Purpurschnecke
Als Purpurschnecke bezeichnet man verschiedene marine Schnecken aus der Familie der Stachelschnecken (Muricidae), aus deren Sekret einer Drüse in der Mantelhöhle Purpurfarbstoff gewonnen werden kann. Dies trifft weltweit auf zahlreiche Arten dieser Familie zu, doch sind mit Purpurschnecke meist die beiden im Mittelmeer lebenden, früher als Murex bezeichneten Arten Herkuleskeule (Bolinus brandaris) und Stumpfe Stachelschnecke (Hexaplex trunculus) sowie die Nordische Purpurschnecke des Nordatlantiks (Nucella lapillus, früher Purpura lapillus) gemeint.
Funktion des Purpursekrets
Die Arten der Familie der Stachelschnecken (Muricidae), zu denen die Purpurschnecken gehören, sind vor allem räuberisch, teilweise aber auch aasfressend. Sie fressen dabei Seepocken, andere Schnecken und Muscheln, indem sie die Schale der Beute mit ihrem eigenen Schalenrand aufbrechen, aufhebeln oder sie anbohren. Nicht alle Stachel- bzw. Purpurschnecken können bohren, so auch nicht die Herkuleskeule. Andere Arten, darunter die Stumpfe Stachelschnecke und die Nordische Purpurschnecke, besitzen an der Fußsohle ein Akzessorisches Bohrorgan (ABO), mit Hilfe dessen sie Kalk auflösen und so durch gleichzeitiges Raspeln mit der Radula Löcher in Schalen von Muscheln, Schnecken oder Rankenfußkrebsen bohren können.[1][2]
Hiermit nicht zu verwechseln ist die Hypobranchialdrüse, die bei Purpurschnecken in der Decke der Atemhöhle neben dem Mastdarm liegt. Diese Drüse sondert einen gelblichen Schleim ab, der Cholinester enthält, welche die Beute lähmen, ihre Schließmuskeln entspannen und so zur Öffnung des Operculums bzw. der Muschelschalenhälften führen. Das Sekret wird auch bei Reizung der Schnecke abgeschieden, dient also offenbar auch der Verteidigung. Diese Flüssigkeit färbt sich im Sonnenlicht zum Purpurfarbstoff.[3][2] Zunächst wird das Sekret grün, dann blau, schließlich purpurfarben und scharlachrot und gibt dabei einen ekelerregenden, lang anhaltenden Geruch ab.
Der Farbstoff bildet sich auch bei Luftabschluss in Stickstoff oder Wasserstoff, aber nicht im Dunkeln. Man kann den farbengebenden Stoff aus den gepulverten Schnecken durch Alkohol und Ether extrahieren, und aus der goldgelben Lösung scheidet sich der Purpur am Licht als körnig kristallines Pulver aus, welches in Wasser, Alkohol und Ether unlöslich, in siedendem Anilin jedoch löslich ist.
Kulturgeschichte
Purpurschnecken wurden bereits von den Phöniziern zum Färben eingesetzt. Plinius der Ältere (um 23–79) berichtet in seiner Naturalis historia („Naturgeschichte“) von dem komplizierten Herstellungsverfahren. Die Meeresschnecken mussten in Reusen lebend gefangen werden, dann wurde der kleine Drüsenkörper aus der Atemhöhle entfernt. Um das darin enthaltene weißliche Sekret zu gewinnen, wurden die Drüsen zerquetscht, drei Tage in Salz eingelegt und zehn Tage gekocht. Der zu färbende Stoff wurde in die noch farblose Flüssigkeit eingetaucht und zum Trocknen an die Sonne gelegt. Durch Lichteinwirkung bildete sich die Farbe.
Aus 12.000 Purpurschnecken ließen sich 1,5 Gramm des Farbstoffes gewinnen.[4] Um ein Kilogramm Wolle zu färben, wurden 200 Gramm Farbstoff benötigt, das entspricht drei Kilogramm Drüsensaft. Diese wahrscheinlich auf Paul Friedländer (1857–1923), der die chemische Struktur des Purpurfarbstoffes aufklärte, zurückgehende hohe Zahl wird von israelischen Forschern nicht mehr bestätigt. So wurde in neuerer Zeit festgestellt, dass 1 kg Wolle, beispielsweise für die Tunika eines Herrschers, mit 10000 Schnecken gefärbt werden kann.
Römische Magistrate und Senatoren trugen ihre Toga mit einem Purpurstreifen und auch die Toga der römischen Kaiser wurde mit Purpur gefärbt. Junge Könige trugen einen anfangs mit grünem Purpur gefärbten Mantel (pallium). Im Laufe der Zeit verfärbte sich der Mantel rot. Es zeigt somit auch eine symbolische Wandlung vom unreifen zum reifen Herrscher.
Einzelnachweise
- ↑ Cleveland P. Hickman, Larry S. Robert, Allan Larson, Helen l’Anson, David J. Eisenhour: Zoologie. Aus dem Englischen von Thomas Lazar. Deutsche Bearbeitung von Wolf-Michael Weber. Pearson Deutschland, München 2008. 1347 Seiten. S. 510. Hier auch die deutsche Übersetzung des englischen Ausdrucks ABO (accessory boring organ).
- ↑ 2,0 2,1 Melbourne R. Carriker (1981): Shell penetration and feeding by naticacean and muricacean predatory gastropods: a synthesis. Malacologia 20 (2), S. 403-422.
- ↑ G. Thomas Watters, Ohio State University: Digital Murex - Purpura Bruguiere, 1789.
- ↑ http://www.seilnacht.com/Lexikon/Purpur.htm
Literatur
- Karl-Heinz Bernhardt: Der alte Libanon. Verlag Koehler & Amelang, Leipzig 1976; Schroll Verlag, Wien 1976, S. 96–98. ISBN 3-7031-0438-4.
- Paul Karrer: Lehrbuch der organischen Chemie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1948, 10. Auflage, S.605.
- Heinke Stulz: "Die Farbe Purpur im frühen Griechentum." Verlag B.G. Teubner, Stuttgart, 1990
- Ehud Spanier: "The Royal Purple and the Biblical Blue." Keter Publishing House, Jerusalem, 1987
- Gösta Sandberg: "The Red Dyes: Cochineal, Madder and Murex Purple." Lark Books, Asheville, 1997