Mathematische Modellierung der Epidemiologie
Die meisten Infektionskrankheiten können mathematisch modelliert werden, um ihr epidemiologisches Verhalten zu untersuchen oder zu prognostizieren. Dieser Artikel führt in einige mögliche Denkweisen der mathematischen Epidemiologie ein und nutzt einige Grundannahmen und Mathematik, um Parameter für verschiedene Infektionskrankheiten zu finden. Mit diesen Parametern lassen sich beispielsweise Kalkulationen über die Auswirkung von Impfprogrammen aufstellen. Die hier verwendete Mathematik ist bewusst einfach gehalten. Am Ende des Artikels finden sich Verweise auf einige Modelle, die teilweise eine etwas anspruchsvollere mathematische Ausarbeitung zum Gegenstand haben.
Konzepte
Die Basisreproduktionsrate
Annahmen
- Es wird von einer rechteckigen Alterspyramide ausgegangen, wie sie typischerweise in entwickelten Ländern mit geringer Kindersterblichkeit und häufigem Erreichen der Lebenserwartung zu finden ist.
- Es wird eine homogene Mischung der Bevölkerung vorausgesetzt. Das heißt, dass die untersuchten Individuen Kontakte zufällig knüpfen und sich nicht überwiegend auf eine kleinere Gruppe beschränken. Diese Voraussetzung ist selten gerechtfertigt, sie ist jedoch zur Vereinfachung der Mathematik notwendig.
Der endemische Status
Eine Infektionskrankheit ist endemisch, wenn sie fortwährend ohne externe Einflüsse innerhalb einer Population existiert. Das bedeutet, dass im Mittel jede erkrankte Person genau eine weitere infiziert. Wäre dieser Wert geringer, würde die Krankheit aussterben, wäre er größer würde sie sich aufgrund exponentiellen Wachstums zu einer Epidemie entwickeln. Mathematisch betrachtet heißt das:
Damit eine Krankheit mit hoher Basisreproduktionsrate (unter Annahme nicht vorhandener Immunität) endemisch bleibt, muss daher zwangsläufig die Anzahl der tatsächlich Anfälligen gering sein.
Mit der oben getroffenen Voraussetzung über die Alterspyramide lässt sich annehmen, dass jedes Individuum der Population exakt die Lebenserwartung
Im endemischen Fall gilt jedoch auch:
Damit gilt
was eine Abschätzung der Basisreproduktionsrate durch leicht ermittelbare Daten ermöglicht.
Für eine Bevölkerung mit exponentieller Alterspyramide zeigt sich, dass
Die hierbei verwendete Mathematik ist komplexer und somit außerhalb des Rahmens dieser Betrachtung.
Die Mathematik der Impfungen
Wenn der immunisierte Anteil der Bevölkerung (bzw. die „Durchimpfung“) oberhalb des für Herdenimmunität notwendigen Grades liegt, kann eine Krankheit nicht in endemischem Zustand innerhalb dieser Population verbleiben. Ein Beispiel für einen weltweiten Erfolg auf diesem Wege ist die Ausrottung der Pocken, deren letzter Fall 1977 in Somalia dokumentiert wurde. Derzeit betreibt die WHO eine ähnliche Impfstrategie zur Ausrottung von Polio.
Der Grad der Kollektivimmunität wird als
erfüllt sein muss, ist
Dies ist der Schwellenwert der Kollektivimmunität, dieser muss übertroffen werden, damit die Krankheit ausstirbt. Der hier kalkulierte Wert ist die kritische Immunisierungsschwelle
Impfprogramm unterhalb der kritischen Immunisierungsschwelle
Sind verwendete Seren nicht hinreichend effektiv oder können nicht auf hinreichend breiter Front angewendet werden, beispielsweise aufgrund gesellschaftlichen Widerstands (siehe beispielsweise MMR-Impfstoff), so ist das Impfprogramm nicht in der Lage
Angenommen der bei Geburt immunisierte Anteil der Bevölkerung betrage
Diese Änderung findet schlicht aufgrund der gesunkenen Anzahl an potentiell Anfälligen statt.
Aufgrund dieser gesunkenen Basisreproduktionsrate verändert sich auch das durchschnittliche Alter
Nach obiger Relation, welche
Allerdings gilt
.
Somit erhöht das Impfprogramm das mittlere Infektionsalter. Ungeimpfte Individuen unterliegen nun durch Anwesenheit der geimpften Gruppe einer reduzierten Infektionsrate.
Dieser Effekt ist jedoch bei Krankheiten nachteilig, deren Verlauf mit steigendem Alter schwerwiegender wird. Bei einer hohen Wahrscheinlichkeit für tödliche Verläufe kann ein
Impfprogramme oberhalb der kritischen Immunisierungsschwelle
Überschreitet ein Impfprogramm die kritische Immunisierungsschwelle einer Population für eine signifikante Dauer, wird die Krankheit innerhalb dieser Bevölkerung gestoppt. Wird diese Eliminierung weltweit durchgeführt, führt sie ultimativ zur Ausrottung der Krankheit.
Siehe auch
Weblinks
- Scientific American (März 2005) If Smallpox Strikes Portland ... ein Artikel über Simulationen zu Epidemiausbreitungen (englisch)
- Institute for Emerging Infections der James Martin 21st Century School an der University of Oxford
- Center for Infectious Disease Dynamics der Pennsylvania State University
- Cambridge Infectious Diseases Consortium der University of Cambridge