Spinalnerv


Ein Spinalnerv (Nervus spinalis), auch Rückenmark(s)nerv genannt, ist ein aus dem Rückenmark entspringender Nerv. Die Spinalnerven gehören zum peripheren Nervensystem. Jeweils zwischen zwei Wirbeln tritt je ein Spinalnervenpaar aus dem Wirbelkanal. Der Mensch besitzt insgesamt 31 paarige Spinalnerven.

Anzahl der Spinalnerven

Die Bezeichnung der Spinalnerven erfolgt gemäß dem Wirbelsäulenabschnitt, aus dem sie entspringen. Die Nummerierung orientiert sich an der der zugehörigen Wirbelkörper. Der oberste Spinalnerv tritt allerdings direkt unter dem Hinterhaupt, also oberhalb des ersten Halswirbels aus. Daher gibt es acht zervikale Spinalnerven bei sieben Halswirbeln, denn unterhalb des siebenten Halswirbels tritt C8 aus. Anders als in den anderen Wirbelsäulenabschnitten tritt im Halsbereich der Nerv jeweils oberhalb und nicht unterhalb des Wirbelkörpers mit der gleichen Nummer aus. Insgesamt ergibt sich somit beim Menschen

  • Halsbereich: 8 zervikale Nerven, C1–C8
  • Brustbereich: 12 thorakale Nerven, Th1–Th12
  • Lendenbereich: 5 lumbale Nerven, L1–L5
  • Kreuzbeinbereich: 5 sakrale Nerven, S1–S5
  • Steißbeinbereich: 1 kokzygealer Nerv, CO1

Abweichungen kommen vor allem im Zusammenhang mit Fehlbildungen der Wirbelsäule vor.

Anteile eines Spinalnervs

Querschnitt des Rückenmarks
Laminae und Nuclei der grauen Substanz

Spinalnerven bilden sich durch Vereinigung jeweils einer efferenten und einer afferenten Nervenwurzel, die das Rückenmark an verschiedenen Stellen verlassen und im Wirbelkanal zunächst noch räumlich getrennt vorliegen. Diese Erkenntnis geht auf Charles Bell und François Magendie zurück (Bell-Magendie-Gesetz).

Die afferenten Anteile leiten Informationen aus dem Körperinneren und von der Körperoberfläche zum Rückenmark. Ihre Zellkörper liegen im Spinalganglion (Ganglion spinale), das sich im Zwischenwirbelloch befindet. Ihre Axone ziehen über die Radix posterior (bei Tieren Radix dorsalis) in die graue Substanz des Rückenmarks oder über die weiße Substanz zum Gehirn, wo die weitere Verarbeitung erfolgt.

Die zum Muskel führenden motorisch efferenten Axone sind Teil der Motoneurone. Deren Somata liegen in der grauen Substanz des Rückenmarks. Die Motoneurone eines Muskels liegen locker gruppiert in Form eines spindelförmigen Kerns im Vorderhorn des Rückenmarks. Die Axone eines Kerns können dabei über verschiedene Nervenwurzeln austreten. Die Kerne bilden über die gesamte Länge des Rückenmarks die sogenannte motorische Kernsäule. In jedem Segment treten Axone über die Radix anterior/ventralis aus dem Rückenmark und vereinigen sich mit den ankommenden Afferenzen zu einem gemeinsamen Stamm (Truncus nervi spinalis).

Im Bereich des Brust- und Lendenabschnitts des Rückenmarks gibt es auch sympathische Wurzelzellen. Sie liegen im Nucleus intermediolateralis der grauen Substanz und ziehen ebenfalls in der Vorderwurzel zum Truncus nervi spinalis. Über einen weißen Verbindungsast (Ramus communicans albus) ziehen sie dann zum Grenzstrang, in dessen Ganglien ein Teil der Fasern auf das sogenannte zweite Neuron umgeschaltet werden. Die umgeschalteten Anteile ziehen typischer Weise in einem grauen Verbindungsast (Ramus communicans griseus) wieder zu einem Spinalnervenstamm zurück.

Im Bereich des Kreuzmarks gibt es parasympathische Wurzelzellen. Diese Efferenzen ziehen ebenfalls zum gemeinsamen Spinalnervenstamm. Sie versorgen die unteren Bauch- und Beckeneingeweide.

Verlauf außerhalb des Wirbelkanals

Der Truncus nervi spinalis verlässt den Wirbelkanal über das Zwischenwirbelloch (Foramen intervertebrale) und zweigt sich dann jeweils in mehrere Äste auf:

  • Ramus posterior (Ramus dorsalis) für die Versorgung der wirbelsäulennahen Haut und Muskulatur (Autochthone Rückenmuskulatur).
  • Ramus anterior (Ramus ventralis) für die Versorgung der Haut und Muskulatur des wirbelsäulenfernen Rückens, sowie der seitlichen und bauchseitigen Körperabschnitte.
  • Ramus communicans albus und Ramus communicans griseus zur Weiterleitung visceroefferenter und visceroafferenter Informationen
  • Ramus meningeus für die Innervation der Rückenmarkshäute

Das von einem Spinalnerven versorgte Hautgebiet bezeichnet man als Dermatom, die versorgten Muskeln als Myotom.

Plexus

Insbesondere im Bereich der Gliedmaßenursprünge bilden die Rami anteriores/ventrales der Spinalnerven Nervengeflechte (Plexus) mit ihren Nachbarn. Dabei mischen sich Fasern mehrerer Rückenmarkssegmente und formen wiederum Nerven. Jeder dieser Plexusnerven hat somit Anteile mehrerer Rückenmarkssegmente. Daher kommt es bei Ausfall nur einer Nervenwurzel bzw. eines Spinalnerven nicht zu einer vollständigen Lähmung (Paralyse) der versorgten Muskeln, sondern nur zu einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Kraftminderung (Parese).

Das Nervengeflecht für den Arm (Vorderbein) heißt Plexus brachialis, das für das (Hinter-)Bein Plexus lumbosacralis.

Siehe auch

Nervensystem - Motoneuron - Eigenreflex - Axonotmesis - Neurapraxie

Literatur

  • Martin Trepel: Neuroanatomie. Struktur und Funktion. 4. neu bearbeitete Auflage. Elsevier, Urban & Fischer, München u. a. 2008, ISBN 978-3-437-41298-1.
  • Franz-Viktor Salomon: Nervensystem, Systema nervosum. In: Franz-Viktor Salomon, Hans Geyer, Uwe Gille (Hrsg.): Anatomie für die Tiermedizin. Enke, Stuttgart 2004, ISBN 3-8304-1007-7, S. 464–577.

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