Mundgefühl


Mundgefühl (englisch Mouthfeel) beschreibt die physikalischen und chemischen Interaktionen einer Substanz oder eines Substanzgemisches im Mund. Es ist ein Konstrukt, das in vielen Gebieten der geschmacklichen Testung und Bewertung wie der Weinprobe oder der Rheologie Verwendung findet.

Untersucht werden hierbei die Eindrücke vom ersten Gaumenkontakt über das Zerkauen bis zum Schlucken und dem Nachgeschmack. Das Mundgefühl ist häufig zur Wasseraktivität der Probe korreliert: Harte und knusprige Produkte haben eine geringere Wasseraktivität, weiche hingegen eine mittlere.

Ausprägungen von Mundgefühl

Häufig benutzte Ausprägungen von Mundgefühl in Bezug auf die Konsistenz von Essen:

  • Auskleidung des Mundes (Mouthcoating): Art und Ausmaß der Beschichtung von Zähnen und Schleimhaut des Mundraumes. Von Interesse ist meist die Auskleidung nach Zerkauen des Probe, also direkt vor dem Schlucken, bei flüssigen und insbesondere öligen Proben kann aber auch die Auskleidung nach Aufnahme von Interesse sein.
  • Dichte (Denseness): Dichte der Schnittfläche im Sinne einer Dichte der Packung, nachdem eine Probe mit den Backenzähnen vollständig durchtrennt wurde.
  • Elastizität (Bounce, Springiness): Fähigkeit der Probe, nach der Krafteinwirkung wieder in die ursprüngliche Form zurückzukehren.
  • Härte (Hardness): Maß für die benötigte Kraft, um die Probe um eine definierte Strecke zu deformieren. Hierunter fallen u.a. die an gegenüberliegenden Backenzähnen aufzuwendende Kraft, um den Kiefer zu schließen, wenn zwischen den entsprechenden Zahnreihen die Probe liegt. Aber auch die Kraft an den Schneidezähnen, die nötig ist, ein Stück aus der Probe zu entfernen, oder die Kraft, die nötig ist, um die Probe zwischen Zunge und Gaumen zu zerdrücken.
  • Feuchtigkeit (Wetness): Menge der an der Oberfläche der Probe wahrgenommenen Flüssigkeit.
  • Feuchtigkeitsfreisetzung (Moisture release): Menge der von der Probe freigesetzten Feuchtigkeit/Flüssigkeit.
  • Feuchtigkeits Absorption (Moisture absorption): Menge des durch die Probe aufgenommenen Speichels.
  • Gleichmäßigkeit (Uniformity): Beschreibt die Einheitlichkeit einer Probe (Geschmack, Textur, Farbe etc.).
  • Gleichmäßigkeit des Bisses (Uniformity of bite): Maß für die Konstanz der Kraft, die während des Abbeißvorgangs der Probe aufgebracht werden muss.
  • Gleichmäßigkeit des Kauens (Uniformity of chew): Grad, zu dem die Charakteristika des Kauens (aufzuwendende Kraft, Klebrigkeit der Probe etc.) während des Kauvorganges gleich bleiben.
  • Granularität (Granularity, Coarseness): Grad der während des Kauvorganges gefühlten Körnigkeit (s. u.).
  • Haftung (Adhesiveness): Die Kraft, die benötigt wird, um das zu testende Material von einer bestimmten Oberfläche (Lippen, Zähne, Gaumen etc.) zu entfernen.
  • Kaubarkeit (Chewiness): Anzahl der Kaubewegungen, die benötigt werden, um eine Probe in einen Zustand zu bringen, dass sie schluckbar wird. Häufig wird neben der Anzahl auch die Frequenz der Kaubewegungen gemessen.
  • Klebrigkeit (Gumminess): Die Energie, die benötigt wird, um das zu testende Material in einem Zustand zu bringen, dass es geschluckt werden kann.
  • Körnigkeit (Graininess): Grad, zu dem eine Probe kleine Partikel enthält. Dies können neben Getreideschrot auch andere Feststoffe (Kokosflocken, gefriergetrocknete Früchte etc.) sein. Eine direkte Essbarkeit muss nicht gegeben sein (z. B. Tee).
  • Kohäsion (Cohesiveness): Grad, bis zu dem sich eine Probe beim Kauen mit den Backenzähnen verformt, bevor sie zerreißt.
  • Rauheit (Roughness): Grad des gefühlten Abriebes, den die Probe auf der Zunge hinterlässt.
  • Rutschigkeit (Slipperiness): Ausmaß, in dem die Probe über die Zunge gleitet.
  • Schwere (Heaviness): Beim ersten Kontakt auf der Zunge gefühltes Gewicht der Probe.
  • Trockenheit (Dryness): Grad, der angibt, wie trocken sich die Probe im Mund anfühlt. Dies hat nicht unbedingt etwas mit dem Flüssigkeitsgehalt der Probe zu tun, z.B. trockener Wein, trockener Martini.
  • Viskosität (Viscosity): Die benötigte Kraft, um eine Flüssigkeit mit der Zunge von einem Löffel aufzunehmen.
  • Weichheit (Smoothness): Abwesenheit von spürbarer Granularität, also Homogenität, der Probe.
  • Zerkleinerbarkeit (Fracturability): Die Kraft, die benötigt wird, damit die Probe zerbricht, zerkrümelt oder zerspringt. Dies schließt Knusprigkeit (z. B. Chips) und Knackigkeit (z. B. Apfel) mit ein.

Siehe auch

  • Textur (Wein), zum Spezialfall der Önologie

Literatur

  • Dollase, Jürgen, Geschmacksschule, 2005, 191 Seiten, Tre Tori, Wiesbaden, ISBN 3937963200.
  • Robinson, Jancis: Der Degustationskurs. 2. Auflage 2003, 208 Seiten, Gräfe & Unzer: München. ISBN 3-7742-0893-X
  • McKenna, Brian M. (Editor): Texture in Food, Volume 1: Semi-solid Foods, 2003,425 Seiten, Woodhead Publishing Ltd., ISBN 185573673x.
  • Kilcast, David (Editor): Texture in Food, Volume 2: Solid Foods, 2004, 537 Seiten, Woodhead Publishing Ltd., ISBN 1855737248.