Schluckakt


Der Schluckakt ist ein komplexer Vorgang, der dazu dient, Nahrung und Speichel so aus der Mundhöhle in den Magen zu befördern, dass die Luftwege dabei geschützt bleiben.

Der Schluckakt wird zunächst willkürlich vorbereitet. Durch Reizung des Zungengrunds wird der Schluckreflex ausgelöst, womit sich die anschließenden Vorgänge der willentlichen Beeinflussung entziehen. Beeinträchtigungen des Schluckakts werden als Schluckstörung bezeichnet.

Mundhöhle, Rachen und Beginn der Speiseröhre
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Anatomie und Physiologie

Durchschnittlich kommt es beim Menschen täglich zu 1000 bis 3000 Schluckvorgängen[1] (in der Schlafphase wesentlich seltener als in der Wachphase).

Am Schluckvorgang sind die anatomischen Strukturen der Mundhöhle bzw. ihrer Begrenzungen, des Rachens und Kehlkopfs, der Speiseröhre und des Magens beteiligt. Koordiniert wird das Zusammenwirken der beteiligten 26 Muskelpaare durch das Schluckzentrum im Hirnstamm und höhere suprabulbäre und kortikale Zentren.

Die fünf beteiligten Hirnnervenpaare sind

Die beteiligten drei Zervikalnerven stammen aus den Segmenten C1 bis C3.

Die Funktion des Schluckvorgangs besteht nicht nur im Transport des Nahrungsbolus in den Magen, sondern dient auch der Reinigung der Speiseröhre, insbesondere der Beseitigung der in die Speiseröhre gelangten Magensäure. Die vermehrten nächtlichen Beschwerden bei einer Refluxkrankheit können somit zum Teil auch auf die verringerte Frequenz der Schlucktätigkeit in der Nacht zurückgeführt werden.

Die Schluckgröße variiert stark und ist von der Art der Nahrung abhängig. Pro Schluck können etwa 20 g wässriger Nahrungsbrei oder maximal 40 ml Flüssigkeit (hastiges Trinken) aufgenommen werden. (Um einen Bezugsrahmen zu schaffen: Ein Suppenlöffel enthält 10 ml.)

Beim Essen ist die Schluckdauer davon abhängig, wie gut der Bissen gekaut und mit Speichel vermischt wurde. Die Passagezeit durch die Speiseröhre beträgt etwa 8–20 Sekunden.

Einzelne Phasen

Der Schluckakt im engeren Sinn besteht aus drei Transportphasen. Ebenso wichtig ist jedoch, was zuvor geschieht – besonders bei der Aufnahme fester Nahrung. Somit wird folgende Einteilung getroffen: Einer Vorbereitungsphase schließen sich Mund-, die Rachen- und schließlich die Speiseröhrephase an:

Orale Vorbereitungsphase

Mit der oralen Vorbereitungsphase werden jene Vorgänge zusammengefasst, die dem eigentlichen Schluckvorgang vorangehen und diesen erst ermöglichen. Ein Nahrungsbissen muss zunächst ausreichend klein sein, um ihn damit erst ausreichend kauen zu können. Dabei wird die zerkleinerte Nahrung mit Speichel durchmischt und gleitfähig gemacht. Vorbedingung sind somit die ungestörte Funktion unter anderem von Lippen, Zähnen und Zahnhalteapparat, Kiefergelenk und Kaumuskulatur sowie der Zunge und der Mundspeicheldrüsen.

Letztlich entsteht ein 5–20 ml großer Speisebolus.

Orale Transportphase

Diese Phase unterliegt nur noch zum Teil der willkürlichen Kontrolle: Während mit offenem Mund gekaut werden kann, werden jetzt die Lippen geschlossen, um einen Speichelverlust und das Schlucken von Luft (eine Aerophagie) zu vermeiden; der Wangenmuskel wird angespannt. Die Zunge wird zum Start des Schluckvorgangs gegen den harten Gaumen gedrückt – dieser dient somit als Widerlager – und der Bolus mit einer nach hinten gerichteten wellenförmigen Bewegung (unterstützt von Musculus styloglossus und Musculus hyoglossus, die die Zunge wie einen Stempel nach hinten ziehen) über die Rachenenge in den Rachen geschoben.

Der Schluckreflex wird erst ausgelöst, wenn Zungengrund oder Rachenhinterwand vom Speisebolus berührt werden. Ab diesem Zeitpunkt kann der weitere Vorgang nurmehr teilweise bzw. nach einem entsprechenden Schlucktraining beeinflusst werden.

Pharyngeale Transportphase

In dieser Phase werden sowohl die oberen als auch die unteren Luftwege abgedichtet, um einen Übertritt des Nahrungsbreis in die Nase bzw. ein Verschlucken zu verhindern:

  • Das Gaumensegel wird angespannt und angehoben, um einen Übertritt des Nahrungsbreis in die oberen Luftwege zu verhindern. Das wird durch die „Spanner und Heber des Gaumensegels“ (Musculus tensor veli palatini und Musculus levator veli palatini) gewährleistet. Beide Muskeln weiten auch die Ohrtrompete (Tuba auditiva), was erklärt, weshalb es beim Schlucken zu einem Druckausgleich zwischen Mittelohr und einem abweichenden äußeren Druck kommt. Dies kann gezielt bei raschen Änderungen des Umgebungsdrucks (Flugzeugstart, Landung) ausgenutzt werden.
  • Der obere Schlundschnürer (Musculus constrictor pharyngis superior, genauer dessen Pars pterygopharyngea) kontrahiert sich und bildet den sog. Passavant-Ringwulst, an den sich das Gaumensegel anlegt, sodass der Verschluss der oberen Luftwege nun komplett ist und keine Nahrung mehr in die Nase gelangen kann.
Klinischer Bezug: Bei einer Gaumensegellähmung, zum Beispiel nach einer Diphtherie, ist dieser Verschlussmechanismus insuffizient und es tritt Nahrung oder Flüssigkeit in die Nase ein.

Mit dem Höhertreten des Kehlkopfs geschehen zwei Dinge gleichzeitig:

  • Kehldeckel und Kehlkopfeingang nähern sich – und damit sind die unteren Luftwege jetzt 3-fach geschützt
  • der obere Schließmuskel der Speiseröhre (der obere Ösophagussphinkter oder Ösophagusmund) öffnet sich. Damit steht dem Nahrungsbolus der Weg für den weiteren Transport frei.

Durch Kontraktion der mittleren und unteren Schlundschnürer (Musculi constrictores pharyngis medius et inferior) oberhalb des Bissens wird dieser Richtung Speiseröhre befördert und in diese eingespritzt.

Ösophageale Transportphase

Nach Eintritt des Speisebolus in die Speiseröhre schließt sich der Sphinkter wieder. Damit ist ein weiterer Verschluss der Atemwege nicht mehr sinnvoll und diese werden wieder geöffnet. Bei aufrechter Haltung rutscht der Bolus durch Speiseröhre zum Magen, die Peristaltik der Speiseröhre kann den Bolus aber auch entgegen der Schwerkraft (im Kopfstand) oder im Liegen weiterbefördern. Die Cardia öffnet sich; nach Eintritt des Bolus in den Magen schließt sich diese wieder und der Schluckakt ist beendet.

Schluckakt und Lebensalter

Während der Schwangerschaft wird die Fruchtwassermenge in einem großen Ausmaß durch den Fetus selbst reguliert: Ab der 15. Schwangerschaftswoche kann er Fruchtwasser trinken – am Ende der Schwangerschaft circa 400 ml täglich. Somit ist die Menge des vorhandenen Fruchtwassers neben einer ungestörten Miktion (Urinausscheidung) besonders von einem ungestörten Schluckakt abhängig.

Klinischer Bezug: So kommt es bei Fehlbildungen im Zentralen Nervensystem (wie zum Beispiel einer Anenzephalie) oder des Verdauungstrakts (wie einer Ösophagusatresie) meist zur Ausbildung eines Polyhydramnions.

Bei Neugeborenen steht der Kehlkopf noch wesentlich höher im Rachen als später, sodass der Säugling noch gleichzeitig atmen und trinken kann, ohne sich zu verschlucken. Der Kehldeckel steht höher als der Zungengrund und die Nahrung gelangt so in den Recessus piriformes beidseits des Kehlkopfs in die Speiseröhre.

Der gesunde alte Mensch hat auch keine Schluckstörung. Die Verhältnisse unterscheiden sich von den hier geschilderten nicht wesentlich.

Diagnostik

Die Diagnostik von Schluckstörungen ist mit der Videokinematographie des Schluckaktes[2] deutlich erweitert worden. Bei einem Verdacht auf Vorliegen einer Dysphagie soll eine umfassende klinische Schluckuntersuchung durch Sprachtherapeuten / Logopäden erfolgen (Anamnese, Untersuchung der am Schlucken beteiligten Strukturen einschließlich Hirnnervenstatus, Schluckversuche). Die wichtigsten apparativen Methoden zur Erfassung von Ursache, Art und Schweregrad einer Dysphagie sind die Videofluroskopie (Videofluoroscopic Swallowing Study; VFSS) und die Videoendoskopie des Schluckens (Flexible Endoscopic Evaluation of Swallowing; FEES).[3]

Siehe auch

  • Logopädie
  • Schluckstörung

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Benninghoff Drenckhahn, Anatomie: Makroskopische Anatomie, Histologie, Embryologie, Zellbiologie, Band 1, 16. Auflage, Urban und Fischer, ISBN 3-437-42340-1
  2. Videokinematographie des Schluckaktes: Standardindikationen
  3. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, neurogene Dysphagien, 2008)