Abstammung
Abstammung ist zum einen ein auf Verwandtschaft beruhender biologischer Begriff, der auf der Weitergabe von Genen über die Generationen hinweg beruht (früher auch Blutlinie genannt), also die biologische Herkunft eines Individuums bezeichnet. Zum anderen wird der Begriff als Rechtsbegriff im Familienrecht verwendet.
Abstammung wird im übertragenen Sinn auch für die Weitergabe und Fortentwicklung von Ideen und anderer Abstrakta verwendet.
Biologie
In der Biologie wird die Bezeichnung Abstammung verwendet, um einerseits die unmittelbare (genetische) Herkunft zu beschreiben, andererseits die stammesgeschichtliche Entwicklung („Der Mensch und der Affe stammen von gemeinsamen Vorfahren ab“). Abstammung wird hier somit verstanden als die Herkunft eines Individuums von einem bestimmten weiblichen Elter, von dem die Eizelle stammt („Mutter“) und von einem männlichen Elter, von dem das Spermium stammt („Vater“), also die biologische Elternschaft. Im weiteren Sinne bezieht sich die Bezeichnung auch auf die Eltern der Eltern (die Großeltern), die Eltern der Großeltern und alle weiteren unmittelbaren Vorfahren bis zurück zur sogenannten Urzeugung, das heißt auf die biologische Abstammungstheorie.
Rechtswissenschaft
Der Begriff der Abstammung wird in Deutschland in § 1589 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Definition der Verwandtschaft oder Blutsverwandtschaft verwendet. Dabei wird nicht allein auf die biologische Elternschaft abgestellt, sondern in den §§ 1591 ff. BGB eine eigenständige rechtliche Regelung im Sinne der familiären Herkunft getroffen, die in manchen Fällen von der biologischen Elternschaft abweichen kann.
Dabei war die Bestimmung der Mutterschaft früher problemlos, was in dem lateinischen Rechtssatz „{{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value)“ (deutsch: „Die Mutter steht immer sicher fest“) zum Ausdruck kam. Seitdem es (wenn auch in Deutschland verboten, siehe § 1 Embryonenschutzgesetz) medizinisch möglich ist, einer Frau eine befruchtete Eizelle einer anderen Frau einzupflanzen, bedurfte es einer Regelung, wer in einem solchen Fall die Mutter ist. Nach § 1591 BGB ist das die Frau, die das Kind geboren hat.
Für die Bestimmung der Vaterschaft findet sich die grundlegende Regelung in § 1592 BGB. Danach ist rechtlich Vater,
- wer zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet war,
- wer die Vaterschaft anerkannt hat oder
- derjenige, dessen Vaterschaft nach § 1600d BGB oder § 182 FamFG gerichtlich festgestellt ist.
Damit können biologische Vaterschaft und rechtliche Vaterschaft auseinanderfallen. Um diesen Zustand zu beseitigen, gibt es in bestimmten Fällen die Möglichkeit einer Vaterschaftsanfechtung (§ 1600 BGB). Soweit nicht auf Grund der ehelichen Geburt oder einer Vaterschaftsanerkennung ein Vater feststeht, bedarf es einer gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung, wobei in Zweifelsfällen ein Abstammungsnachweis oder ein Abstammungsgutachten notwendig ist.
Rechtsnormen können vorsehen, dass die Rechtsfolgen der Elternschaft aufgehoben und – insbesondere im Falle der Adoption – durch eine juristische Elternschaft ersetzt werden. Durch die Adoption eines Minderjährigen wird die Elternschaft rechtlich von der Abstammung gelöst. Das Verwandtschaftsverhältnis zu den bisherigen Verwandten erlischt (§ 1755 BGB), durch den gerichtlichen Beschluss entsteht ein neues Eltern-Kind-Verhältnis zu dem oder den Annehmenden (§ 1754 BGB). Bei der Volljährigenadoption gehen die Rechtswirkungen weniger weit (vgl. § 1770, § 1772 BGB).
Das OLG Hamm hat im Februar 2013 entschieden, dass ein im Reagenzglas gezeugter Mensch (die Klägerin ist eine junge Frau) das Recht auf die Herausgabe des Namens seines / ihres biologischen Vaters hat. Es gab damit dem Recht auf Wissen um die eigene Abstammung Vorrang vor der Anonymität, die den Samenspendern damals zugesichert worden war. Das Urteil ist rechtskräftig. Eine Revision ist laut OLG nicht zugelassen.[1] Vor diesem Urteil hatten zahlreiche 'künstlich' Gezeugte beklagt, ihren biologischen Vater nicht zu kennen und nicht kennenlernen zu können.
Ethnologie
Abstammung ist im Verständnis der Ethnologie ein System von Beziehungen, in dessen Mittelpunkt der Bezug der Nachkommen zu einem gemeinsamen Ahnen steht. Man unterscheidet zwischen unilinearer und non-unilinearer Deszendenz, wobei unilinear weiter in matrilinear und patrilinear, dulinear und parallel differenziert werden kann; non-unilinear in bilateral und optativ. Durch den unilinearen Bezug auf einen gemeinsamen Ahnen erhält man sauber getrennte, sich nie überschneidende Deszendenzgruppen, welche sich in exogame und nicht-exogame Gruppen differenzieren lassen.
Im Fall einer patrilinearen exogamen Deszendenz sind die Kinder einer Frau nicht ihrer eigenen Deszendenzgruppe zugeordnet, sondern der ihres Mannes (Weitervererbung von Gruppenzugehörigkeit).
Sonstige Bedeutungen
- Abstammungsmythen bezeichnet man als Herkunftssagen.
- Für die Tierzucht unerlässlich ist die Abstammungsbewertung.
Siehe auch
- Genealogie
- Stammbaum, Stammbuch, Stammtafel, Abstammungsurkunde
- Zuchtwertschätzung
- Stammesgeschichte des Menschen