Fuchsbandwurm
Fuchsbandwurm | ||||||||||||
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Ausgewachsener Fuchsbandwurm, ca. 1,5 mm lang | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Echinococcus multilocularis | ||||||||||||
(Leuckart 1863) Vogel 1955 |
Der Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis) ist eine Art der Bandwürmer (Cestoda) und parasitiert vor allem im Rotfuchs, Polarfuchs und Marderhund, seltener im Haushund (siehe auch Bandwurmerkrankungen des Hundes) oder in der Hauskatze (siehe auch Wurminfektionen der Katze). Als Zwischenwirt dienen kleine Säugetiere wie Rötelmaus oder Feldmaus. Der Fuchsbandwurm ist der Auslöser der alveolären (bläschenartigen) Echinokokkose, einer lebensgefährlichen Wurmerkrankung des Menschen.
Merkmale
Als kleinerer Vertreter der Bandwürmer erreicht der Fuchsbandwurm eine Länge von nur rund drei Millimetern bei einem Durchmesser von rund einem Millimeter (zum Vergleich: der größte Bandwurm erreicht eine Länge von rund 20 Metern). Der Kopf (Scolex) besitzt Saugnäpfe und wie bei vielen Bandwürmern Haken, um sich an der Darmwand des Wirtes festzusetzen. Diese sind in zwei Reihen zu je 13 bis 18 Häkchen angeordnet, wobei die vorderen größer als die dahinterliegenden sind.
Sein Körper ist in drei bis vier segmentähnliche Körperabschnitte (Proglottiden) unterteilt, wobei die letzte Proglottis stark vergrößert ist und fast die Hälfte der gesamten Länge des Wurmes ausmacht. In den Proglottiden liegt jeweils ein Satz von Geschlechtsorganen vor, in denen Spermien und später Eier produziert werden. Etwa in der Mitte der Proglottiden liegt die deutlich erkennbare Geschlechtsöffnung (Genitalporus).
Verbreitung
Die Verbreitungsgebiete erstrecken sich vor allem auf die gemäßigten bis kalt-gemäßigten Klimazonen Mitteleuropas und Nordamerikas. Die Echinokokkose kommt in den meisten Gebieten enzootisch vor, breitet sich jedoch zusehends auf ganz Mitteleuropa aus, da immer mehr Rotfüchse in die Städte abwandern und sich der Fuchsbandwurm dort vor allem unter der Nagetierpopulation ausbreiten kann. Die Befallsdichte schwankt erheblich, in manchen Regionen sind bis zu 72 % der Füchse befallen (Südwestdeutschland), in anderen nur bis zu 5 %.
Vor allem in Sibirien und Alaska mit den Inseln des Beringmeers sowie in der Schweiz (Schwerpunkt Kanton Thurgau) und in Deutschland im Bereich der Schwäbischen Alb häufen sich die Vorkommen. Zumindest in Europa kommt es aufgrund dieser inselhaften Verbreitung so gut wie gar nicht zu einer Überlappung mit dem Verbreitungsgebiet für den Hundebandwurm (Echinococcus granulosus). Ein Grund für diese Verteilung ist noch nicht bekannt.
Epidemiologie
Die Anzahl der Übertragungen auf den Menschen ist offensichtlich sehr gering. In ganz Europa sind im Zeitraum von 1982 bis 2000 lediglich 559 Fälle der alveolären Echinokokkose bekannt, wobei allerdings berücksichtigt werden muss, dass die tatsächliche Zahl der Fälle aufgrund der erst im Jahre 2000 begonnenen zentralen Erfassung nicht genau angegeben werden kann. Zwischen 2003 und 2005 wurden dem Robert-Koch-Institut und dem Europäischen Echinokokkose-Register zusammen 119 Fälle gemeldet. Einer neuen Studie zufolge sind dies aber wahrscheinlich nur 30 % der tatsächlich auftretenden Fälle.[1] Obwohl die Zahl der mit dem Bandwurm infizierten Füchse in Endemiegebieten relativ hoch ist, wurden keine damit zusammenhängend erhöhten Infektionsraten beim Menschen festgestellt. Selbst in Gebieten, in denen bis zu 60 % der Füchse befallen waren, wurde kein größerer Anstieg der an Echinokokkose erkrankten Menschen festgestellt. Auf Grund der geringen lokalen Anzahl erkannter Erkrankungen und der langen Inkubationszeit von 5–20 Jahren sind aber alle statistischen Aussagen und daraus folgende Handlungsempfehlungen mit großer Unsicherheit verbunden.
Lebenszyklus
Die Entwicklung beginnt mit dem erwachsenen Wurm, der sich im Darm des Endwirtes niedergelassen hat; dort scheidet er bis zu 200 Eier (Oncosphären) pro Tag aus. Die Eier sind sehr kältebeständig und können monatelang infektiös bleiben. Das Ei wird zunächst von einem Zwischenwirt (Nager) aufgenommen; im Magen löst sich die Eikapsel auf und die so genannte Hexacanthenlarve (6-Haken-Larve) durchdringt die Darmwand und gelangt so in die Blutbahn oder in die Lymphe.
Die Larve setzt sich vor allem im Lebergewebe fest, kann aber auch Lunge, Herz und Milz befallen und bildet eine Hydatide (griech. wasserreich) genannte, knospende Larvenstruktur. Sie bildet Ausläufer und beginnt damit, das umliegende Gewebe zu zersetzen. Es bildet sich ein großes schwammiges Gewebe (Metacestode), in dessen Wand sich die knospenden Protoscolices bilden, Bandwurmfinnen mit eingestülptem Kopf. Sie wird aus diesem Grunde als Hydatide des alveolären Typs von der Hydatide des zystischen Typs des Hundebandwurms abgegrenzt, bei dem durch eine Knospung in den Innenraum große Hydatidenblasen gebildet werden.
Durch die Erkrankung wird der Zwischenwirt immer schwächer und damit eine leichte Beute für den Endwirt (Hund, Fuchs, Katze). Selbst nach dem Tod des Zwischenwirtes bleibt die Hydatidenlarve noch lange infektiös, so dass auch Tiere, die sich von Aas ernähren, zum Endwirt werden können. Nimmt nun der Endwirt Teile der Hydatiden auf, so wird das umliegende Gewebe verdaut und die freigewordenen Bandwürmer setzen sich mit ihren Haken im Dünndarm des Wirtes fest. Dort ernähren sie sich kommensal. Die Nahrung wird über ihre Außenhaut, die syncytiale Neodermis, aufgenommen. Sie besteht aus dem „Nahrungsbrei“, der im Dünndarm vorhanden ist und aus dem der Wurm die Nährstoffe resorbiert. Der Stoffwechsel verläuft anaerob über die Glykolyse. Es können tausende Würmer im Endwirt vorkommen, ohne diesen ernsthaft zu beeinträchtigen. Bei starkem Befall verteilen sich die Parasiten gleichmäßig über den gesamten Dünndarm, bei wenigen Parasiten bleibt in der Regel das erste Dünndarmdrittel des Wirtes frei.
Infektionsfolgen beim Menschen
Fuchsbandwürmer sind selbst bei hohem Aufkommen im Endwirt für diesen kaum schädlich. Auch bekommen viele Menschen nie den Fuchsbandwurm, obwohl sie offenbar die Eier aufgenommen haben. Als Erklärung führen die Experten beim Europäischen Echinokokkose-Register an, dass große Teile der Bevölkerung gegen den Parasiten resistent sind: In Blutproben finden sich Antikörper gegen den Erreger, obwohl der Betroffene nie erkrankt ist. Nur zwanzig Prozent der Menschen, die Fuchsbandwurmeier geschluckt haben, bekommen auch Beschwerden. Im Falle einer Infektion kann diese aber verheerende Folgen haben. Der Mensch stellt im Entwicklungszyklus des Fuchsbandwurmes einen Fehlzwischenwirt dar, da der Mensch nicht zum Beuteschema des Fuchses passt: Der Parasit wird durch die Infektion nicht an den Endwirt weitergegeben. In den Organen eines infizierten Menschen, vornehmlich in Leber, Lunge und Gehirn, kann es dennoch zu einer Finnenentwicklung kommen, die das Krankheitsbild der alveolären Echinokokkose hervorruft. Dabei entsteht ein Netzwerk von Röhren in den befallenen Organen. Sie enthalten die Finnen von Echinococcus multilocularis in Form von Anhäufungen mikroskopisch kleiner, von Bindegewebe umschlossener Bläschen (Alveolen). Man spricht daher von einer alveolären Echinokokkose im Gegensatz zur zystischen Echinokokkose bei Infektion durch den Hundebandwurm. Das Finnengewebe breitet sich wie Metastasen aus, wodurch die betroffenen Organe schleichend, aber weitgehend zerstört werden.
Die Erkrankung wird meist erst zehn bis zwanzig Jahre nach der Infektion bemerkt, unter anderem, da die Symptome bei Befall der Leber Ähnlichkeit mit einem Leberkarzinom oder einer Leberzirrhose besitzen. Eine Abgrenzung gegen die vorgenannten Erkrankungen ist mittels Antikörpernachweis im Blut möglich. Durch die starke Durchwachsung der betroffenen Organe und die unscharfe Abgrenzung der befallenen Areale zu gesunden Organbereichen ist eine Operation bei fortgeschrittener Erkrankung kaum durchführbar. Ohne eine Operation oder die jahrelange Einnahme von Anti-Wurm-Medikamenten sterben die meisten Patienten an Leberversagen.
Vorbeugung
Der Übertragungsweg auf den Menschen ist nicht eindeutig geklärt. Die Hauptzahl der Fälle wurde bei Personen beobachtet, die entweder beruflich oder privat mit Landwirtschaft und Waldbau zu tun hatten. In 70 % der gemeldeten Fälle sind Hunde- oder Katzenbesitzer betroffen. Es wird daher davon ausgegangen, dass bei den meisten Fällen erst eine Dauerexposition zur Infektion führen kann und keine einmalige Aufnahme der Bandwurmeier.
Früchten und Beeren aus Bodennähe (weniger als 60 bis 80 cm über dem Boden) oder Pilzen könnten möglicherweise Bandwurmeier anhaften. Dies würde die Aufnahme der Eier durch den Menschen erklären. Jedoch wurde bei Risikostudien kein Zusammenhang zwischen dem erhöhten Verzehr von Beeren oder Pilzen und erhöhten Infektionsraten festgestellt. So meint der Molekularbiologe und Fuchsbandwurm-Experte Klaus Brehm von der Universität Würzburg wörtlich: „Dass man sich von Beeren den Fuchsbandwurm holen kann, gehört ins Reich der Legenden. Es ist für keinen einzigen Patienten erwiesen, dass er sich so angesteckt hat.“ Bisweilen wird aber immer noch empfohlen, bodennah gesammelte Früchte und Beeren niemals ungewaschen zu essen. Tiefgefrieren der Früchte soll nach traditioneller Sicht nicht ausreichen, da die Eier erst bei −80 °C absterben; die Früchte sollten, wenn die Möglichkeit besteht, gekocht werden.
Beim Umgang mit mäusefangenden Haustieren, wie Hunden oder Katzen, ist Hygiene der beste Infektionsschutz für den Menschen. Von der Tierhaltung geht vermutlich das größte Infektionsrisiko aus, da in 70 % der 559 zwischen 1982 und 2000 untersuchten Fälle Katzen- oder Hundehalter betroffen waren. Nach der Berührung des Fells mit den Händen, zum Beispiel durch Streicheln, sollten diese nicht ungewaschen zum Mund geführt werden, insbesondere wenn das Fell in der Afterregion berührt wurde. Hunde und Katzen, die in der Nähe von Fuchs-Populationen gehalten werden, sollten regelmäßig entwurmt werden.[2]
Auch vom Kot eines vom Fuchsbandwurm befallenen Tieres geht eine Gefahr aus, da darin befindliche Bandwurmeier einerseits per Kontaktinfektion bzw. Schmierinfektion zunächst vielleicht z. B. auf Haustiere und dann auf den Menschen übertragen werden können. Der trockene Tierkot könnte andererseits unbemerkt eingeatmet werden und damit auch die in ihm befindlichen Bandwurmeier. Diese sind sehr umweltresistent und bleiben in der Natur auch bei extremen Temperaturen bis zu 190 Tage lebensfähig. Lediglich große, trockene Hitze kann den Bandwurmeiern schaden, bei über 60 °C werden sie abgetötet.
Rechtliches
In Deutschland besteht seit 2001 eine Meldepflicht für Echinokokkose, in Österreich laut § 1 des Epidemiegesetzes seit 2004.
Siehe auch
Literatur
- J. Eckert: Der gefährliche Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis) und die alveoläre Echinokkose des Menschen in Mitteleuropa. in: Berliner & Münchner Tierärztliche Wochenschrift. Schlütersche Verlagsanstalt, Hannover 109.1996, S. 202–210, ISSN 0005-9366
- J. Eckert, D. Ewald, M. Siegenthaler, M. Brossard, R. G. Zanoni, A. Kappeler: Der Kleine Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis) in der Schweiz - Epidemiologische Situation bei Füchsen und Bedeutung für den Menschen. in: Bulletin des Bundesamtes für Gesundheitswesen. Hallwag, Bern 25.1995, S. 468–476, ISSN 0259-3858
- P. Kern, A. Ammon, M. Kron, G. Sinn, S. Sander, L. R. Petersen, u.a.: Risk factors for alveolar echinococcosis in humans. In: Emerging Infectous Diseases Band 10, Nummer 12, 2004.
- P. Bernthaler: Charakterisierung und Funktionsanalyse von EmRSK4, einem TGF-β Typ II-Rezeptor aus Echinococcus multilocularis. Dissertation, Universität Würzburg, 2009.
Weblinks
- Konsiliarlabor in Deutschland
- Reisemedizin
- Information des Robert-Koch-Instituts
- alveoläre Echinokokkose, Fallmeldungen in Deutschland
- Wo der Fuchsbandwurm wirklich lauert (Hintergrundartikel in Wissenschaft.de vom 30. Mai 2007)
- Patienteninfos der Deutschen Internistenverbandes
- Spiegel Online: Unheimlicher Parasit
- Situation in Österreich (PDF, 340 KB)