Rangordnung (Biologie)


Als Rangordnung bezeichnet man in der Verhaltensbiologie eine Hierarchie, durch die bestimmte „Rechte“ und „Pflichten“ innerhalb einer sozialen Gruppe geregelt und für eine längere Zeitspanne festgelegt sind.

Das Entstehen von Rangordnungen und die Verhaltensweisen der in ihnen eingebundenen Tiere wurde besonders intensiv beim Haushuhn untersucht, weswegen sich der anschauliche Ausdruck Hackordnung als populäres Synonym für Rangordnung im Sprachgebrauch festgesetzt hat. Hackordnung bezeichnet heute aber eine in menschlichen und tierischen Gruppen beobachtbare, besondere Ausprägung des Sozialverhaltens: Wenn verbales oder tätliches aggressives Verhalten nicht verpönt oder sonst ausgeschlossen ist, setzen kraftvolle, dominante Individuen ihre Überlegenheit gegenüber anderen Gruppenmitgliedern durch Rangkämpfe mehr oder weniger rücksichtslos durch.

Herkunft des Begriffs Hackordnung

Hackordnung ist ein Begriff aus der Frühzeit der Ethologie, der anstelle der heute üblicheren Bezeichnung Rangordnung verwendet wurde. Er entstand infolge der Beobachtung von Hühnern [1] durch den norwegischen Zoologen Thorleif Schjelderup-Ebbe, bei denen die ranghöheren Tiere beim Verteidigen zum Beispiel ihrer Futterplatzansprüche rangniedrigere Tiere mit Schnabelhieben „weghacken“ und so ihre Stellung festigen.

Man kann auf jedem Hühnerhof beobachten und für jedes Tier in einem Verhaltensprotokoll exakt vermerken, welches Huhn in einer Hühnergruppe welche anderen Hühner „hackt“ und von welchen Hühnern dieses Huhn selbst gehackt wird. Als Ergebnis wird man häufig feststellen, dass ein einziges Huhn alle anderen Hühner hackt und kaum je selbst gehackt wird; und dass wiederum ein einziges Huhn von allen anderen gehackt wird und nie oder nur selten nach anderen Hühnern hackt. Diese Form der sozialen Interaktion wird dann als Ausdruck einer Rangordnung gedeutet, in der eines der Hühner das ranghöchste Huhn ist (genannt Alpha-Huhn) und eines das rangniedrigste (genannt Omega-Huhn). Alle anderen Hühner sind in dieser Rangordnung zwischen den beiden Extremen zu verorten. Rangniedrigere Hühner lassen sich ohne große Gegenwehr zum Beispiel von ranghöheren Tieren vom Futterplatz vertreiben; die ranghöheren Hühner erlangen so Vorteile, u.a. auch beim Aufsuchen von Ruheplätzen.

Vom Nutzen einer Rangordnung

Den evolutionären „Nutzen“ einer Ausbildung von Rangordnungen im Verlauf der Stammesgeschichte einer Art sehen die Verhaltensbiologen darin, dass Kraft und Zeit kostende Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern einer Gruppe – beispielsweise um die Verteilung von Futter oder Wasser – auf ein Minimum beschränkt bleiben. Ranghohe Tiere sind zugleich in aller Regel besonders kräftig und haben oft größere Fortpflanzungschancen als ihre rangniederen Artgenossen: Auch dies ist langfristig ein Vorteil für den Fortbestand der Gruppe. Zugleich erfüllen ranghohe Individuen oft als Leittiere bestimmte „Pflichten“, beispielsweise bei der Beobachtung und der Abwehr von Gefahrenquellen, beim Führen einer Gruppe zu Futterstellen und Tränken und gelegentlich selbst beim Schlichten von Streitigkeiten zwischen rangniederen Tieren.

Das Entstehen und die Veränderung einer Rangordnung setzen voraus, dass die Tiere einer Gruppe sich „persönlich“ erkennen können – auch das dient letztlich dem langfristigen Fortbestand der Gruppe.

Beispiele für Rangordnungen

  • Ein Wolfsrudel ist im Normalfall ein erweiterter Familienverband mit einem alpha-Pärchen und ihrem Nachwuchs aus mehreren Generationen. Die Rangordnung kann aus der Gesamtheit der individuellen Dominanzbeziehungen zwischen den Tieren ermittelt werden. Ein ranghöheres Tier kann ein rangniederes in seinem Verhalten und seiner Bewegungsfreiheit einschränken und sich selbst mehr Freiheiten erlauben. Das andere Tier zeigt seine Subdominanz in dieser Beziehung, indem es das Verhalten akzeptiert und keine effektive Gegenwehr zeigt.[2] Beispielsweise pflanzt sich nur das alpha-Pärchen fort und versucht andere Rudelmitglieder an der Fortpflanzung zu hindern. Das Verhalten von Wölfen lässt sich nicht ohne Weiteres auf Haushunde übertragen. Aufgrund ihrer reduzierten Ausdrucksmöglichkeiten sind sie weniger effektiv im Vermeiden von Eskalationen in einer Hundegruppe, auch sind sie auf die Beziehung zu einem menschlichen Sozialpartner angewiesen.[3]
  • Weibliche verwilderte Hauskatzen, die in Rom in großer Zahl öffentliche Parks bewohnen, vertreiben männliche Katzen von den Futterplätzen, so lange sie selbst noch nicht satt sind. Jedoch dürfen Jungtiere, die in anderen Situationen am unteren Ende der Rangordnung stehen, noch vor den weiblichen Katzen fressen. [4]
  • Von manchen Fischarten in der Karibik wurde bekannt, dass sie ihrer Kampfkraft und ihrem Rang im Fischschwarm entsprechend nicht nur ihre Farbtönung wechseln, sondern dass in manchen Fällen sogar ein Wechsel des Geschlechts zu beobachten war.
  • Auch bei Wespen ist der Rang der Individuen sehr wichtig. Ranghöhere Wespen müssen weniger arbeiten, dürfen mehr eigene Eier legen und sich intensiver um die eigene Brut kümmern. Größe und Dominanz einer Wespe entscheiden über ihren Rang in der Gruppe. Wie Forscher im renommierten Wissenschaftsfachblatt Nature berichteten, trägt jede Feldwespe die Kennmale ihres Ranges gut sichtbar für alle anderen im Frontbereich ihres Kopfes: ein Muster aus schwarzen Flecken im gelben „Gesicht“; je dominanter, desto mehr Flecken. Dominante Tiere kämpfen, wie sich zeigte, erbittert um ihren Status.

Experimentelle Erforschung

Astatotilapia burtoni

Kommunikationsforscher der Stanford University haben bei einer afrikanischen Buntbarsch-Art eine als Vorstufe von Rangordnungen interpretierbares Verhalten nachgewiesen.[5] Die Buntbarsch-Männchen von Astatotilapia burtoni ("Burtons' Maulbrüter") aus dem Tanganjikasee verteidigen ihr kleines Revier gegen benachbarte Artgenossen, was eine kräftezehrende Angelegenheit ist. Den US-amerikanischen Verhaltensforschern war aufgefallen, dass die Fische vor einer Attacke gewissermaßen beobachten, wie stark ihre Nachbarn sind, wie erfolgreich ein Nachbar Angriffe abwehrt oder gar gewinnt. Im Laborexperiment konnte man dann tatsächlich nachweisen: Die Fischmännchen beobachten einander zunächst und greifen dann just jene Nachbarn an, die zuvor bereits in diversen Revierkämpfen nicht allzu gut abgeschnitten hatten. In den Experimenten waren Fische unterschiedlicher Kampfstärke zusammengesetzt worden. Die daraus resultierenden Kämpfe konnten jeweils von anderen Fischen – die durch Glasscheiben vom Kampfgeschehen getrennt waren – beobachtet werden. Auf diese Weise wurde im Experiment eine künstliche Rangordnung herbeigeführt und das Kampfverhalten der "Beobachter-Fische" signifikant vorhergesagt, wenn diese nach der Kampfbeobachtung ihrerseits mit einem der beobachteten Fische zusammengesetzt wurden.

  • Elizabeth Tibbets von der University of Arizona in den USA und ihr Kollege James Dale von der Simon Fraser University in Kanada betäubten durch eine Kälteruhigstellung im Kühlschrank Wespen und zeichneten mit einem Zahnstocherstift den so beruhigten Wespen anschließend ein neues Gesichtsmuster. Einige Wespen erhielten stärker fleckige Gesichter, bei anderen wurden die Flecken abgedeckt. Die so veränderten Wespen wurden einzeln jeweils mit einer anderen, naturbelassenen Wespe gleicher Gewichtsklasse in einen Glasbehälter gesetzt. Dort kämpften sie gegeneinander, um die "Machtverhältnisse" zu klären.
In der Auswertung der inszenierten Machtkämpfe erwies sich, dass es noch weitere, unerforschte Informationen geben muss, etwa Verhaltensmuster oder chemische Signale. Wenn eine Wespe diese Informationen mischt, etwa wenn sie einen anderen Rang vortäuscht, wird sie drakonisch bestraft. Selbst wenn die Machtverhältnisse längst geklärt sind, leidet eine "Vortäuscherin" weiterhin unter den Aggressionen der dominanten Wespe.
  • Bei Affen gibt es Rangordnungsverhältnisse, in die sowohl die Männchen als auch die Weibchen mit ihren Jungen einbezogen werden. In einem Experiment wurde einem rangniedrigen Affen eine Elektrode ins Gehirn implantiert, die dort das Nervenzentrum für Drohverhalten stimulieren konnte. Das solcherart vom Versuchsleiter bei passenden Gelegenheiten "gedopte" Tier stieg in der Rangordnung unaufhaltsam auf, bis es den Spitzenplatz einnahm – und auch dann behielt, als die Elektrostimulation beendet wurde. Auf diese Weise konnte gezeigt werden, dass bei Primaten nicht allein die Körperkraft für den Rang in ihrer Gruppe verantwortlich ist, sondern darüber hinaus auch gleichsam psychische Dispositionen wie "Wagemut".

Quellen

  1. Thorleif Schjelderup-Ebbe: Beiträge zur Sozialpsychologie des Haushuhns. In: Zeitschrift für Psychologie, Band 88, 1922, S. 225–252
  2. Feddersen-Petersen, Dorit Urd (2008): Ausdrucksverhalten beim Hund Stuttgart: Franckh-Kosmos
  3. Feddersen-Petersen, Dorit Urd (2004): Hundepsychologie (4. Aufl.) Stuttgart: Franckh-Kosmos
  4. Roberto Bonanni u. a.: Feeding-order in an urban feral domestic cat colony: relationship to dominance rank, sex and age. In: Animal Behaviour, Band 74, Nr. 5, November 2007, S. 1369–1379, doi:10.1016/j.anbehav.2007.02.029
  5. Logan Grosenick u.a.: Fish can infer social rank by observation alone. In: Nature, Band 445, Nr. 7126, vom 25. Januar 2007, S. 429 - 432

Literatur

  • Peter A. Berger:Individualisierung : Statusunsicherheit und Erfahrungsvielfalt. Westdt. Verlag, Opladen 1996, ISBN 3-531-12790-X
  • Andreas Humpert: Statusdevianz und nachbarschaftliche Kontaktvermeidung von Kindern. Essen 1996, Univ., Dissertation.

Siehe auch