Spinale Stenose


Klassifikation nach ICD-10
M48.0 Spinal(kanal)stenose(Inkl.: Lumbale Spinal(kanal)stenose)
M99.3 knöcherne Stenose (Inkl.: Verengung des Spinalkanals)
M99.4 Bindegewebe Stenose (Inkl.: Verengung des Spinalkanals)
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Der Begriff der Spinalen Stenose (Spinalkanalstenose oder Spinalstenose) bezeichnet eine Verengung des Wirbelkanales. Sie tritt bei älteren Menschen meistens im Bereich der Lendenwirbelsäule auf. Die am häufigsten betroffenen Segmente sind zwischen drittem und viertem sowie zwischen viertem und fünftem Lendenwirbelkörper.

Ursachen

Durch den aufrechten Gang des Menschen ist die untere Lendenwirbelsäule mechanisch hoch belastet. Degenerative Veränderungen sind alters- und belastungsabhängig und in leichten Ausprägungen weit verbreitet. Es ist dabei weniger die Frage, ob sie sich entwickeln, sondern mehr die Frage, wie schnell die Verengung fortschreitet und ob sie klinische Beschwerden verursacht.

Im Rahmen des normalen Alterungsprozesses verlieren die Bandscheiben an Höhe und es kommt zur Osteochondrosis intervertebralis: einerseits zu Vorwölbungen der Bandscheibe, andererseits zu knöchernen Ausziehungen an den Wirbelkörpern (Spondylophyten). Weiter entstehen Arthrosen der kleinen Wirbelbogengelenke (Spondylarthrosen). Diese Kombination lässt eine sanduhrförmige Einengung des Spinalkanals entstehen.

Die Stenose kann verschiedene Formen haben. Gelegentlich verlagert sich eine relativ intakte Bandscheibe im Wirbelzwischenraum und „rutscht“ zur Seite. Damit wird der Spinalkanal von einer Seite her bedrängt und es kommt zu deutlicheren Beschwerden.

Klinisches Bild und Diagnose

Der klinische Befund ist zunächst uncharakteristisch. Funktionsstörungen und Schmerzen oder auch Reizungen der Ischiasnerven können durch sehr unterschiedliche krankhafte Veränderungen der Lendenwirbelsäule bedingt sein. Typisch für die spinale Stenose ist das Symptom der Claudicatio spinalis. Der Patient klagt über ziehende Schmerzen an der Vorder- oder Rückseite der Beine, wenn er eine kurze Strecke gegangen ist. Die Schmerzen bessern sich, wenn er sich hinsetzt oder den Oberkörper vorbeugt. Diese Schonhaltungen geben bereits erste Hinweise. Sie werden so eingenommen, dass der Spinalkanal durch das Beugen relativ weiter wird und die Reizung der Nervenstrukturen vermindert. Wenn die Patienten in extremen Fällen nur noch in der Lage sind, weniger als 100 m zu gehen, sind weitere Diagnostik und Therapie erforderlich. Die normale Röntgendiagnostik zeigt bereits erste Hinweise, der Nachweis kann mittels MRT-Untersuchung erfolgen.

Die Stenose verläuft häufig progredient und schreitet mit unterschiedlicher Geschwindigkeit fort. Nach einigen Jahren kommt es jedoch meist zu keiner Verschlechterung mehr. Neurologische Ausfälle sind selten.

Therapie

In vielen Fällen liegt die Ursache für solche Veränderungen in der mechanischen Instabilität. Die Muskulatur der Wirbelsäule kann durch entsprechende Gymnastik stabilisiert werden und damit die Instabilität und ihre Folgen verbessern. Begleitend kann die gesamte, zur Verfügung stehende Palette der Schmerztherapie eingesetzt werden. Dies ist oft alleine schon notwendig, um eine gezielte Trainingsarbeit überhaupt erst zu ermöglichen. Das Hauptgewicht der Behandlung liegt auf physikalischen Maßnahmen, Entspannungsübungen, Elektrotherapie und nicht auf dem Einsatz von Schmerzmitteln. Je nach Krankheitsbild schlägt diese Behandlung jedoch nicht immer an.

Sofortige Linderung, besonders bei älteren Patienten, ist mit entlastenden oder stabilisierenden Rumpfbandagen/Stoffkorsett möglich. Hierdurch können Bandscheiben entlastet werden.

Im Rahmen einer chirurgischen Dekompression kann der Spinalkanal wieder erweitert werden, in leichten Fällen ist auch das Einfügen eines Platzhalters (interspinöse Spacer) zwischen den Dornfortsätzen zur Erweiterung des Spinalkanals und der Austrittskanäle der Nerven sinnvoll.

Alternativ dazu kann eine Versteifung vorgenommen werden, wobei die betreffenden Bandscheiben entfernt und durch zwei kleine Plättchen (Cages) ersetzt werden, die als Platzhalter wirken. Zusätzlich wird das betroffene Segment mit Schrauben und Stäben versteift. Bei medikamentöser Unterstützung tritt nach etwa 4 bis 6 Monaten eine ausreichende Verknöcherung der beiden Wirbel ein (Knochenbrücken), die bis zu 95 % der normalen Belastungsfähigkeit herstellen kann. Die beiden Wirbel sind dann fest miteinander verbunden, was bei wenigen Wirbeln nicht zu einer Funktionseinschränkung führt. Tabak-Konsum kann diesen Prozess verzögern, weshalb eine mindestens mehrmonatige Abstinenz verordnet werden kann. Postoperativ ist eine physiotherapeutische Nachbehandlung angezeigt, die oft auch zur Eingewöhnung von später allein durchzuführenden Übungen genutzt wird, die den weiteren Verlauf (an anderen Wirbeln) maßgeblich beeinflussen können.

Wirtschaftliche Bedeutung

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der verschiedenen Erkrankungen der Wirbelsäule ist sehr hoch. Bei den meisten Frührenten stellt die Wirbelsäule mehr oder weniger direkt den Anlass zur Berentung dar. Auf diese Gruppe von Krankheitsbildern entfallen die meisten Arbeitsausfälle.

Nicht zuletzt wegen der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Spinalen Stenose und anderer Rückenleiden ist um dieses Thema ein ganzer Wirtschaftszweig entstanden. Eine Vielzahl von so genannten Reha-Kliniken, Physiotherapeuten und Orthopäden bieten Leistungen zur „Verbesserung der krummen Rücken“ an, die teilweise von den Kassen übernommen werden. Daneben existiert ein großer Privatmarkt von „Behandlungsmethoden“ mit oft nicht oder unzureichend nachgewiesenem medizinischen Nutzen.

Weiterführende Literatur

Deutsches Ärzteblatt 2008; 105(20): 373–9 "Die degenerative lumbale Spinalkanalstenose: Aktuelle Strategien in Diagnostik und Therapie"