Schlupfwespen



Schlupfwespen

Holzwespen-Schlupfwespe (Rhyssa persuasoria) beim Anstechen eines Fichtenstammes, in welchem sie nach Wirtslarven (Holzwespenlarven) sucht

Systematik
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Hautflügler (Hymenoptera)
Unterordnung: Taillenwespen (Apocrita)
Teilordnung: Legimmen (Terebrantia)
Überfamilie: Schlupfwespenartige (Ichneumonoidea)
Familie: Schlupfwespen
Wissenschaftlicher Name
Ichneumonidae
Vorgang der Eiablage bei einer Riesenschlupfwespe (Dolichomitus imperator)
Schlupfwespe
Itoplectis maculator injiziert ihre Eier in Puppen der Pflaumen-Gespinstmotte. Video ( 1m 22s)

Die Schlupfwespen (Ichneumonidae) bilden in Mitteleuropa die artenreichste Familie der Hautflügler und stellen auch die größten Arten unter den parasitoiden Hymenopteren. Gelegentlich wird der Name „Schlupfwespen“ als Bezeichnung für die Lebensweise verwendet, die nicht nur die Ichneumonidae, sondern auch andere Legimmen besitzen, daher nennt man die Ichneumonidae auch „Echte Schlupfwespen“ oder „Schlupfwespen im engeren Sinn“.

Die in Nadelwäldern in ganz Europa heimische Holzwespen-Schlupfwespe Rhyssa persuasoria erreicht mit ca. 5 Zentimeter (plus nochmals je etwa so viel für Legestachel und Fühler) eine beachtliche Körperlänge.

Lebensweise

Parasitiert werden holometabole Insekten, am häufigsten Schmetterlinge, Pflanzenwespen, Käfer u. a. Einige spezialisierte Formen parasitieren auch in Spinnenkokons, wo sie sich von den Spinneneiern ernähren, oder als Ektoparasiten an den Spinnen selbst. Hemimetabole Insekten jedoch werden nach bisherigem Kenntnisstand von dieser Familie verschont (nicht jedoch etwa von den Erzwespen, die zu den Schlupfwespen im weiteren Sinne zählen).

Die Parasitierungsraten durch die Ichneumonidae können im Freiland hohe Werte von über 50 Prozent bis zu 80 Prozent und sogar 90 Prozent betragen, besonders bei Massenentwicklungen der Wirtsart. Dadurch fungieren die Schlupfwespen als sehr wichtige Antagonisten vieler Schädlingsarten und halten deren Populationen auf natürliche Weise in Grenzen.

Einige Ichneumonidae-Arten besitzen einen endogenen viralen Vektor aus der Familie der Polydnaviridae, der nur in den Calyxzellen der Ovarien der Wespen gebildet wird und nach einer Koinjektion mit den Nachkommen den Stoffwechsel, die Immunreaktion und das Verhalten des Wirts verändert.

Unterfamilien

  • Lycorininae
  • Orthopelmatinae
  • Orthocentrinae
  • Tersilochinae
  • Microleptinae
  • Mesochorinae
  • Xoridinae
  • Acaenitinae
  • Ophioninae
  • Anomaloninae
  • Cremastinae
  • Porizontinae
  • Diplazontinae
  • Metopiinae
  • Scolobatinae
  • Tryphoninae
  • Banchinae
  • Ephialtinae (=Pimplinae)
  • Cryptinae (=Gelinae)
  • Ichneumoninae

Einige Arten

Wirtschaftliche Bedeutung

Schlupfwespen haben in der Kontrolle von für den Menschen unerwünschten Insekten wirtschaftliche Bedeutung; diese ist allerdings schwer quantifizierbar. Einige Schlupfwespenarten werden kommerziell gezüchtet und in der Biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt, z. B. zur Kontrolle von Lebensmittelmotten[1] oder Lauchmotten.

Literarische Bedeutung

Im alten China glaubte man, dass Schlupfwespen keine Junge haben, sondern Raupen in Schlupfwespen verwandeln. Diese vermutete Verwandlungskraft taucht immer wieder in philosophischen und literarischen Werken auf. So z. B. im Buch XIII von Zhuangzis Buch vom wahren südlichen Blütenland.

Unter dem Namen Ichneumōn („Spürer“) beschrieb Aristoteles in der Historia animalium ein Insekt: "Die Wespen aber, welche Ichneumonen genannt werden, die kleiner als die übrigen sind, töten die Spinnen, schleppen die Leichname in alte verfallene Mauern oder andere durchlöcherte Körper und überziehen das Loch mit Lehm; daraus aber entstehen die spürenden Wespen."[2] Diese Stelle wurde von dem Römer Plinius der Ältere in seine Naturalis historia übernommen. Es ist anzunehmen, dass Carl von Linné dieser Text bekannt war, als er eine Schlupfwespe mit diesem Namen versah (die Gattung Ichneumon im neuen Sinn parasitiert allerdings tatsächlich bei Schmetterlingen).

Derselbe Name bezeichnet im Altgriechischen außerdem eine ägyptische Schleichkatzenart (Herpestes ichneumon, vgl. Ichneumon), die nach der antiken Überlieferung (ebenfalls bei Aristoteles) dem schlafenden Krokodil ins Maul kriechen und ihm von hier aus das Herz zerbeißen solle.

Die scheinbare Grausamkeit der Lebensweise (einschließlich des Kannibalismus unter den Larven) der Ichneumonidae aus menschlicher Sicht beschäftigte im 19. Jahrhundert Philosophen, Naturwissenschaftler und Theologen, da diese Lebensweise unvereinbar mit der Existenz eines guten und eingreifenden Gottes sei (Theodicee).[3] Charles Darwin fand das Beispiel der Ichneumonidae so verstörend, dass es seine Zweifel an der Existenz eines Schöpfers verstärkte, wie er 1860 in einem Brief an den amerikanischen Naturalisten Asa Gray schrieb:

„I own that I cannot see as plainly as others do, and as I should wish to do, evidence of design and beneficence on all sides of us. There seems to me too much misery in the world. I cannot persuade myself that a beneficent and omnipotent God would have designedly created the Ichneumonidae with the express intention of their feeding within the living bodies of Caterpillars, or that a cat should play with mice.“[4]

Ich kann nicht so einfach wie Andere die Beweise für eine gezielte Erschaffung und allseitiges Wohlwollen erkennen, auch wenn ich es mir wünschen sollte. Es erscheint mir zu viel Elend in der Welt. Ich kann mich nicht davon überzeugen, dass ein wohlwollender und allmächtiger Gott die Ichneumonidae mit der Absicht erschaffen haben sollte, dass sie sich vom Inneren von Raupen ernähren, oder dass eine Katze mit Mäusen spiele.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bio Aktuell 02/09: Vorratsschutz: raue Parasitensitten (PDF; 483 kB)
  2. Historia animalium, Buch 5, Teil 20. Übersetzung Alfred Brehm, aus Brehms Thierleben
  3. Nonmoral Nature. Abgerufen am 5. April 2011.
  4. Letter 2814 — Darwin, C. R. to Gray, Asa, 22 May [1860]. Abgerufen am 5. April 2011.

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