Hautflora


Die gesunde Haut ist dicht besiedelt mit Mikroorganismen, wie Bakterien und Pilzen, die als Kommensalen bzw. Mutualen einen natürlichen Bestandteil der Hautoberfläche darstellen und als Hautflora zusammengefasst werden. Sie stellen eine wichtige Voraussetzung dar, um die Haut selbst und den Organismus als Ganzen vor pathogenen Keimen zu schützen und sind Teil des Mikrobioms.

Sofern die Haut als Grenzorgan zur Außenwelt intakt ist und damit ihrer Barrierefunktion erst nachkommen kann, stören diese Keime nicht, machen nicht krank und sind aus mehreren Gründen ausgesprochen nützlich. Denn so unschädlich die Kommensalen für uns auch sein mögen, sind sie auf mikroskopischer Ebene aggressiv darum bemüht ihr Revier zu verteidigen. Wenn ein Krankheitserreger in den Körper eindringen will, muss er sich also zunächst einmal mit diesen „Türstehern“ herumschlagen. Nur wer sich gegen die Standortflora behauptet, kann tiefer eindringen. Erst in zweiter Linie erzeugen sie Stoffwechselprodukte, die sich günstig auf die Eigenschaften der Haut auswirken.

Die einzelnen Hautregionen weisen ein recht unterschiedliches Keimspektrum auf. Die Haarfollikel beherbergen dabei den Großteil der Keime, was u. a. entscheidend für die Ausbildung von so häufigen Krankheiten wie der Akne oder einer Follikulitis ist.

Einflussfaktoren

Feuchtigkeit, pH-Wert und Sauerstoffversorgung sind je nach Hautbereich sehr unterschiedlich, dementsprechend ist auch die Verteilung der einzelnen „normalen“ Bakterien nicht streng gleichmäßig. Je nach Hautregion, Alter, Geschlecht, genetischer Veranlagung und Umgebungsbedingungen können sowohl das Keimspektrum, als auch die Keimzahlen der normalen Hautflora sehr unterschiedlich sein. So fand eine Studie der New York University, welche die Mikroben auf den Unterarmen von sechs Personen untersuchte, insgesamt 182 verschiedene Bakterien-Arten aus acht Stämmen, wobei jedoch nur vier Arten auf allen sechs Personen auftauchten.[1] Das Verhältnis von anaeroben zu aeroben Spezies ist mit 10:1 vergleichsweise ausgeglichen. Die Keimdichten liegen, je nach Region, zwischen 102 und 106 pro cm². Ungefähre Keimzahlen unterschiedlicher Hautregionen (Keimzahl pro cm²): Fingerkuppen 20 – 100, Rücken 3 x 102, Füße 102 – 103, Vorderarm 102 – 5 x 103, Hand 103, Stirn 2 x 105, Kopfhaut 106, Achselhöhle 2 x 106. Insgesamt leben rund 1010 Bakterien auf unserer Hautoberfläche.

Hornschicht

Abgesehen von denjenigen Mikroorganismen, die sich auf den Abbau des Keratins spezialisiert haben (Dermatophyten, Trichophyten), ist das Nährstoffangebot der Hautoberfläche eingeschränkt und somit bei weitem nicht für alle Bakterien ideal. Einer Invasion steht zudem das stetige Wachstum der Epidermis entgegen, denn die am stärksten besiedelten Zellschichten (Stratum disjunctum des Stratum corneum) werden kontinuierlich abgestoßen.

Hautoberflächen-pH-Wert

Es ist seit langem bekannt, dass die Hautoberfläche sauer reagiert (Heuss 1882), später sprach man auch vom „Säureschutzmantel der Haut“ (Schade/Marchionini 1928). Es wurden zahlreiche Untersuchungen zum Hautoberflächen-pH-Wert gemacht und lange galt der viel zitierte pH-Bereich von 5,4–5,9 als der Normalwert am „Unterarm eines weißen, männlichen, erwachsenen Individuums“ (Braun-Falco/ Korting 1986). Zwei aktuelle Studien haben gezeigt, dass der physiologische pH-Wert knapp unter 5 liegt (Lambers et al. 2006; Segger et al. 2007). Darüber hinaus wird der pH-Wert von zahlreichen Faktoren beeinflusst, wie z. B. Alter, Geschlecht, Hautareal, Kosmetika etc.

Die Bedeutung des leicht sauren pH-Werts wurde ebenfalls in zahlreiche Studien untersucht und es konnte gezeigt werden, dass durch ihn das Wachstum von einigen pathogenen Mikroorganismen (z. B. Propionibacterium acnes) gehemmt wird, aber die Mikroorganismen der Normalflora (z. B. Staphylococcus epidermidis) sehr gut bei einem pH-Wert um 5 wachsen. Somit wird durch den „Säureschutzmantel“ das Wachstum von nicht-pathogenen Bakterien stabilisiert und das von pathogenen gehemmt (Pillsbury/Rebell 1952; Korting et al. 1987, 1990 und 1992; Kurabayashi et al. 2002; Lambers et al. 2006).

Die Bedeutung des Hautoberflächen-pH-Werts geht jedoch über die beschriebene hinaus, denn durch ihn funktionieren viele pH-abhängige Enzyme sehr gut, die an dem Aufbau und der Regeneration der epidermalen Permeabilitätsbarriere (Hautbarriere) beteiligt sind. Somit ist der leicht saure Haut-pH-Wert von entscheidender Bedeutung für die gesamte Homöostase der Haut.

Trockenheit

Trotz der Schweißdrüsen und transdermaler Flüssigkeitsabsonderung (Perspiratio insensibilis) bietet die Epidermis ein sehr trockenes Milieu, das einen schlechten Nährboden darstellt. Dem entsprechen die deutlich höheren Keimdichten in feuchten Hautbereichen (Intertrigines), wie Achselhöhlen, Finger- und Zehenzwischenräume, Leistenbeuge, Analfalte.

Lipide, Fettsäuren

Freie Fettsäuren, die teilweise erst durch bakteriellen Metabolismus gebildet werden (lipophile Keime, siehe unten), wirken auf viele Bakterienarten bakterizid. Eine Veränderung dieser Milieubedingungen zieht auch Verschiebungen in den Keimdichten der einzelnen Arten und Spezies nach sich. So nimmt beispielsweise der Anteil lipophiler Arten im Zustand der Seborrhoeae zu und die allgemeine Keimzahl steigt bei vermehrter Schweißbildung (Befeuchtung ansonsten trockener Haut) an.

Hautregionen mit besonderen Milieueigenschaften

Seborrhoische Zonen

Talgreiche Hautregionen sind besonders dicht mit lipophilen Keimen besiedelt, hierzu gehören: Corynebakterien, Propionibakterien und Malassezia furfur. Der lipolytische Stoffwechsel der Propionibakterien (u. a. durch Lecithinasen) führt zur Bildung freier Fettsäuren, die wiederum Einfluss nehmen auf die übrige Besiedelung der Haut. Neben diesen lipophilen Keimen (überwiegend Propionibakterien) sind auch reichlich koagulasenegative Staphylokokken und apathogene Mykobakterien vorhanden. Zu den seborrhoischen Zonen gehören: Stirn, Nasolabialfalte, Nase, Nacken und Schultern.

Feuchte Hautbereiche

Erhöhte Feuchtigkeit führt zu einer Zunahme der Keimdichte. In den intertriginösen Bereichen (Finger- und Zehenzwischenräume, Leistenbeuge, Achselhöhle, Analfalte) sind die Keimzahlen deutlich größer, als z. B. an den recht trockenen Unterschenkeln. Die Achselhöhlen sind sehr unterschiedlich besiedelt, entweder überwiegen koagulasenegative Staphylokokken neben wenigen Corynebakterien oder das Gegenteil ist der Fall. In den Schweißdrüsengängen siedeln sich Peptostreptokokken an, die nicht selten zur Ursache eines Schweißdrüsenabszesses werden. Zehenzwischenräume: Pigmentbildende Bacteroides-Spezies (B. melaninogenicus, B. asaccharolyticus) und Clostridium perfringens sind regelmäßig nachweisbar. Intertriginöse Bereiche sind relativ häufig mit (Hefe-)Pilzen besiedelt.

Trockene Hautbereiche

Z. B. Beugeseite der Unterarme: Insgesamt geringe Keimzahl. Koagulasenegative Staphylokokken überwiegen (102 – 103 KBE/cm²). Nur wenige Corynebakterien und Propionibakterien.

Residente Flora

Staphylokokken

Staphylokokken (S. epidermidis, S. saprophyticus, S. hominis, S. xylosus, S. warneri, S. haemolyticus, S. saccharolyticus, S. conii, S. auricularis) besiedeln bevorzugt feuchte und talgarme Hautregionen, wie intertriginöse Bereiche, Hände und Füße.

Corynebakterien

Corynebakterien (C. minutissimum, C. jeikeium, C. xerosis, C. pseudotuberculosis, C. goutcheri, C. pseudodiphteriticum, C. bovis) spalten die von den Talgdrüsen der Haut gebildeten Fette zu Fettsäuren, die für das saure Milieu auf der Haut mitverantwortlich sind und damit ihrerseits wieder zu einer Hemmung des Keimwachstums führen.

Propionibakterien

Propionibacterium (P. acnes, P. granulosum, P. avidum).

Brevibacterium, Dermabacter

Verursachen u. a. den individuellen Körpergeruch.

Malassezia furfur

Malassezia furfur (früher Pityrosporum ovale, P. orbiculare) ist ein dimorpher Sprosspilz. Vorkommen vor allem an Gesicht, Brust und Rücken (102 KBE/cm²).

Mikrokokken

Mikrokokken (M. luteus, M. flavus) sind besonders bei Kindern nachweisbar.


weitere Keime

Apathogene Mykobakterien, Sarcinia spp.

Transiente Keimbesiedelung

Staphylokokken: S. aureus

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Enterobacteriaceaen

E. coli, Klebsiella, Pseudomonas und Enterobacteriaceaen kommen an feuchten und warmen Hautregionen (intertriginöse Bereiche) häufiger vor.

Weitere Keime: Aerobe grampositive Sporenbildner

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Pilze, Schuppen

Produzieren die Talgdrüsen eines Menschen zu viel Talg oder sind diese Talgdrüsen durch zu seltenes Haarewaschen durch Talg verstopft, dann wird dem normalerweise harmlose Hefepilz Pitysporum ovale ein starkes Wachstum ermöglicht, was zum Seborrhöischen Ekzem mit Juckreiz und Schuppenbildung führt. Schuppen lassen sich mit geeigneten Shampoos inzwischen gut in den Griff bekommen

Besiedelung der Haarfollikel

Hier finden sich besonders hohe Keimzahlen überwiegend lipophiler Bakterienarten. Nahe der Oberfläche siedeln Staphylokokken und Malassezia, darunter aerobe Corynebakterien und in der Tiefe anaerobe, lipophile Bakterien (Propionibakterium).

Haarfollikel als Keimreservoir

Ein großer Teil der Hautflora befindet sich im Bereich der Haarfollikel, 20 % der gesamten Hautflora ist in tiefen Abschnitten der Haarfollikel angesiedelt. Diese Keime sind auch durch eine Hautdesinfektion nicht zu eliminieren, sie bilden das Reservoir, aus dem sich die Hautflora nach der Desinfektion innerhalb von 24 – 72 Stunden erneut bildet.

Haarbalgmilbe

Haarbalgmilben wie Demodex folliculorum leben in den Haarfollikeln der Kopfhaut und auf der Kopfhaut einschließlich Stirn. Haarbalgmilben werden von Person zu Person weitergegeben, meist von Mutter zu Kind, und besiedeln jeden Menschen, aber auch Hunde und Katzen. Die winzigen Milben fressen Fett, Bakterien aber auch Cremereste und Schminke. Nach zwei Wochen Leben auf der Haut kehren sie an ihren Geburtsort, das Haarfollikel, zurück, wo sie sich paaren und gebären. Die neuen Milben wandern mit dem wachsenden Haar wieder auf die Hautoberfläche zurück. Ihre Existenz hilft das Gleichgewicht auf der Haut aufrechtzuerhalten. Während sie bei Tieren mit geschwächtem Immunsystem Räude verursachen können, sind negative Folgen bei Menschen und seinem Partner Demodex follicularum nicht bekannt.

Bestimmung der Keimzahl auf der Haut (Detergenswaschmethode)

Ein Hautbereich definierter Größe wird mit einem bestimmten Volumen Detergens-Lösung überschichtet. Die Keime der Hautoberfläche werden durch starkes Reiben im Detergens gelöst und nach einer Verdünnung angezüchtet.

Quellen

  • Jörg Blech: Leben auf dem Menschen. Rowohlt, Reinbek 2000; überarbeitete Neuausgabe ebd. 2010, ISBN 978-3-499-62494-0
  • Peter Brooke: Kleine Ungeheuer, Die geheime Welt der winzigen Lebewesen, Gondrom-Verlag, 1999, S. 32/33

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Robert L. Dorit: Körpermikroben - Bevor wir uns zu Tode siegen. In: Spektrum der Wissenschaft September 2008, S. 62-66