgen wie dem Absterben vieler Wasserlebewesen. Darüber hinaus wird bei der Umsetzung des Stickstoffs aus Düngemitteln durch Mikroorganismen, Distickstoffmonoxid (Lachgas) als Nebenprodukt freigesetzt, welches in die Atmosphäre entweicht und wesentlich zur Ozonzerstörung und globalen Erwärmung beiträgt.
Lachgas-Quelle Nitrifikation
Eine der häufigsten Stickstoff-Verbindungen in Kunstdüngern und Gülle ist Ammonium bzw. Harnstoff, der wiederum im Boden in Ammonium umgewandelt wird. Im Stickstoff-Kreislauf wird Ammonium von Mikroorganismen zuerst in giftiges Nitrit und anschließend in das etwas harmlosere Nitrat umgesetzt. Dieser zweistufige Prozess wird "Nitrifikation" genannt. Im Zuge der Nitrifikation entsteht immer auch etwas Lachgas.
Dessen Menge nimmt dramatisch zu, wenn den Mikroben, welche die Nitrifikation durchführen, buchstäblich die Luft ausgeht – bei Sauerstoffmangel setzen viele dieser "Nitrifikanten" große Mengen des gefährlichen Treibhausgases frei. Dies geschieht nicht nur in gedüngten Böden insbesondere nach Niederschlägen, sondern auch in Kläranlagen, wo die Nitrifikation eine zentrale Rolle für die biologische Abwasserreinigung spielt. Selbst diese, für unser sauberes Wasser so wichtigen, Anlagen tragen somit zu den weltweiten Lachgas-Emissionen bei.
Comammox-Bakterien: Nitrifikation fast ohne Lachgas
Ein internationales Team unter der Leitung von Holger Daims und Michael Wagner, Mikrobiologen am neu gegründeten Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien, hat nun erstmals die Lachgas-Produktion eines "Comammox"-Bakteriums untersucht. Comammox-Bakterien ("complete ammonia oxidizers") wurden von dem Team erstmalig 2015 in einem Nature-Artikel beschrieben. Sie wandeln Ammonium ganz allein zu Nitrat um – andere Mikroben sind dazu auf Arbeitsteilung angewiesen, in der jeder Partner nur einen der zwei Schritte der Nitrifikation durchführt.
"Schon als wir die ersten Messwerte sahen, waren wir begeistert", so Holger Daims. "Die Comammox-Bakterien setzen viel weniger Lachgas frei als die meisten anderen Nitrifikanten, die bislang untersucht wurden". Michael Wagner fügt hinzu: "Selbst sauerstoffarme Bedingungen hatten darauf keinen Einfluss. Und die geringe Menge Lachgas erzeugen die Comammox-Bakterien gar nicht selbst – ihnen fehlen die dazu notwendigen Enzyme. Das Lachgas entsteht nur durch chemische Reaktionen aus Hydroxylamin, einer Substanz, die Comammox-Bakterien in ihre Umgebung abgeben."
Die geringe Lachgas-Freisetzung durch Comammox könnte für die Landwirtschaft und die Abwasserreinigung interessant werden. "Wenn es gelingt, gezielt das Wachstum von Comammox-Bakterien an Stelle der anderen Nitrifikanten zu fördern, lassen sich die Lachgas-Emissionen in Böden und Kläranlagen vielleicht vermindern. Aber dafür muss noch Forschungsarbeit geleistet werden – schließlich wurden Comammox-Bakterien erst vor kurzem entdeckt und wir wissen wenig über die Bedingungen, welche sie für ein optimales Wachstum benötigen", erklärt Dimitri Kits, Erstautor der Studie. "Allein mit Comammox werden wir die Stickstoff-Problematik nicht lösen", meint Holger Daims. "Aber ihr gezielter Einsatz könnte wertvolle Beiträge leisten".
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Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.