Neurofeedback


Das Neurofeedback (auch EEG-Feedback) ist eine Spezialrichtung des Biofeedbacks. Beim Neurofeedback werden Gehirnstromkurven (EEG-Wellen) von einem Computer in Echtzeit analysiert, nach ihren Frequenzanteilen zerlegt und auf einem Computerbildschirm dargestellt. Die auf diese Weise ermittelte Frequenzverteilung, die vom Aufmerksamkeits- bzw. Bewusstseinszustand (zum Beispiel wach, schlafend, aufmerksam, entspannt, gestresst) abhängig ist, kann für das Training (mittels Feedbacktraining) genutzt werden. Dem Probanden ist es dabei möglich, durch Rückmeldung des eigenen Hirnstrommusters eine bessere Selbstregulation zu erreichen.

Theorie

Die Wirkung des Neurofeedback-Trainings wird mit der so genannten operanten Konditionierung erklärt. Dies ist im Wesentlichen ein Lernprozess, bei dem ein bestimmtes Verhalten verstärkt wird. Weil dies ohne das Bewusstsein stattfindet, ist hierfür keine bewusste Anstrengung nötig. Im Prinzip kann jede Person Neurofeedback erlernen. (→ Lerntheorie).

Für das Neurofeedbacktraining dient das EEG-Signal als Grundlage. Dieses wird im Wesentlichen durch seine Stärke (Amplitude) und der Schwingungsanzahl (Frequenz der einzelnen Frequenzbänder) bestimmt. Zu diesem Zweck muss das Roh-EEG-Signal, welches von Elektroden an der Kopfhaut aufgenommen wird zunächst hinreichend verstärkt werden.

Der EEG-Verstärker leitet die Signale direkt an einen Computer weiter, wo sie von einem speziellen Programm für Trainingszwecke aufbereitet werden. Dies geschieht zum Beispiel durch die Zerlegung des Roh-EEGs in verschiedene Wellenanteile, den uns bekannten Hirnfrequenzen, wie Alpha, Beta, Delta, Theta oder Gamma.

Auf diese Weise werden physiologische Vorgänge, welche sonst im Verborgenen liegen, wahrnehmbar gemacht, damit der Körper überhaupt Feedback erhalten kann. Ein akustisches und / oder optisches Feedback (zum Beispiel Musik, Geräusch, Videoclip oder eine Computeranimation) wird vom Computer dann gegeben, wenn die EEG-Wellen des Gehirns eine erwünschte Zusammensetzung aufweisen. Dies geschieht durch eine fortwährende Analyse des Signals, indem das Computerprogramm Trends in den Ausschlägen der Hirnwellen berechnet und diese mit einem vorgegebenen Schwellenwert in Bruchteilen von Sekunden vergleicht. Werden nun in einem gewissen erwünschtem Maße Schwellen unter- beziehungsweise überschritten, wird diese Gehirnaktivität mittels eines Belohnungsreizes verstärkt. Siehe auch positive Verstärkung.

Modell der neuronalen Fehlregulation

Es gibt eine Vielzahl von Modellen, die mit der Entstehung von Symptomen in Verbindung gebracht werden können. Theoretiker des Neurofeedbacktrainings sehen die Ursache vieler zentralnervöser Störungen in einer Fehlregulation kortikaler und subkortikaler Strukturen begründet, welche sich global in vier Ursachenklassen aufgliedern lässt. Dies sind: Überstimulation (Overarousal), Unterstimulation (Underarousal), mangelnde Hemmung (Disinhibition) und Instabilität. Ziel ist es durch Heruntertrainieren oder Herauftrainieren bestimmer Wellenanteile Symptome positiv zu beeinflussen. Eine direkte Behandlung von Symptomen findet nicht statt. Ähnlich der Akupunkturnadel, welche durch Reizung von Meridianen Symptome indirekt beeinflusst.

Historische Vorläufer

  • 1898 Edward Lee Thorndike entdeckt das Lern-„Gesetz der Wirkung“ und legt den Grundstein für die Entwicklung der instrumentellen Konditionierung.
  • 1905 Iwan Petrowitsch Pawlow führt die berühmt gewordenen Experimente mit einem Hund durch und entdeckt damit das Konzept der klassischen Konditionierung, siehe Pawlowscher Hund.
  • 1929 Hans Berger entdeckt elektrische Potenzialschwankungen unterschiedlicher Frequenzen an Elektroden die an der Schädeldecke angebracht sind und nennt die davon aufgezeichneten Kurven „Elektroenzephalogramm“. Insbesondere die von ihm erforschte Charakteristik der Alpha-Wellen im EEG ist auch heute noch von großer Bedeutung für Neurofeedback-Therapeuten.
  • 1950 Neal E. Miller von der Yale University bringt Mäuse dazu, ihre Herzfrequenz (in eine gewählte Vorzugsrichtung) zu trainieren, indem er diesen eine Belohnung durch eine Stimulation des Lustzentrums im Gehirn gibt. Später trainiert er in vergleichbarer Weise auch Menschen dazu, indem er diese mittels als angenehm empfundener Klänge trainiert bzw. im Erfolgsfall belohnt.
  • 1967 M. Barry Sterman veröffentlicht eine Studie, in der er ausführt, dass er Katzen trainiert hat, ihre EEG-Wellen zu modifizieren. Später entdeckt er per Zufall, dass die auf diese Weise trainierten Katzen resistent sind gegen epileptische Anfälle (welche bei untrainierten Katzen durch Kontakt mit giftigen Dämpfen (Monomethylhydrazin) ausgelöst wurden) und zeigte damit, dass EEG-Wellentraining die Fähigkeiten des Gehirns verbessern kann.
  • 1974 M. Barry Sterman führt in seiner ersten von fünf Veröffentlichungen aus, dass epileptische Anfälle beim Menschen durch EEG-Wellentraining (Sensomotorischer Rhythmus SMR) unter Kontrolle gebracht werden können.
  • ab 1975 Joel Lubar forscht zu EEG Biofeedback zuerst im Hinblick auf Epilepsie und später zu Hyperaktivität und ADHS.
  • 1998 Die Yonkers District Schulen, New York, nahmen Neurofeedbacktraining in ihren Ausbildungsplan auf.
  • 2006 Die italienische Fußball-Nationalmannschaft trainiert mit Neurofeedback[1]

Vorgehensweise (Trainingsprotokolle)

Datei:QEEGAlpha.jpg
QEEG-Aufnahme: frontales Alpha auffällig hoch mit 3 Standardabweichungen (hier rot eingezeichnet und u. a. typisches Zeichen für einen Subtyp von ADS)

Wichtig vor jeder Behandlung ist zunächst eine eingehende Anamnese, Diagnostik und Befunderhebung. Das Ergebnis gibt dem Neurofeedbacktherapeuten wichtige Hinweise darüber, mit welcher Art von zentralnervöser Erregung es der Patient oder die Patientin zu tun hat. So steht zum Beispiel schlechter Schlaf oft mit (kortikaler) Übererregung, ADS (ohne Hyperaktivität) oft mit (kortikaler) Untererregung in Verbindung. Migräne, verschiedene Anfallsleiden, aber auch Tics stehen mehr mit instabilem Arousal in Zusammenhang. Anhand einer sogenannten „Symptomcheckliste“ kann dann festgestellt werden, welcher Typus vorherrscht. Damit sind aber nur vage Aussagen darüber zu treffen, in welchem Frequenzbereich zu viel oder zu wenig Aktivität vorliegt. Deswegen wird neben dem rein symptomorientierten Ansatz bei der Befundung auch die quantitative Analyse des EEGs (QEEG) angewendet. Mit Hilfe von wissenschaftlich erstellten Datenbanken lässt sich normale von gestörter Hirnfunktion heute viel genauer unterscheiden. Dies ermöglicht wiederum eine präzisere Auswahl geeigneter Neurofeedbackprotokolle.

Amplituden-Training und Frequenzbandtraining

Ein Hauptaugenmerk liegt beim Neurofeedback auf dem Training zur Erhöhung oder Verminderung der Schwingungsamplitude der Frequenzen eines EEG-Frequenzbandes.

Die im EEG auftretende Spannung ist umso größer, je mehr Nervenzellen lokal synchron „feuern“. Beim Neurofeedback-Amplitudentraining werden also letztendlich lokale Synchronitäten im Gehirn trainiert. Dabei muss nicht zwangsläufig eine erhöhte Synchronität gewünscht sein, oft wird auch das Erreichen einer geringeren Amplitude, also weniger Synchronität mit positiven Feedback belegt. Des Weiteren werden oft mehrere Bedingungen gleichzeitig trainiert. Es gibt also für den Probanden nur dann positives Feedback, wenn er in einem Frequenzbereich beispielsweise eine höhere Amplitude erreicht und gleichzeitig in einem anderen Frequenzbereich eine niedrigere Amplitude. Damit kann gezielter auf die Zusammensetzung des gesamten EEG eines Probanden eingegangen werden.

Das heißt: EEG-Wellenanteile (Frequenzbereiche), die als vorteilhaft bekannt sind, werden bei Auftreten belohnt, wie zum Beispiel SMR (Sensomotorischer Rhythmus) und Beta. Frequenzband-Amplituden, die als weniger vorteilhaft bekannt sind (wie zum Beispiel das niedrige Theta - typisch für Konzentrationsmangel - und high Beta - Stress, hektischer Gedankenablauf) werden unterdrückt bzw. es wird in diesem Fall belohnt, wenn sich die Amplitude verringert. Neurofeedback arbeitet ausschließlich mit belohnendem Feedback.

Z-Werte-Verfahren, bzw. Z-Score-Training

Die Grundidee hierbei beruht auf EEG-Datenbanken. Eine EEG-Datenbank beinhaltet EEG-Werte einer nach wissenschaftlichen Kriterien ermittelten gesunden Norm-Population im Hinblick auf Amplitude, Kohärenz, Asymmetrie und Phase.

Training von Konnektivität des EEGs

Neurofeedback kann auch die Kohärenz der Signale zweier Elektrodenplätze bzw. Hirnregionen in einem gewählten Frequenzband trainieren. Kohärenz ist hier ein Maß für das Zusammenwirken unterschiedlicher Lokalitäten der Großhirnrinde. So ist zum Beispiel die Kohärenz zwischen Broca-Areal und Wernicke-Zentrum entscheidend für die Sprachfähigkeit. Zu viel oder zu wenig Zusammenarbeit kann sich dann zum Beispiel in Sprachstörungen äußern. Die Kohärenz hat einen Wertebereich von 0 bis +1 (in der Praxis auch schon mal als 0 bis 100 % bezeichnet). Beim Kohärenztraining wird dieser Wert auf einen bestimmten Zielwert hin trainiert, sodass er zum Beispiel den Messwert einer gesunden Vergleichsbevölkerungsgruppe erreichen soll.

SCP-Training

Beim SCP-Training wird der Wert des Gleichspannungsanteils (sog. Slow Cortical Potentials, SCP) trainiert. Diese Art von Neurofeedback ist in ganz besonderem Maße der Forschungsarbeit der Gruppe um Niels Birbaumer zu verdanken. Langsame kortikale Potenziale spielen unter anderem eine tragende Rolle bei so genannten Gehirn-Computer-Schnittstellen (Brain-Computer Interfaces, BCI), bei deren Erforschung und Entwicklung Birbaumer maßgeblich beteiligt ist.

Weitere Varianten des Neurofeedbacks

Bipolares Training, Z-Wert-basiertes Training (Z-Score-Training), LENS (Low Energy Neurofeedback System von Len Ochs), Alpha-Theta-Training, Loreta-Neurofeedback (Low Resolution Electromagnetic Tomography) (3-D).

Literatur

Bücher

  • Neurofeedback and Neuromodulation Techniques, Robert Coben, James R. Evans Academic Press 2010
  • Uwe Gerlach: Von der Primärtherapie zum Neurofeedback. Taunusstein 2007
  • Jim Robbins: A Symphony in the Brain; Grove Press, New York; ISBN 0-8021-3819-5;
  • John N. Demos: Getting Started with Neurofeedback; W.W. Norton & Company, Inc., New York; ISBN 0-393-70450-5;
  • Anna Wise: The High-Performance Mind; The Putnam Publishing Group, New York 1995; ISBN 0-87477-806-9;

Zeitschriften

  • Clinical Electroencephalography pISSN: 0009-9155, MEDLINE Abbr: Clin Electroencephalogr, NLM ID: 0236454
    Wissenschaftliche Zeitschrift, Sondernummer zu Neurofeedback.
  • Child and adolescent psychiatric clinics of North America 1056-4993, MEDLINE Abbr: Child Adolesc Psychiatr Clin N Am, NLM ID: 9313451 Wissenschaftliche Zeitschrift welche Reviews zum Stand der Forschung wiedergibt. In der Januarausgabe 2005 welche den Themenbereich ‚Emerging Interventions’ abhandelt sind sechs von zehn Beiträgen dem Thema Neurofeedback gewidmet.
  • Journal of Neurotherapy. Die Zeitschrift der International Society for Neurofeedback & Reasearch.

Anwendungsbereiche

Neurofeedback als Methode in der Behandlung von

Gesundheitsförderung und Prävention (diagnosefreie Anwendung):

  • Training zur Stressbewältigung und - reduktion
  • Erhaltung der geistigen Flexibilität im Alter

Erziehung / Sozialisation / Schule:

  • Training zur Schulleistungssteigerung (Steigerung des sog. Performance-IQ)
  • Training „jugendlicher Delinquenten“ (Ausgleich von Instabilität)[4]

Beruflicher Leistungserhalt / Mentale Spitzenleistungen:

  • sog. Peak-Performance-Training (Mentaltraining im Spitzensport, zum Beispiel Golf)
  • Training von Berufstätigen mit hohen Stressbelastungen (zum Beispiel Militärpiloten)
  • Verbesserung der künstlerischen Performance von Musikern[5]

Weblinks

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. adnf.org
  2. eegspectrum.com
  3. fMRT-basierte Neurofeedbackstudie bei Schizophrenie, Jülich Aachen Research Alliance (JARA)
  4. Jim Robbins: A Symphonie in the Brains. Grove Press, New York, ISBN 0-8021-3819-5
  5. focus.de

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