Wissenschaftler aus Mainz und Antananarivo beschreiben neue Primatenart
Bio-News vom 25.08.2013
Artdiversität der Fettschwanzmakis bisher unterschätzt.
Der Inselstaat Madagaskar weist aufgrund seiner langen Isolation von anderen Landmassen eine einzigartige Biodiversität auf; viele Tier- und Pflanzenarten kommen ausschließlich auf Madagaskar vor. Zu den bekanntesten Vertretern der einzigartigen Fauna der Insel zählen die Lemuren, eine Untergruppe der Primaten. Lemuren kommen fast ausschließlich auf Madagaskar vor. Die einzige Ausnahme sind zwei Arten der Gattung Eulemur, die auch auf den Komoren heimisch sind, wo sie vermutlich vom Menschen eingeführt wurden. Durch intensive Feldforschung wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche, bis dato unbekannte Lemurenarten entdeckt. Fettschwanzmakis erfuhren dabei relativ wenig Aufmerksamkeit. Die Diversität in dieser Gattung ist bisher nur ansatzweise bekannt. In Feld- und Laborarbeiten haben Forscher der Universitäten Mainz und Antananarivo nun Lemurenpopulationen in Südmadagaskar untersucht und dort eine bisher unbekannte Fettschwanzmakiart entdeckt. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Molecular Phylogenetics and Evolution veröffentlicht.
Publikation:
Thiele D., Razafimahatratra E., Hapke A.
Discrepant partitioning of genetic diversity in mouse lemurs and dwarf lemurs – biological reality or taxonomic bias?
Molecular Phylogenetics and Evolution
DOI: 10.1016/j.ympev.2013.07.019
"Wir forschen bereits seit einigen Jahren gemeinsam mit madagassischen Wissenschaftlern zur Diversität der Lemuren", berichtet Dr. Andreas Hapke vom Institut für Anthropologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). "Erst jetzt konnten wir feststellen, dass einige der untersuchten Tiere einer bisher unbekannten Art angehören." Der jetzt beschriebene Lavasoa-Fettschwanzmaki (Cheirogaleus lavasoensis) kommt nach bisherigem Kenntnisstand ausschließlich in drei kleinen, isolierten Waldfragmenten im extremen Süden Madagaskars vor. Die genaue Populationsgröße ist unbekannt. Nach vorläufigen Schätzungen gibt es aktuell weniger als 50 Tiere dieser Art, die damit sehr selten und vom Aussterben bedroht ist.
Aufgrund ihrer Lebensweise sind Fettschwanzmakis sehr schwer zu untersuchen, denn die nachtaktiven Waldbewohner halten sich häufig im oberen Teil des Kronendachs auf. Während des südlichen Winters führen sie zudem einen mehrmonatigen Winterschlaf durch. Aktiv sind die Tiere hauptsächlich während der Regenzeit, wenn viele der von ihnen bewohnten Wälder aufgrund der Witterungsverhältnisse für die Wissenschaftler aber weitestgehend unzugänglich sind. Dennoch ist es für die aktuelle Untersuchung gelungen, insgesamt 51 Fettschwanzmakis an neun Standorten in Lebendfallen einzufangen, um sie nach der Entnahme von winzigen Gewebeproben wieder in ihrem natürlichen Umfeld freizulassen.
Die entnommenen Gewebeproben wurden am Institut für Anthropologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz molekulargenetischen Analysen unterzogen. Die hierbei gewonnenen Daten wurden in einem nächsten Schritt mit bereits publizierten Daten anderer Forschergruppen zusammengeführt. "Mit den neuen Daten aus Südmadagaskar konnten wir die existierenden Datensätze entscheidend erweitern", erläutert Dana Thiele vom Institut für Anthropologie der JGU. "In umfangreichen Datenanalysen haben wir dann die genetische Diversität in zwei nah verwandten Lemurengattungen – den Mausmakis (Microcebus) und den Fettschwanzmakis (Cheirogaleus) – untersucht und sind durch den Vergleich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Artdiversität der Fettschwanzmakis bisher unterschätzt wurde."
Die ersten Individuen der neuen Art Lavasoa-Fettschwanzmaki hatten Andreas Hapke und Refaly Ernest, der als einheimischer Feldassistent im Projekt mitarbeitete, bereits während eines Forschungsaufenthalts in Madagaskar im Jahr 2001 entdeckt. Damals existierten kaum genetische Vergleichsdaten aus anderen Teilen der Insel, weshalb die Tiere zunächst der Art Cheirogaleus crossleyi zugeordnet wurden. Erst jetzt konnte geklärt werden, dass es sich tatsächlich um eine eigenständige Lemurenart handelt.
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.