Friedrich von Hagenow


Friedrich von Hagenow

Karl Friedrich Hagenow, ab 1802 von Hagenow, ab 1863 von Hagenow-Nielitz (* 19. Januar 1797 auf Gut Langenfelde, Landkreis Grimmen, Vorpommern; † 18. Oktober 1865 in Greifswald, Vorpommern) war ein Naturwissenschaftler und Prähistoriker des frühen 19. Jahrhunderts in Greifswald.

Leben

Er war der älteste Sohn des am 16. Februar 1802 in Wien in den Reichsadelsstand erhobenen Gutsbesitzers Friedrich Christoph Karl Hagenow (1758–1812), Gutsherr auf den Gütern Engelswacht, Glewitz, Medrow, Benkenhagen, Kordsmühlen und Langenfelde (alle Landkreis Grimmen), und der Marie Mentz (1772–1844), Gutsherrin auf Nielitz (Landkreis Grimmen).

Durch seinen Hauslehrer, den späteren Professor für Mathematik und Physik, Gustav Salomon Tillberg, erhielt Hagenow zahlreiche Anregungen für seine naturwissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiet der Mathematik, Technologie, Landwirtschaft und Veterinärmedizin. Der aus Schweden stammende Tillberg, der 1803 in Greifswald promoviert wurde, führte seinen Zögling im Alter von 12 Jahren zur Hochschulreife. 1809 begann Friedrich von Hagenow an der Universität Greifswald ein Studium der Angewandten Mathematik und Mechanik. Auf Wunsch seines Vaters gehörten auch Landwirtschaft und Tierarzneikunde zu seinen Studieninhalten.

Nach dem Tod seines Vaters 1812 arbeitete er bis 1814 als Adjunkt im Justizamt Dargun in Mecklenburg, wo er eine Ausbildung in Ökonomie und Verwaltungswesen erhielt. 1815 zog er zur Erlernung der praktischen Landwirtschaft zunächst als Volontär auf das Gut seiner Verwandten nach Groß Schoritz auf Rügen. Der Kontakt mit dem an der Vorgeschichte Rügens sehr interessierten Pastor Bernhard Olivier Frank (1758–1833) aus Bobbin, insbesondere die Besichtigung dessen damals bekannter naturwissenschaftlicher und prähistorischer Sammlung, weckte in dieser Zeit sein Interesse an den Fragen der Altertumswissenschaft.

Von 1817 bis 1818 leistete er seinen Wehrdienst als Einjährig-Freiwilliger beim Garde-Schützen-Bataillon in Berlin, wo er an der Friedrich-Wilhelm-Universität unter anderem Vorlesungen des Agrarwissenschaftlers Albrecht Daniel Thaer besuchte. Anschließend lebte er bis 1823 mit seiner Familie, er hatte 1819 geheiratet, als Gutspächter auf Poggenhof bei Schaprode. Die Landwirtschaft erwies sich nicht als die eigentliche Berufung Hagenows, so dass er sich 1823 als Privatgelehrter in Loitz bei Demmin niederließ. Dort entwickelte er für die Universität Greifswald mehrere optische und physikalische Instrumente sowie 1824 ein Verfahren gehärteten Stahl mit Eisen und anderen Metallen ohne Verlust der Härte zu verbinden.

Seit 1825 stand er in Kontakt mit dem Oberpräsidenten der Provinz Pommern, Johann August Sack, der ihn in die Gesellschaft für pommersche Geschichte und Altertumskunde berief. 1826 gehörte er neben Johann Gottfried Ludwig Kosegarten und Karl Schildener zu den Gründungsmitgliedern der Rügisch-Vorpommerschen Abteilung mit Sitz in Greifswald. Er erbot sich, die 1825 von der Stettiner Abteilung beschlossene Landesaufnahme für Neuvorpommern durchzuführen. Noch im gleichen Jahr begann er mit den Arbeiten auf Rügen, die er 1828 abschließen konnte. Seine „Spezial Charte der Insel Rügen“, in der er die Anfang des 18. Jahrhunderts bekannten vorgeschichtlichen Grabhügel, Großsteingräber, Wüstungen und Opfersteine kartierte, war die erste topografisch genaue Rügenkarte.

1830 erhielt er den Ehrendoktortitel der philosophischen Fakultät der Universität Greifswald.

1832 siedelte er nach Greifswald über, wo er am Ryck das erste deutsche Schlämmkreidewerk gründete, das er mit selbst konstruierten Maschinen ausrüstete. Gleichzeitig hatte er sämtliche Kreidebrüche auf Rügen gepachtet. In den Jahren 1835 bis 1838 hielt er an der Landwirtschaftlichen Akademie in Eldena Vorlesungen über Angewandte Mathematik. In dieser Zeit verlagerte er den Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Forschungen auf die Paläontologie. Durch seine Anlage zur Aufbereitung der auf Jasmund gewonnenen Kreide kam er in den Besitz einer großen Zahl von Fossilien der Maastrichter Kreide auf Rügen, in deren Systematik er sich einarbeitete. Seine Forschungen auf diesem Gebiet gipfelten in einer mehrbändigen Monografie, die zwischen 1839 und 1842 erschien. Um das mikroskopische Zeichnen der versteinerten Funde zu erleichtern, hatte er 1851 den „Dikatopter“ erfunden, eine Art Camera Lucida.

Gedenktafel an der Kirche Gülzowshof

Weitere Erfindungen waren ein verbesserter Aderlassschnäpper (1850) sowie ein Verfahren alte Siegel wieder herzustellen und neue Stempel danach anzufertigen (1851).

Friedrich von Hagenow war zeitweise Geschäftsführer der Deutschen Geologischen Gesellschaft und galt als einer der besten Geologen seiner Zeit. Er stand unter anderem mit Alexander von Humboldt und Leopold von Buch in Briefwechsel.

1843 wurde er zum Regierungskondukteur ernannt. 1845 kam Hagenow durch Erbschaft in den Besitz des mütterlichen Gutes Nielitz, dessen Erträge ihn zu einem reichen Mann machten.

Dem Genuss seines Wohlstands durch ausgedehnte Reisen und Sammeltätigkeit setzten nach und nach gesundheitliche Probleme enge Grenzen. Ein langwieriges Augenleiden führte schon mit 57 Jahren zur völligen Erblindung des Forschers. Am 18. Oktober 1865 starb Hagenow an den Folgen eines Schlaganfalls. Er wurde in Gülzowshof beigesetzt.

Seine prähistorische Sammlung wurde vom Provinzialmuseum für Neuvorpommern und Rügen in Stralsund angekauft. Weitere Sammlungen gingen an das Museum in Stettin.

Werk

Hagenow arbeitete als Privatgelehrter auf dem Gebiet der Natur- und Geisteswissenschaften. Für die Fächer Paläontologie und Ur- und Frühgeschichte haben seine Arbeiten zu den Kreide-Versteinerungen Neuvorpommerns und Rügens (1842), den Bryozoen der Maastrichter Kreide (1851) sowie zu Fälschungen von Runensteinen (1826) und Pfahlbauten (1865) heute noch forschungsgeschichtliche Bedeutung. Bereits 1820 erschienen seine „Beiträge zur Ornithologie Pommerns“. Die „Special Charte der Insel Rügen“ (Berlin 1829) dokumentiert den Bestand von vorgeschichtlichen Grabhügeln und Großsteingräbern vor der ersten großen Zerstörung vorgeschichtlicher Grabanlagen durch die Intensivierung der Landwirtschaft am Ende des 19. Jahrhunderts.

Hagenow war Mitglied der Deutschen Geologischen Gesellschaft, der Société géologique de France und der Palaeontographical Society in London.

Familie

Hagenow heiratete am 4. Juni 1819 auf Gut Ahrenshagen im Landkreis Franzburg Elisabeth Hennings (* Gut Ahrenshagen 9. September 1791; † 1867 in Greifswald), eine Tochter des Pastors von Ahrenshagen. Aus der Ehe entstammten drei Töchter und zwei Söhne. Zwei der Kinder starben früh.

Am 9. Dezember 1863 erhielt er die königlich preußische Erlaubnis zur Namen- und Wappenmehrung als „von Hagenow-Nielitz“, genannt nach seinem Gut Nielitz.

Literatur

  • Siegfried Müller: Friedrich von Hagenow. Zu seinem 200. Geburtstag. In: Rugia Journal 1997, 42-47.
  • Heiko Beckmann: Friedrich von Hagenow und sein Wirken für die Ur- und Frühgeschichtsforschung. In: G. Mangelsdorf (Hrsg.) Greifswalder Mitteilungen. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie 2, 1997. ISBN 3-631-31272-5.
  • Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser, Teil B 1933, Seite 213, Verlag Justus Perthes, Gotha 1933.
  • Genealogisches Handbuch des Adels, Adelslexikon Band IV, Band 67 der Gesamtreihe, C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 1978, ISSN 0435-2408
  • E. Habetha: Friedrich von Hagenow. In: Pommersche Lebensbilder. Bd. 3, Stettin 1939, (Digitalisat, PDF, 0,5 MB)
  • Adolf Häckermann: Hagenow, Friedrich von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 10, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 349–351.
  • Siegfried Müller: Friedrich von Hagenow. Zu seinem 200. Geburtstag. Rugia Journal 1997, (Digitalisat, PDF, 1,2 MB)
  • Theodor Pyl: Nekrolog des Dr. v. Hagenow. In: Gesellschaft für pommersche Geschichte und Altertumskunde (Hrsg): Baltische Studien. Bd. 21, Heft 2, Stettin 1866, S. 1–8 (Digitalisat, PDF).

Weblinks