Hungerstoffwechsel
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Als Hungerstoffwechsel werden das Verhalten und die Umstellungen des Stoffwechsels bei Nahrungsmangel bezeichnet, z. B. beim Fasten (mit der Extremform Null-Diät) oder bei Magersucht.
Physiologie
Durch den Nahrungsmangel bzw. Nährstoffmangel stellt sich der Stoffwechsel auf Katabolismus um. Nach etwa acht bis zehn Tagen wird der Grundumsatz gesenkt und das Stoffwechselgeschehen verlangsamt sich. Der Körper muss bei Nahrungsentzug die notwendige Energie zum Erhalt wichtiger Körperfunktionen aus seinen Energiespeichern gewinnen. Nacheinander werden so zur Deckung des Energiebedarfs Energievorräte in Form von Kohlenhydraten (z. B. Glykogen), Fetten (z. B. subkutanes Fettgewebe) und letztlich auch Proteinen (z. B. Muskulatur) angegriffen. Abhängig von der Kalorienzufuhr können täglich bis zu 150 g Triglyceride (Körperfett) aus dem Fettgewebe zu Fettsäuren und Glycerin abgebaut werden. Der größte Teil wird für die Energieversorgung von Hirn, Herz, Nieren und Muskeln benötigt. Über die Gluconeogenese (Aufbauweg für Glucose) kann aus Muskeleiweiß (Aminosäuren) Energie für das Gehirn gewonnen werden, welches nur Glucose und einige wenige andere Stoffe (z. B. Ketonkörper aus der Ketogenese) zur Energiegewinnung verwenden kann. Mit steigender Dauer des Hungerns treten eine Vielzahl von Veränderungen im Stoffwechsel ein. Unter anderem entsteht über die vermehrte Synthese von Ketonkörpern eine metabolische Azidose. Im Serum steigen die Ammoniak- und Harnsäure-Werte an. Aus dem vermehrten Zellabbau im Rahmen des Hungerstoffwechsels kann eine Gicht entstehen.
Unter dem Hungertod versteht man den Tod durch das Verhungern. Die meisten Menschen versterben hierbei durch Nahrungsmangel aufgrund einer Hungersnot oder Armut. Über eine Milliarde Menschen hungern weltweit. Darüber hinaus kann der Hungertod auch das von einem Individuum aus freiem Willen gewählte Ergebnis eines Hungerstreiks, der Verwehrung der Nahrungsaufnahme oder der durch Krankheit bedingten Auszehrung sein. Nahrungsentzug kann auch eine Foltermethode sein.
Auswirkungen des Hungerns
Während einer Fasten- oder Hungerzeit kommt es zu einer gewissen Anpassung an den Nährstoffmangel. Diesen Vorgang nennt man Hungeradaption. Der Stoffwechselumsatz kann sich auf etwa 50 Prozent reduzieren. Herzfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur sinken, ein extremes Beispiel ist der Winterschlaf bei Tieren. Die Nebenniere schüttet das Stresshormon Adrenalin aus. Der Glukoseverbrauch des Gehirns verringert sich auf 30 Prozent des Ausgangswertes[1] beziehungsweise von 140 Gramm pro Tag auf ca. 40 Gramm pro Tag. Der restliche Energiebedarf wird durch Ketonkörpern gedeckt. Der Insulinspiegel fällt ab. Die Folge des längeranhaltenden Nahrungsmangels ist die Auszehrung oder Inanition. Sie kann zum völligen Kräfteverfall führen, der auch Kachexie genannt wird.
Abbau von Kohlenhydraten
Zunächst werden die kurzfristig zur Verfügung stehenden Energiereserven des Menschen in Anspruch genommen. Dazu gehört das Glykogen („Stärke“) der Leber, Nieren und der Muskeln, das in Traubenzucker umgewandelt wird. Das Muskelglykogen spielt möglicherweise nur eine Rolle als Energiereserve für die Muskeln selbst, da dort die Glucose-6-Phosphatase fehlt. Diese schnell zur Verfügung stehenden Energiereserven liegen bei zirka 6.700 Kilojoule (1.600 Kilokalorien) und sind innerhalb eines Tages verbraucht. Die Alkalireserven des Körpers sinken ab, der pH-Wert sinkt; es kommt also zu einer Ansäuerung. Diese metabolische Azidose (hier Hungerazidose) durch Anstieg freier Säuren ähnelt der Azidose bei der schweren unbehandelten Zuckerkrankheit. Der Körper verliert Wasser. Das Körpergewicht reduziert sich anfangs stark (ungefähr ein Kilogramm pro Tag), später weniger stark (bis etwa 500 Gramm pro Tag).
Abbau von Proteinen
Nach der Mobilisierung der schnell zur Verfügung stehenden Energiereserven kommt es zu einem Eiweißabbau von etwa 50 bis 70 Gramm pro Tag. Vor allem Muskelproteine werden abgebaut, aber auch Proteine in anderen Zellen. Nach etwa zwei Wochen stellt sich der Stoffwechsel auf einen "Eiweißsparmechanismus" um. Die abgebauten Eiweiße werden im Sinne des Katabolismus entweder direkt verstoffwechselt oder zur Glucogenese aus Aminosäuren genutzt. Der anschließend verminderte Eiweißabbau (im Bereich von 20 bis 25 Gramm pro Tag) führt zu einer verminderten Harnstoffauscheidung (Harnstoff = Eiweißabbauprodukt) über den Urin. Durch Reduktion der Eiweißkonzentration im Blut (Hypoproteinämie) kommt zur Ausbildung von sogenannten Hungerödemen durch Wasseransammlung im Gewebe. Der Eiweißverlust wirkt sich negativ auf das Immunsystem aus: Es hat sich gezeigt, dass es während des Fastens häufiger zu Infekten kommt beziehungsweise dass sich bestehende Infekte verschlimmern oder manifest werden können. Leichtes Bewegungstraining in der Fastenzeit soll den Eiweißverlust in der Muskulatur vermindern können.
Der Verlust an Muskelmasse, wobei auch der Herzmuskel betroffen ist, beträgt etwa 25 Prozent des gesamten Gewichtsverlustes. Die Plasmaeiweißhalbwertszeit beträgt etwa zwei Wochen, die Halbwertszeit für das Gerüst- und Bindegewebseiweiß beträgt etwa 160 Tage. Nach sehr langem Hungern, etwa dann, wenn ein Drittel bis die Hälfte des gesamten Körpereiweißes abgebaut ist, kommt es zum Tode durch Verhungern[2].
Abbau der Lipide
Fett – hier hauptsächlich die Triglyceride – wird erst ab der ersten Woche nach Fastenbeginn abgebaut. Allerdings wird auch die Meinung vertreten, dass der Fettabbau schon nach dem Glykogenabbau beginnen soll und parallel zum Eiweißabbau verläuft. Der Fettabbau (Lipolyse) führt zur Bildung der Ketonkörper Acetoacetat und Betahydroxybuttersäure.
Frauen, Kinder
Aufgrund hormoneller Änderungen kommt es bei Frauen zu Veränderungen bei der Menstruation bis zum völligen Ausbleiben. Bei Kindern sind Störungen im Körperwachstum wahrscheinlich.
Es konnte statistisch nachgewiesen werden, dass die Mehrheit der schwangeren muslimischen Frauen während des Ramadan fastet, obwohl das islamische Fastengebot für Schwangere und Kinder nicht gilt. Dadurch werden das Geburtsgewicht und die Länge der Schwangerschaft reduziert, körperliche und insbesondere geistige Behinderungen werden wahrscheinlicher.[3]
Theorien zur Überlebensdauer ohne Nahrung
Ohne Wasser kommt es unter normalen Umgebungstemperaturen bei einem gesunden Menschen nach etwa drei bis vier Tage zum Verdursten. Diese Zeitspanne ist aber stark temperaturabhängig: So gibt es einen Bericht über eine Touristin, die in Australien innerhalb eines einzigen heißen Tages verdurstete. Andererseits konnten neufundländische schiffbrüchige Fischer im Winter angeblich über zehn Tage ohne Wasser überleben.
Zum Hungern findet man in der Literatur unterschiedliche Angaben. Es muss hier genau unterschieden werden, ob es sich um das Weglassen von Energieträgern alleine handelt oder ob Vitamine oder Mineralien zur Verfügung stehen. Bei der Nulldiät fehlen beispielsweise nur die chemischen Energieträger in der Nahrung. Gesunde Menschen können zwischen 30 und 200 Tagen ohne Nahrung überleben, wenn genug Wasser zur Verfügung steht.
JM Olefsky (Endokrinologe an der UC San Diego) schätzt die Überlebenszeit bei einem normalgewichtigen Menschen auf etwa 60 Tage[4], Walter Siegenthaler gibt etwa 50 bis 80 Tage Überlebenszeit bei völligen Fasten an, Wasser und Vitaminzufuhr vorausgesetzt. Übergewichtige sollen unter diesen Bedingungen schon 200 Tage überstanden haben.[2] Jedes Kilogramm Körperfett hat einen physiologischen Brennwert von etwa 30 Megajoule (7.000 Kilokalorien) Energie. Normalgewichtigen unterstellt er etwa zehn Kilogramm Körperfett. Unter medizinischer Kontrolle hielt A. Brauchle 1957 ein Fasten für einen Zeitraum von acht bis 21 Tagen für vertretbar. Ein gleichzeitiges Angebot an Frucht- und Gemüsesäften (sogenannte Saftdiät) wird dabei vorausgesetzt. Einige Hungerstreikende haben 50 bis 70 Tage überlebt. Bobby Sands, ein IRA-Hungerstreikender, überlebte 66 Tage und Holger Meins 57 Tage im Jahre 1974, wobei er gegen seinen ausdrücklichen Willen unter Gewaltanwendung ernährt wurde und letztendlich an den Folgen des Hungerstreiks starb.
Marasmus
Der Begriff Marasmus bezeichnet den schwersten Grad der Unterernährung mit Atrophien bei Kalorienmangel. Vor dem Tode zeigen sich schwere Durchfälle. Viele Verhungernde versterben an den Folgen ihrer durch Eiweißmangel bedingten Infektionen. Es gibt auch Berichte über einen plötzlichen Herztod bei Hungernden (Vermutungen auf Herzrhythmusstörungen durch Kaliummangel). Wenn der Blutzuckerspiegel unter 10 mg/100 ml absinkt, kommt es zum Koma. Ab Werten unter etwa 30 mg/100 ml nimmt die Hirnleistung deutlich ab, es treten Verwirrtheit, Angst und Depression auf. Bei sehr niedrigen Glukosewerten kann es zu Spasmen und unkontrollierten Bewegungen kommen.
Körpergewicht beim Hungern
Die messbare Abnahme des Körpergewichts hängt vom Ausgangsgewicht ab und liegt bei etwa 200 bis 500 Gramm pro Tag. Nach zwei Tagen ist ein Verlust von bis zu zwei Kilo zu bemerken, was hauptsächlich auf den Wasserverlust zurückzuführen ist. Nach einer Woche kann sich das Körpergewicht um 13, nach einem Monat um bis zu 21 Prozent reduzieren.
Belege
- ↑ Martin, Joseph B. 1977 (Clinical Neuroendocrinology)
- ↑ 2,0 2,1 Siegenthaler, Walter (Hrsg.): Klinische Pathophysiologie. 6. Auflage. Thieme, Stuttgart; New York 1987, ISBN 3-13-449606-2.
- ↑ Almond, Douglas & Mazumder, Bhashkar (2009): Health Capital and the Prenatal Environment: The Effect of Material Fasting During Pregnancy. Working Paper 14428, National Bureau of Economic Research.
- ↑ Wilson, Jean Donald (Hrsg.): Harrison's principles of internal medicine. 12. Auflage. McGraw-Hill, New York 1991, ISBN 0-07-070890-8, S. 411.
Siehe auch
- Hungerstreik
- Lichtnahrung