Irenäus Eibl-Eibesfeldt


Irenäus Eibl-Eibesfeldt (Mitte), 2009

Irenäus Eibl-Eibesfeldt (* 15. Juni 1928 in Wien) ist ein österreichischer Verhaltensforscher.

Er war Schüler von Konrad Lorenz und baute mit diesem sowie mit Ilse Prechtl und Wolfgang Schleidt zunächst die Max-Planck-Forschungsstelle für Vergleichende Verhaltensforschung in Buldern (Westfalen), ab 1956 das Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie in Seewiesen (Bayern) auf. Er betrieb umfangreiche Forschungen zur Ethologie und Humanethologie, die er als selbstständigen Forschungszweig begründete. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze, unter anderem zur Grenze zwischen angeborenem und erlerntem Verhalten bei Tier und Mensch sowie zu Universalien im menschlichen Verhalten.

Leben

Von 1945 bis 1949 studierte Irenäus Eibl-Eibesfeldt Zoologie und Botanik an der Universität Wien und war von 1946 bis 1949 Mitarbeiter an der Biologischen Station Wilhelminenberg. Er legte die Lehramtsprüfung für Naturgeschichte und Physik ab und wurde zum Dr. phil. promoviert.[1] Danach ging er (bis 1950) nach Altenberg (Niederösterreich) zum privaten Institut für Verhaltensforschung von Konrad Lorenz. Mit diesem wechselte er 1951 zur entstehenden Forschungsstelle für Vergleichende Verhaltensforschung am damaligen Max-Planck-Institut für Meeresbiologie im westfälischen Buldern. Ab 1956 war er im neugegründeten Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie im bayrischen Seewiesen tätig.

1953 und 1957 begleitete Eibl-Eibesfeldt Hans Hass auf dessen Reisen in die Karibik und zu den Galápagos-Inseln und setzte sich in der Folge für die Erhaltung der natürlichen Ökosysteme ein. In einer Denkschrift unterbreitete er 1955 der UNESCO und der IUCN seine Vorschläge zum Schutz der bedrohten Fauna und Flora der Inseln, die er 1957 im Auftrag der UNESCO erneut bereiste. Seine Initiativen führten zur Gründung der Charles-Darwin-Forschungsstation auf Santa Cruz und zur Einrichtung von Schutzgebieten.[2][3] Die Expeditionen weckten sein Interesse daran, das menschliche Verhalten im Allgemeinen und die angeborenen Verhaltensweisen im Besonderen zu erforschen. Während zahlreicher Forschungsaufenthalte in Afrika, Südamerika und Ostasien untersuchte er unter anderem die Mimik diverser Volksstämme und wies Universalien nach, also universelle und mutmaßlich angeborene Gemeinsamkeiten, etwa beim Zeigen von Wut,[4] Trauer, Erstaunen, Verlegenheit, Freude und selbst beim Grüßen (siehe: Augengruß). Aus seinen Forschungsansätzen entwickelte sich mit der Humanethologie eine neue wissenschaftliche Disziplin.

Ab 1963 lehrte Eibl-Eibesfeldt zudem als Privatdozent an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1969 wurde er dort zum außerplanmäßigen Professor für Zoologie ernannt und 1996 emeritiert. Seit 1997 ist er Ordentliches Mitglied des Humanwissenschaftlichen Zentrums (HWZ) der Münchner Universität.

1970 wurde Irenäus Eibl-Eibesfeldt in Seewiesen Leiter der Arbeitsgruppe für Humanethologie. 1971 erhielt er die Goldene Bölsche-Medaille der Kosmos-Gesellschaft. 1972 gründete er zusammen mit namhaften deutschen, österreichischen und Schweizer Naturwissenschaftlern und Publizisten wie Konrad Lorenz, Otto Koenig, Paul Leyhausen, Bernhard Grzimek, Horst Stern, Heinz Sielmann, Josef H. Reichholf und anderen die Gruppe Ökologie. Ab 1975 leitete er bis 1996 die selbstständige Forschungsstelle für Humanethologie der Max-Planck-Gesellschaft in Seewiesen, aus der 2004 das Max-Planck-Institut für Ornithologie hervorgegangen ist.

Eibl-Eibesfeldt ist Mitglied zahlreicher in- und ausländischer wissenschaftlicher Institutionen, darunter der Deutschen Zoologischen Gesellschaft, der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, der American Association for the Advancement of Science, der Australian Forensic Society, der Südwestafrikanischen Wissenschaftlichen Gesellschaft und der Polnischen Akademie für Sexualforschung. Von 1986 bis 1993 war er Präsident der International Society for Human Ethology. 1990 gehörte er zu den Gründern der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste und der Konrad-Lorenz-Gesellschaft für Umwelt- und Verhaltenskunde e.V. Zeitweilig war er auch Direktor des von ihm mitgegründeten Ludwig-Boltzmann-Instituts für Stadtethologie in Wien. Seit 1998 ist er zudem Beiratsmitglied der Heinz-Sielmann-Stiftung.

1995 wurde Eibl-Eibesfeldt mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet, 1998 mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse. Er ist Ehrendoktor der Universitäten Salamanca und Bologna.

Kritik

Eibl-Eibesfeldt ist als „führender Verhaltensforscher“ anerkannt; zugleich wird ihm vorgeworfen, „seinen Ruf aber auch vielfach zur Unterstützung fremdenfeindlicher Ideologien eingesetzt“ zu haben.[5] Dabei steht Eibl-Eibesfeldts Überzeugung, Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung an Tieren ließen sich teilweise auf die Menschen übertragen[6] und es gebe eine dem Menschen angeborene "Fremdenfurcht"[7][8] im Mittelpunkt der Kritik.[9] Der Spiegel bezeichnete 1989 Eibl-Eibesfeldt Thesen von der den Menschen angeborenen "Fremdenfurcht" als „chauvinistisch“.[10] Wie seinem „väterlichen Freund Konrad Lorenz“[11] wird ihm vorgeworfen, anthropologische Begründungen für gesellschaftlich bedingte Verhaltensweisen und einen biologischen Reduktionismus zu vertreten. Der Spiegel kritisierte, Eibl-Eibesfeldt verbreite dadurch „chauvinistische Thesen“.

1998 lieferte Eibl-Eibesfeldt manchen Kritikern neuen Anlass für Vorwürfe, als er sich in seinem Buch In der Falle des Kurzzeitdenkens „im Interesse der Erhaltung des Friedens“ unter anderem darum sorgte, dass „die Politiker einer Hilfe leistenden Gemeinschaft die Identität ihrer politischen Gemeinschaft“ nehmen könnten: „Das macht eine Begrenzung der Immigration aus kulturell und anthropologisch ferner stehenden Populationen notwendig.“[12] Bereits in früheren Essays war seine Verwendung des Begriffs "kulturferne Ausländer" für Einwanderer vor allem aus der Dritten Welt[13] auf Kritik seitens Soziologen und Sozialpsychologen gestoßen.[14]

Auszeichnungen (Auswahl)

  • 1971 Goldene Bölsche-Medaille der Kosmos-Gesellschaft für Verdienste um die Verbreitung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse
  • 1981 Burda-Preis für Kommunikationsforschung
  • 1988 Philip Morris Forschungspreis
  • 1989 Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold
  • 1994 Verleihung der Ehrendoktorwürde für Philosophie der Universität Salamanca, Spanien
  • 1995 Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
  • 1996 Nationalparklibelle in Gold mit Rubinen und Brillanten für außerordentliche Verdienste um den internationalen Naturschutz, verliehen vom Naturhistorischen Museum/Wien und der Nationalpark-Akademie Donauauen/Wien
  • 1996 Schwenk’scher Umweltpreis der Stadt Ebersberg
  • 1997 Gold-Medaille der Dres. Haackert Stiftung, verliehen für hervorragende Verdienste um die Erforschung des menschlichen Verhaltens
  • 1997 Bayerischer Verdienstorden
  • 1997 Jahrespreis der Stiftung für Abendländische Besinnung (STAB) aus Zürich.
  • 1998 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse
  • 1998 Inge und Werner Grüter-Preis für gelungene Wissenschaftsvermittlung für Verdienste um die Meeresbiologie und Riffforschung
  • 1999 "Premio Catedra Santiago Grisolía" für die Verdienste um die Erforschung der Ethologie des Menschen und der Aggressivität
  • 1999 "Al mérito", verliehen von der Charles Darwin Foundation, Ecuador
  • 2001 Ehrenpreis der Heinz-Sielmann-Stiftung für den Einsatz für den Naturschutz, vor allem auf den Galápagos-Inseln
  • 2003 Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien
  • 2005 Verleihung der Ehrendoktorwürde für Psychologie der Universität Bologna, Italien

Schriften

Ein umfassendes Schriftenverzeichnis (1947–2005) findet sich auf den Webseiten des Max-Planck-Instituts für Ornithologie.[15]

  • Galápagos: Die Arche Noah im Pazifik. Piper, München 1960. (Aktualisierte Taschenbuchausgabe. Serie Piper, Band 1232. Zweite Auflage. Piper, München 1977, ISBN 3-492-21232-8).
  • Im Reich der tausend Atolle: Als Tierpsychologe in den Korallenriffen der Malediven und Nikobaren. Piper, München 1964. (Taschenbuchausgabe. Serie DTV, Band 769. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1971, ISBN 3-423-00769-9).
  • Grundriß der vergleichenden Verhaltensforschung. Piper, München 1967. (Achte überarbeitete Auflage, genehmigte Sonderausgabe. Blank Media, München 2004, ISBN 3-937501-02-9).
  • Liebe und Haß. Zur Naturgeschichte elementarer Verhaltensweisen. Piper, München 1970. (Erweiterte Taschenbuchausgabe. Serie Piper, Band 113. Zwölfte Auflage. Piper, München 1998, ISBN 3-492-20113-X).
  • Die {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value)-Buschmann-Gesellschaft. Gruppenbindung und Aggressionskontrolle bei einem Jäger- und Sammlervolk. Monographien zur Humanethologie, Band 1, ZDB-ID 184306-0. Piper, Köln 1972, ISBN 3-492-01948-X.
  • Der vorprogrammierte Mensch. Das Ererbte als bestimmender Faktor im menschlichen Verhalten. Molden, Wien/ Zürich/ München 1973, ISBN 3-217-00568-6.
  • Krieg und Frieden aus der Sicht der Verhaltensforschung. Piper, München 1975, ISBN 3-492-02118-2.
  • Menschenforschung auf neuen Wegen: Die naturwissenschaftliche Betrachtung kultureller Verhaltensweisen. Molden, Wien (u.a.) 1976, ISBN 3-217-00622-4.
  • Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Grundriß der Humanethologie. Piper, München 1984, ISBN 3-492-02687-7.
  • Der Mensch, das riskierte Wesen. Zur Naturgeschichte menschlicher Unvernunft. Piper, München 1988, ISBN 3-492-03014-9.
  • Und grün des Lebens goldner Baum. Erfahrungen eines Naturforschers. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1992, ISBN 3-462-02231-8.
  • —, Christa Sütterlin: Im Banne der Angst. Zur Natur- und Kunstgeschichte menschlicher Abwehrsymbolik. Piper, München (u.a.) 1992, ISBN 3-492-03387-3.
  • Wider die Mißtrauensgesellschaft. Streitschrift für eine bessere Zukunft. Piper, München 1994, ISBN 3-492-03682-1.
  • In der Falle des Kurzzeitdenkens. Piper, München 1998, ISBN 3-492-03315-6.
  • —, Gabriele Herzog-Schröder, Marie-Claude Matteí-Müller: Yanomami. Humanethologische Begleitpublikationen. Publikationen zu wissenschaftlichen Filmen, Ethnologie, Sonderband 10.2001, ZDB-ID 2023072-2. Institut für den Wissenschaftlichen Film, Göttingen 2001, ISBN 3-88222-080-5.
  • —, Christa Sütterlin: Weltsprache Kunst. Zur Natur- und Kunstgeschichte bildlicher Kommunikation. Erste Auflage. Christian-Brandstätter-Verlag, München 2007, ISBN 978-3-85033-093-0.
  • Was ist Leben? Entstehung – Erforschung – Erhaltung. Antal-Festetics-Festschrift. Neumann-Neudamm, Melsungen 2010, ISBN 978-3-7888-1355-0. – Inhaltsverzeichnis online.
  • Sternstunden der Verhaltensevolution. In: Michael Kaasch (Hrsg.), Joachim Kaasch (Hrsg.): Das Werden des Lebendigen. Beiträge zur 18. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie e.V. (DGGTB) in Halle (Saale) 2009. Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, Band 16, ZDB-ID 1461546-0. VWB (Verlag für Wissenschaft und Bildung), Berlin 2010, ISBN 978-3-86135-396-6, S. 29–52.

Literatur

Kritische Auseinandersetzungen

  • Gerhard Roth (Hrsg.): Kritik der Verhaltensforschung. Konrad Lorenz und seine Schule. Beck, München 1974, ISBN 3-406-04909-5.
  • Ingo Loose: „Ein feste Burg…“ Wie eine Süddeutsche Zeitung das Hohelied von der „Festung Europa“ singt. Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS), Duisburg 1993 (DISS-Texte, Band 26), ISBN 3-927388-35-1.

Ethologie und Kunst

  • Johann Grolle: Baukasten des Verhaltens. In: Der Spiegel. 2007, Nr. 41, ISSN 0038-7452, S. 182 f. .

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dissertation: Paarungsbiologie der Erdkröte (Bufo bufo L.). Universität Wien, Wien 1949, ÖNB.
  2. „Galapagos braucht weiterhin Schutz" (Interview mit Irenäus Eibl-Eibesfeldt), Süddeutsche Zeitung vom 7. April 2007, Abt. Wissenschaft, S. 24.
  3. Michael Globig: Die Rettung der Arche Noah. MaxPlanckForschung 2007, Heft 3, S. 58 f. (pdf, 325 KB)
  4. Siehe Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Grundriß der Humanethologie. Piper, München 1984, S. 597 ff.; ferner Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Liebe und Haß. Zur Naturgeschichte elementarer Verhaltensweisen, Piper, München 7. Aufl. 1976, S. 28–30.
  5. Josef Berghold: Feindbilder und Verständigung: Grundfragen der politischen Psychologie. Wiesbaden 2005, S. 151.
  6. Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Zur Problematik einer multiethnischen Immigrationsgesellschaft. Überlegungen zu Xenophobie und Territorialität. In: Wilhelm Ockenfels (Hrsg.): Problemfall Völkerwanderung. Migration - Asyl - Integration. Veröffentlichung der Internationalen Stiftung HUMANUM, München 1994, S. 37–61.
  7. Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Fremdenfurcht und Ausgrenzung. In: Magazin der Süddeutschen Zeitung, Ausgabe 9, 1992, S. 52.
  8. Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Grundriß der Humanethologie. Piper, München 1984, S. 223 und S. 476.
  9. Ingo Loose: „Ein feste Burg…“ Wie eine Süddeutsche Zeitung das Hohelied von der „Festung Europa“ singt. Duisburg 1993 (DISS-Texte, Band 26), S. 11. Vgl. dazu auch die Anmerkung des DISS: „Die Analyse eines Artikels des Verhaltensforschers Irenäus Eibl-Eibesfeldt aus dem Magazin der Süddeutschen Zeitung zeigt, auf welche Weise vorhandene Feindseligkeiten Ausländern gegenüber zu ‚archaischen Abwehrreaktionen‘ gemacht werden, die zur Verteidigung des Lebensraumes unvermeidlich seien.“ (online).
  10. Marielouise Janssen-Jurreit: Kampf der Wiegen unausweichlich. In: Der Spiegel. Nr. 6, 1989, S. 197–200 (online). Zitat: „Ob Eibl-Eibesfeldt seine chauvinistischen Thesen von der angeborenen Fremdenfeindlichkeit zu Ende gedacht hat, darf bezweifelt werden“
  11. Widmung in Eibl-Eibelfeldts Standardwerk Grundriß der Vergleichenden Verhaltensforschung
  12. In der Falle des Kurzzeitdenkens. München 1998, S. 182.
  13. Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Ist der Mensch paradiesfähig? Antworten. Berliner Debatte INITIAL 2/1992, auch gedruckt in: Herbert Huber (Hrsg.): Sittliche Bildung. Ethik in Erziehung und Unterricht. Asendorf 1993, S. 31–52.
  14. Ein Überblick bei Gudrun Hentges: Rassismus - Streit um die Ursachen. In: DGB-Bildungswerk Thüringen (Hrsg.): Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsforschung. Erfurt 1998, S. 87–90. (CD-Rom-Fassung von 2005 hier online (als PDF)).
  15. Publikationen von Irenäus Eibl-Eibesfeldt (abgerufen am 5. September 2010)