Refeeding-Syndrom
Unter dem Begriff Refeeding-Syndrom fasst man eine Gruppe teils lebensbedrohlicher Symptome zusammen, die durch rasche Zufuhr normaler Nahrungsmengen nach langer Zeit der Unterernährung hervorgerufen werden können. Erstmals beschrieben wurde dieses Phänomen bei der Befreiung japanischer Kriegsgefangener und der Befreiung nationalsozialistischer Konzentrationslager im Zweiten Weltkrieg. Es spielt aber auch heutzutage beispielsweise bei der Behandlung der Anorexia nervosa eine wichtige Rolle.
Pathophysiologie
Bedingt durch die Mangelversorgung des Organismus mit Glukose, dem wichtigsten Energieträger, beginnt der Körper in Zeiten der Unterernährung, seinen Energiebedarf größtenteils mittels Fettverbrennung (Lipolyse) zu decken. Damit verbunden ist ein Anstieg der freien Fettsäuren im Blut, aber auch eine Abnahme der Glukose- und Insulinkonzentration.
Verfügt der Organismus nach dieser Umstellung plötzlich wieder über genügend Glukose, reagiert er mit der Einstellung der Lipolyse und einer erhöhten Insulinausschüttung, um die sich im Blut befindliche Glukose in die Zellen zu befördern. Damit verbunden ist auch ein Anstieg der Kalium-, Magnesium- und Phosphatkonzentration intrazellulär mit einem entsprechenden Abfall der Konzentrationen außerhalb der Zellen (und im Blut). Bedingt durch das so entstandene Ungleichgewicht der intra- und extrazellulären Elektrolytkonzentrationen kommt es zu den beschriebenen Symptomen.
Symptomatik
In der Regel manifestieren sich die klinischen Symptome des Refeeding Syndroms innerhalb der ersten vier Tage nach Wiederaufnahme einer physiologischen Ernährung. Die klassischen Zeichen sind Wassereinlagerungen im Gewebe (Ödeme), akutes Herzversagen und ein akuter Vitamin-B-1-Mangel.[1] Bedingt durch die Tatsache, dass die unterschiedlichen Elektrolytkonzentrationen intra- und extrazellulär insbesondere zur Aufrechterhaltung des Ruhepotentials der Nervenzellen benötigt werden, kommt es häufig zu neurologischen Ausfallerscheinungen. Weitere Symptome können eine durch eine Hypomagnesämie hervorgerufene Arrhythmie, Ataxie, Krämpfe und Zittern sein. Eine Hypokalämie kann eine arterielle Hypotension, einen Herzstillstand, eine Verstopfung (Obstipation) und einen Atemstillstand hervorrufen. Ein Zerfall von roten Blutkörperchen (Hämolyse), Thrombozyten- und Leukozytenfunktionsstörungen können als weitere Symptomatik auftreten.
Prophylaxe und Behandlung
Aufgrund der Tatsache, dass ein unbemerktes Refeeding Syndrom in der Regel zum Tod führt, ist neben der Vermeidung eines Refeeding Syndroms durch schrittweise und nicht plötzliche physiologische Nahrungsaufnahme (empfohlen wird eine anfängliche Ernährung mit ca. 1000 kcal/d, wobei bis zur metabolischen Stabilisierung des Patienten die Kalorienzufuhr in den ersten zehn Tagen nur langsam erhöht werden soll) auch eine engmaschige Kontrolle der Elektrolyte im Blut erforderlich. Fehlende Elektrolyte sollten substituiert werden.
Literatur
Zauner C, Kneidinger N, Lindner G, Schneeweiß B, Zauner A: Das Refeeding-Syndrom. In: Journal für Gastroenterologische und Hepatologische Erkrankungen 2005; 4:7-11 Volltext online, pdf
Einzelnachweise
- ↑ M. Korbonits, D. Blaine, M. Elia, J. Powell Tuck: Metabolic an hormonal changes during the refeeding period of prolonged fasting. In: Eur J Endocrin 2007; 157:157-166