Reduktiver Acetyl-CoA-Weg


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Kohlenstoffdioxid-Assimilation
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Der reduktive Acetyl-CoA-Weg (auch Wood-Ljungdahl-Weg) ist ein Stoffwechselweg autotropher, strikt anaerober Mikroorganismen und dient der Kohlenstoffdioxid-Assimilation, aber auch zur Energiegewinnung. Dieser Weg ist das biologische Äquivalent des Monsanto-Prozesses, bei dem auf technischen Wege Acetat dargestellt wird.

Vorkommen

Der reduktive Acetyl-CoA-Weg ist bei allen homoacetogenen sowie vielen sulfatreduzierenden grampositiven Bakterien bekannt. Anhand Moorella thermoacetica[1] wurden die meisten Untersuchungen über die Biochemie des reduktiven Acetyl-CoA-Weges durchgeführt.

Der Stoffwechselweg wurde auch in vielen methanogenen Archaeen der Abteilung Euryarchaeota nachgewiesen. Die sulfatreduzierenden Archaeen der Gattungen Archaeoglobus (z. B. Archaeoglobus fulgidus) und Ferroglobus betreiben diesen Weg ebenfalls.[2]

In allen Fällen läuft der reduktive Acetyl-CoA-Weg nur unter anaeroben Bedingungen ab.

Biochemie

Bei dem reduktiven Acetyl-CoA-Weg handelt es sich um einen nichtzyklischen Weg der Fixierung von Kohlenstoffdioxid (CO2) bzw. verschiedenen C1-Verbindungen wie Formiat, Methanol, Kohlenmonoxid, Methylamin oder Methylether. Die Reduktionsäquivalente stammen hierbei aus elementarem Wasserstoff (H2). Oben genannte Mikroorganismen können mit diesen C1-Verbindungen und H2 wachsen, da die Acetatbildung unter Standardbedingungen energetisch günstig ist (ΔG0’ = −95 kJ/mol[3] bzw. −104 kJ/mol[4]):

$ \mathrm {4\ H_{2}+2\ CO_{2}\longrightarrow CH_{3}COO^{-}+H^{+}+2\ H_{2}O} $
Vier Moleküle Wasserstoff und zwei Moleküle Kohlenstoffdioxid werden zu einem Molekül Essigsäure (hier dissoziiert) und zwei Molekülen Wasser umgesetzt.

Das Schlüsselenzym ist hierbei die hoch oxidationsempfindliche CO Dehydrogenase/Acetyl-CoA-Synthase (CODH/ACS bzw. Acetyl-CoA-Synthase-Komplex), die sowohl eine Kohlenmonoxiddehydrogenase-Aktivität hat (CO-Dehydrogenase), als auch Acetyl-CoA synthetisieren kann (Acetyl-CoA-Synthase).

Die Fixierung beinhaltet zwei Zweige, die nach ihren Entdeckern benannt wurden. Im „Methyl-Zweig“ wird CO2 zu einem Methylrest (CH3) reduziert, was durch die wissenschaftliche Arbeit von Lars Ljungdahl entdeckt wurde. Die enthaltenen Stoffwechselwege sind in allen bekannten Lebewesen in ähnlicher Form vorhanden. Harland Woods Arbeit klärte den Weg im sogenannten „Carbonyl-Zweig“, bei dem das zweite Molekül CO2 zu Kohlenstoffmonoxid (CO) reduziert wird.

Es sind viele Varianten des reduktiven Acetyl-CoA-Weges bekannt. Sie unterscheiden sich in den beteiligten Coenzymen und den Elektronenüberträgern. Die dabei stattfindenden biochemischen Prozesse sind bisher nur in Acetogenen, Methanogenen und Sulfatreduzierern identifiziert worden.

In der Literatur sind ferner die Bezeichnungen östlicher (eastern) bzw. westlicher (western) Zweig für den Methyl- bzw. Carbonyl-Zweig bekannt.[5] Im Folgenden wird der Weg für Bakterien beschrieben, weiter unten findet sich ein Kapitel über den Weg in Archaeen.

Der reduktive Acetyl-CoA-Weg in Bakterien, für Einzelheiten bitte Text beachten. Der Stoffwechselweg ist kein Zyklus, jedoch werden die daran beteiligten Coenzyme in kleineren Zyklen regeniert.

Methyl-Zweig

Ein Molekül CO2 wird durch eine Formiatdehydrogenase (EC 1.2.1.43) unter Verbrauch von NADPH zu Ameisensäure reduziert, was unter physiologischen Bedingungen als Formiat (HCOO) vorliegt. Die Dehydrogenase ist ein Wolfram- und Selenocystein-enthaltenes Enzym. Formiat kondensiert dann mit Tetrahydrofolat (TH4) zu N10-Formyl-FH4, dabei wird ein Molekül ATP benötigt. Diese Reaktion katalysiert eine 10-Formyl-THF-Synthetase (EC 6.3.4.3), ein Homotetramer in M. thermoacetica. N10-Formyl-FH4 wird durch mehrere Reduktionsschritte schließlich zu N5-Methyl-FH4 umgesetzt, dabei wird die Formylgruppe zu einer Methylgruppe reduziert. Diese Methylgruppe wird schließlich bei Na+-Acetogenen[6] durch eine Methyltransferase auf das Cobalt(I)-Atom eines organometallischen Methylcobamid (ein Vitamin B12-Derivat) übertragen, eine prosthetische Gruppe des Corrinoid-Eisen-Schwefel-Proteins (CFeSP[7] oder auch CoFeSP). Damit die Methylgruppe von Tetrahydrofolat auf das Cobaltatom übertragen werden kann, muss sie erst aktiviert werden. Es wird vorgeschlagen, dass hierfür das Stickstoffatom an Position 5 von N5-Methyl-FH4 protoniert wird.[8]

CFeSP lagert sich dann an den Acetyl-CoA-Synthese-Komplex an und kann damit die Methylgruppe für die folgende Kondensation einspeisen.

Carbonyl-Zweig

Das zweite Molekül CO2 wird durch eine CO-Dehydrogenase zu Kohlenmonoxid reduziert, was enzymgebunden am Acetyl-CoA-Synthese-Komplex verbleibt. Falls die Mikroorganismen auf CO wachsen, kann dieses auch direkt gebunden werden. Die CODH ist ein Nickel enthaltendes Eisen-Schwefel-Protein. Der Acetyl-CoA-Synthese-Komplex katalysiert schließlich die Kondensation des Methylrestes, des Carbonylrestes und von Coenzym A zu Acetyl-CoA:

$ \mathrm {[CH_{3}]+[CO]+CoA{\text{-}}SH\longrightarrow Acetyl{\text{-}}CoA} $

Stoffwechselweg in Archaeen

Der reduktive Acetyl-CoA-Weg in Archaeen, für Einzelheiten bitte Text beachten. Der Stoffwechselweg ist auch dort kein Zyklus, jedoch werden die daran beteiligten Coenzyme in kleineren Zyklen regeniert.

Der reduktive Acetyl-CoA-Weg in Archaeen entspricht weitgehend dem in Bakterien. Es gibt jedoch ein paar Unterschiede (vgl. auch rechtes Bild).

So wird in Archaeen im Methyl-Zweig Kohlenstoffdioxid reduktiv an Methanofuran gebunden, dabei wird Ferredoxin oxidiert und es entsteht Formylmethanofuran. Formylmethanofuran gibt die Formylgruppe an Tetrahydromethanopterin ab, was an Stelle von Tetrahydrofolat verwendet wird. Dabei entsteht Formyltetrahydromethanopterin (Formyl-H4MPT), was die Formylgruppe am N-5 statt N-10 wie beim Tetrahydrofolat gebunden hat. Im Gegensatz zu Weg in Bakterien wird also kein ATP benötigt. Die Reduzierung dieser Formylgruppe verläuft analog wie bei Bakterien, die Elektronen stammen aus dem Cofaktor F420.

Auch für die Reduzierung von Kohlenstoffdioxid nutzt die CO-Dehydrogenase die Reduktionskraft des Cofaktors F420.

Bedeutung

Bei dieser Art der CO2-Fixierung handelt es sich vermutlich um die älteste und wurde bereits eine Milliarde Jahre vor der ersten Sauerstoffbildung betrieben.[3] Das gebildete Acetyl-CoA wird zum Aufbau von Zellbestandteilen zu Triosephosphat weiter umgesetzt. Hierbei wird ein weiteres Molekül CO2 fixiert, was eine Ferredoxin-abhängige Pyruvatsynthase katalysiert. Dieses wird schließlich unter Verbrauch von drei Molekülen ATP zu Triosephosphat umgesetzt.

Insgesamt werden für den Aufbau von einem Molekül Triosephosphat vier Moleküle ATP verbraucht. Damit ist der reduktive Acetyl-CoA-Weg energetisch gesehen der günstigste Weg zur Kohlendioxidfixierung. Jedoch benötigt er viele Coenzyme und viele seltene Metalle (Fe, Co, Ni, Mo oder W).

Der Weg kann aber auch, wie bei homoacetogenen Bakterien, zur Energiegewinnung genutzt werden (Homoacetatgärung). Dadurch wird ein Molekül Glucose zu drei Molekülen Acetat abgebaut. Hierbei wird Glucose in der Glykolyse zu zwei Molekülen Pyruvat umgesetzt. Diese werden durch eine Pyruvat-Ferredoxin-Oxidoreduktase zu zwei Molekülen Acetyl-CoA oxidativ decarboxyliert. Die energiereiche Thioesterbindung in Acetyl-CoA wird ausgenutzt, um ATP durch Substratkettenphosphorylierung zu generieren (über Acetylphosphat). Infolgedessen entstehen neben Acetat auch Reduktionsäquivalente und CO2. Letztere können dann im reduktiven Acetyl-CoA-Weg zu Acetat umgesetzt werden.

$ \mathrm {Glucose+4\ ADP+4\ P_{i}\longrightarrow 3\ Acetat+4\ ATP} $

Es wird auch ein Protonengradient (z. B. bei M. thermoacetica) über der Membran aufgebaut. Dieser wird von einer ATPase zur weiteren protonengetriebenen ATP-Synthese genutzt. Manche Acetogene, beispielsweise Acetobacterium woodii oder Propionigenium modestum, translozieren Natriumionen statt Protonen. Sie besitzen dementsprechend eine Natriumionen-abhängige ATP-Synthase.

Umkehrbarkeit des Weges

Der Stoffwechselweg kann in beide Richtungen ablaufen. Entweder können - wie oben geschildert - aus C1-Verbindungen Acetat erzeugt werden. Manche Mikroorganismen können jedoch durch ihn auch auf Acetat wachsen, da dieses im Wood-Ljungdahl-Weg zu zwei Molekülen CO2 abgebaut wird.

Literatur

  • Drake, HL. et al. (2008): Old acetogens, new light. In: Ann NY Acad Sci. 1125; 100–128; PMID 18378590; PDF (freier Volltextzugriff, engl.)
  • Katharina Munk (Hrsg.): Taschenlehrbuch Biologie: Mikrobiologie. Thieme Verlag Stuttgart 2008; ISBN 978-3-13-144861-3; S. 413
  • Georg Fuchs (Hrsg.), Hans. G. Schlegel (Autor): Allgemeine Mikrobiologie. Thieme Verlag Stuttgart; 8. Auflage 2007; ISBN 3-13-444608-1; S. 248f.
  • Wolfgang Fritsche: Mikrobiologie. Spektrum Akademischer Verlag; 3. Auflage 2001; ISBN 3-8274-1107-6; S. 251ff.
  • Ragsdale, SW. und Pierce, E. (2008): Acetogenesis and the Wood-Ljungdahl pathway of CO(2) fixation. In: Biochim Biophys Acta. 1784(12); 1873–1898; PMID 18801467; PDF (freier Volltextzugriff, engl.)
  • Ragsdale, SW. (2004): Life with carbon monoxide. In: Crit Rev Biochem Mol Biol. 39(3); 165–195; PMID 15596550; PDF (freier Volltextzugriff, engl.)

Einzelnachweise

  1. M. thermoacetica bei KEGG; 1994 erfolgte Umbenennung von Clostridium thermoaceticum
  2. Berg, IA. et al. (2010): Study of the distribution of autotrophic CO2 fixation cycles in Crenarchaeota. In: Microbiology 156 (Pt 1); 256–269; PMID 19850614; doi:10.1099/mic.0.034298-0
  3. 3,0 3,1 Ragsdale, SW. (2004): Life with carbon monoxide. In: Crit Rev Biochem Mol Biol. 39(3); 165–195; PMID 15596550; PDF (freier Volltextzugriff, engl.)
  4. Wolfgang Fritsche a. a. O; S. 252
  5. Ragsdale, SW. (1997): The eastern and western branches of the Wood/Ljungdahl pathway: how the east and west were won. In: Biofactors 6(1); 3–11; PMID 9233535
  6. Martin, W. und Russell, MJ. (2007): On the origin of biochemistry at an alkaline hydrothermal vent. In: Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci. 362(1486); 1887–1925; PMID 17255002; PDF (freier Volltextzugriff, engl.)
  7. Hu, SI. et al (1984): Acetate synthesis from carbon monoxide by Clostridium thermoaceticum. Purification of the corrinoid protein. In: J Biol Chem. 259(14); 8892–8897; PMID 6746629; PDF (freier Volltextzugriff, engl.)
  8. Ragsdale, SW. (2008): Enzymology of the wood-Ljungdahl pathway of acetogenesis. In: Ann NY Acad Sci.1125; 129–136; PMID 1837859; PDF (freier Volltextzugriff, engl.)

Siehe auch

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