Spiegeltherapie


Bildliche Erklärung der Spiegelterapie bei der die amputierte Hand des Patienten durch die gesunde gespiegelt wird (das Spiegelbild ist etwas heller dargestellt), sodass der Patient das Gefühl hat er hätte wieder zwei Hände

Die Spiegeltherapie ist eine 1996 von Vilayanur S. Ramachandran erfundene zu den Imaginationstherapien zählende Behandlungsform gegen Phantomschmerzen nach einer Amputation bei der mithilfe von Spiegeln eine gesunde Gliedmaße des Patienten gespiegelt wird und somit die amputierte Gliedmaße für ihn scheinbar wieder vorhanden ist. Dieses Phantomglied kann nun über das gesunde gezielt bewegt und beeinflusst werden. Beispielsweise kann der Phantomkörperteil aus einer (imaginären) schmerzhaften Position in eine angenehmere Position bewegt werden und somit der Phantomschmerz gelindert werden.

Beschreibung

Der Patient setzt sich so vor einen Spiegel, dass die kranke oder amputierte Hand oder der kranke Fuß von ihm verdeckt ist und im Spiegelbild die gesunde Hand oder Fuß sichtbar ist. Anschließend setzt man den gesunden Körperteil Berührungsreizen aus. Das Gehirn interpretiert nach einiger Zeit diese Reize so, als ob sie vom kranken beziehungsweise amputierten Körperteil kämen. Das Ziel der Therapie ist eine Verringerung der medikamentösen Phantomschmerzbehandlung.

Zeichnung eines Spiegelkastens für die Spiegeltherapie

In der ursprünglichen Form besteht die Spiegelanordung aus einem oben offenen Kasten mit zwei Löchern durch die der Patient seinen gesunden Arm und den amputierten Stumpf des anderen Arms stecken kann. Dieser Kasten ist mittig zwischen den Löchern durch eine senkrechte nach links und rechts spiegelnde Trennwand halbiert. Betrachtet der Patient den Kasten etwas seitlich sieht er seine gelähmte Phantomhand im Spiegel und hat das Gefühl diese (über seine gesunde Hand) nun bewegen zu können und somit beispielsweise aus einer (imaginären) schmerzhaften Position in eine angenehmere Position zu bewegen.

Therapieentstehung

Ausgehend von der Beobachtung, dass Phantomgliedpatienten eher über lähmende und schmerzhafte Phantome klagen, wenn der Körperteil vor seiner Amputation tatsächlich gelähmt war (beispielsweise durch eine Verletzung des Plexus brachialis), schlugen Vilayanur S. Ramachandran und Rogers-Ramachandran die "Erlernte-Paralyse-Hypothese" als Erklärung für Phantomschmerzen vor. Nach ihrer Hypothese erfuhr der Patient bei jedem Versuch das Phantomglied zu bewegen den Sinneseindruck, dass dieses sich nicht bewegt hatte. Dieser Sinneseindruck prägte sich über hebbsches Lernen ins Gehirn ein, sodass das Gehirn, obwohl das Glied nicht mehr vorhanden war, lernte, dass das Phantomkörperteil gelähmt ist.

Ein Phantomkörperteil wird oft als schmerzhaft empfunden, weil er sich in einer unbequemen oder unnatürlichen Position anfühlt, aus der der Patient ihn nicht wegbewegen kann. Um das Gehirn neu zu trainieren und somit die erlernte Paralyse zu beseitigen erfanden Ramachandran und Rogers-Ramachandran ausgehend von ihrer Hypothese die Spiegeltherapie mithilfe des Spiegelkastens.

Weitere Anwendungsgebiete

Außer bei Amputationen wird diese Methode auch bei Allodynie, Schlaganfall, Lähmungen und Wahrnehmungsstörungen angewandt. So wurde an der Ruhr-Universität Bochum eine Spiegeltherapie zur Behandlung von Essstörungen entwickelt. Dabei wird der Patient aufgefordert, sich gezielt in einem Spiegel zu betrachten.

Besucherexperiment in der Ausstellung "Dein Gehirn" in der Völklinger Hütte. Im Experiment kann der Besucher mit vollständigen Gliedmaßen den Effekt in einem Experiment erfahren. Eine durch den Spiegel geführte Eisenstange hält rechts und links des Spiegels jeweils einen Ring. Durch die Stange wird eine sinnvolle Ausgangsposition gewährleistet. Der Betrachter packt beide Ringe, sieht wegen des seitlichen Blickwinkels tatsächlich nur eine Hand, die andere wird vom Spiegel verdeckt. Wird nur die verdeckte Hand bewegt entsteht der irritierende Eindruck, dass sie dem Willen nicht gehorcht.

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