Marmorkrebs



Marmorkrebs

Marmorkrebs (Wildfang aus Süddeutschland)

Systematik
Unterordnung: Pleocyemata
Teilordnung: Großkrebse (Astacidea)
Überfamilie: Flusskrebse (Astacoidea)
Familie: Cambaridae
Gattung: Procambarus
Art: Marmorkrebs
Wissenschaftlicher Name
Procambarus fallax forma virginalis
Martin et al. 2010

Der Marmorkrebs (Procambarus fallax forma virginalis) ist ein Flusskrebs, der zunächst nur als Aquarienbewohner in Deutschland bekannt geworden ist[1] und der als wildlebende Art unbekannt war. Spätere morphologische Untersuchungen und DNA-Analysen zeigten, dass es sich um eine ungeschlechtliche (parthenogenetische) Form der nordamerikanischen Art Procambarus fallax handelt[2]. Namensgebend ist der marmoriert gezeichnete Carapax. Der Krebs wird bis zu 15 cm (in der Regel 12 cm) lang. Er erreicht ein Lebendgewicht von 15, ausnahmsweise bis 25 Gramm. Seine normale Lebensdauer beträgt etwa zwei Jahre, der Rekord liegt bei 1610 Tagen[3].

Vermehrung

Der Krebs vermehrt sich als einziger derzeit bekannter Flusskrebs durch Parthenogenese (Jungfernzeugung), Männchen sind unbekannt. Es handelt sich dabei um die "apomiktische" Form der Parthenogenese, das bedeutet, die Meiose fällt bei der Eibildung völlig aus. Warum und auf welchem Wege diese Fortpflanzungsart bei dieser (und nur bei dieser) Flusskrebsart aufgetreten ist, ist bisher unklar. Einige Hypothesen, so die Entstehung durch Hybridisierung oder Infektion durch das Bakterium Wolbachia, die bei anderen Arten bekanntermaßen Parthenogenese verursacht haben, konnten ausgeschlossen werden.

Aus den Ovarien entwickeln sich reifende Eier, aus welchen je nach Wasserertemperatur und –qualität (Sauerstoffgehalt) nach 3–6 Wochen ca. 120 Jungtiere schlüpfen (Rekordwert: 427), und dies im Aquarium ganzjährig alle 8 Wochen[4]. Die Eier werden nach der Ablage an den Pleopoden auf der Hinterleibs-(Pleon-)unterseite der Muttertiere befestigt. Die Weibchen nehmen in dieser Zeit keine Nahrung zu sich und suchen Verstecke auf. Die geschlüpften Jungtiere haben eine Körperlänge von etwa 4 mm. Die ersten beiden Jugendstadien nehmen keine Nahrung zu sich und verbleiben auf dem Muttertier. Nach dem Schlüpfen häuten sich die Jungtiere regelmäßig, bis sie im Alter von ca. 4 Monaten nach ca. 15 Häutungen selbst die Geschlechtsreife erlangen. Die normale Generationsdauer ist etwa sechs Monate. Ein einzelnes Weibchen kann bis zu sieben Mal Eier produzieren, es häutet sich im adulten Stadium noch bis zu zehnmal.

Obwohl alle Jungtiere aufgrund der Vermehrungsweise genetisch identisch sind, unterscheiden sie sich im Phänotyp merklich. So wies z.B. jedes von etlichen Hundert untersuchten Jungtieren eine individuelle Zeichnung auf[5].

Nahrung

Jungtier
Jungtiere
Larve im Zoea-Stadium; Länge etwa 2 mm

Der Marmorkrebs ist ein Allesfresser, wobei pflanzliche Nahrung überwiegt. In aquaristischer Haltung werden gewöhnlich Flockenfutter, Eichen- und Buchenblätter gefüttert. Es wurde kein ausgeprägtes räuberisches Verhalten beobachtet, allerdings werden kranke und einige bodenlebende Fische in Aquarien, wie z.B. kleinere Welsarten (z. B. Otocinclus), erbeutet. Der Umgang mit der Aquarien-Bepflanzung wird recht unterschiedlich geschildert [6].

Ökologische Aspekte

Der Marmorkrebs ist heute in der Aquaristik weltweit verbreitet. Zusätzlich ist er in vielen Gebieten der Erde auch als Neozoon zu finden, so auch in Mitteleuropa. Zur Zeit existieren aus Europa 15 Nachweisorte im Freiland, davon 13 nach 2008. Mindestens sechs davon sind etablierte, sich fortpflanzende Populationen. Marmorkrebse sind aus einer Vielzahl von Gewässern bekannt, darunter fließende und stehende, einschließlich Gartenteichen. Sie können sich bei feuchter Witterung auch längere Strecken über Land bewegen, so wurde ein Exemplar in einer Straßenunterführung abseits von Gewässern gefunden. Zentrum der Einschleppung ist Deutschland, wo er nach Norden bis in die Tiefebene vorkommt, daneben existieren einzelne Funde aus Italien und der Slowakei[7] Da er die Krebspest übertragen kann und ökologische Ressourcen raubt, stellt er eine immense Bedrohung für heimische Krebsarten wie beispielsweise den Edelkrebs (Astacus astacus) oder den Galizierkrebs (Astacus leptodactylus) dar. Ein Aussetzen von Marmorkrebsen in die freie Natur oder eine „Lebendverklappung“ via Toilette hat aus der Sicht des Artenschützers katastrophale Auswirkungen. In Madagaskar wurden durch die drastische Vermehrung eingeschleppter Marmorkrebse weitreichende Folgen für die einheimische Flora und Fauna beobachtet.[8]. Inzwischen wurde auch in Japan ein erstes Vorkommen bekannt.

Eine biologische Kuriosität

Kurioserweise wurde die „Art“ erst Mitte der 1990er Jahre in deutschen Aquaristikhandlungen entdeckt – mit nicht mehr rekonstruierbarem Ursprung. Die Ursprungsart Procambarus fallax, kommt in Nordamerika vor. P. fallax vermehrt sich jedoch getrenntgeschlechtlich und zeigt auch einen anderen Habitus.

Der Marmorkrebs ist als Zuchtprodukt ein Anökozoon, das heißt ein Neozoon, das unter menschlichem Einfluss entstand.[9]

Aufgrund der leichten Zucht und der Tatsache, dass alle Nachkommen genetisch identisch zum Muttertier (d.h. Klone) sind, ist der Marmorkrebs inzwischen zu einem beliebten Modellorganismus im Labor geworden[10].

Quellen

  1. Chris Lukhaup (2001): Procambarus sp., der Marmorkrebs - Ein dankbarer Aquarienbewohner. Aquaristik aktuell 4/2001: 48-51.
  2. Peer Martin, Nathan J. Dorn, Tadashi Kawai, Craig van der Heiden, Gerhard Scholtz (2010): The enigmatic Marmorkrebs (marbled crayfish) is the parthenogenetic form of Procambarus fallax (Hagen, 1870). In: Contributions to Zoology. 79 (3) (online)
  3. Günter Vogt(2010): Suitability of the clonal marbled crayfish for biogerontological research: a review and perspective, with remarks on some further crustaceans. Biogerontology 11: 643–669.doi:10.1007/s10522-010-9291-6
  4. Artbeschreibung auf wirbellose.de Gesammelte Erfahrungen der Arbeitsgemeinschaft Wirbellose Tiere der Binnengewässer (AGW)
  5. Günter Vogt (2008): The marbled crayfish: a new model organism for research on development, epigenetics and evolutionary biology. Journal of Zoology 276: 1–13. doi:10.1111/j.1469-7998.2008.00473.x
  6. Beobachtungen der AGW
  7. Christoph Chucholl, Katharina Morawetz, Harald Groß (2012): The clones are coming – strong increase in Marmorkrebs [Procambarus fallax (Hagen, 1870) f. virginalis] records from Europe. Aquatic Invasions (2012) Volume 7 (online before print) download
  8. Gefräßige Marmorkrebse bedrohen Madagaskar. Die Welt, 19. August 2010
  9. Kowarik, Ingo: Biologische Invasionen; Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa. 2. Auflage. Eugen Ulmer KG, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8001-5889-8. S. 348. Kowarik verweist auf: Marten, M., Werth, C. & Marten, D. (2004): Der Marmorkrebs (Cambaridae, Decapoda) in Deutschland - ein weiteres Neozoon im Rheineinzugsgebiet. Lauterbornia 50: 17-23
  10. Günter Vogt (2011): Marmorkrebs: Natural crayfish clone as emerging model for various biological disciplines. Journal of Biosciences 36(2): 377-382. doi:10.1007/s12038-011-9070-9

Weblinks

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