Wiesenotter



Wiesenotter

Wiesenotter (Vipera ursinii macrops)

Systematik
Klasse: Reptilien (Reptilia)
Ordnung: Schuppenkriechtiere (Squamata)
Unterordnung: Schlangen (Serpentes)
Familie: Vipern (Viperidae)
Gattung: Echte Ottern (Vipera)
Art: Wiesenotter
Wissenschaftlicher Name
Vipera ursinii
(Bonaparte, 1835)

Die Wiesenotter (Vipera ursinii) ist eine eurasische Giftschlange, andere Namen für diese Schlangenart sind Spitzkopfotter und Karstotter.

Merkmale

Erwachsene Wiesenottern sind mit einer Körperlänge von rund einem halben Meter die kleinsten europäischen Giftschlangen. Ihr Körperbau ist im Vergleich zu anderen Vipern relativ schlank, ihre Körperfarbe ist in der Regel braun oder grau beziehungsweise dunkelgrün oder -gelb, der Rücken ist meist (ähnlich der Kreuzotter) mit einem schwarzen Zickzackband gemustert, das von einem hellen Band umgeben ist. Durch ihre gekielten Schuppen fühlt sich die Wiesenotter beim Berühren rau an.

Verbreitung

Die Wiesenotter ist in Europa eine der am meisten gefährdeten Arten; momentan kommt sie noch in Mittelitalien, dem südlichen Balkan, Ungarn und Westfrankreich vor.[1] Doch die Populationen in Ungarn, Bulgarien und Frankreich stehen kurz vor dem Aussterben. Die Gefährdungsursache ist die Trockenlegung von Feuchtwiesen durch den Menschen; dadurch gilt sie auch in Österreich als ausgestorben: Der letzte gesicherte Nachweis stammte von 1973, mehrere methodische Suchen in den theoretisch geeigneten Lebensräumen in Niederösterreich und im Burgenland blieben erfolglos.[2] [3] Während sich die Verbreitung der ungarischen Wiesenotter V. u. rakosiensis früher von Österreich über Ungarn bis Siebenbürgen und dem Norden Bulgariens erstreckte, kommt sie heute nur noch in kleinen Populationen in der ungarischen Tiefebene zwischen Donau und Theiß sowie im Nationalpark Fertő-Hanság vor.[4]

Lebensweise

Die Wiesenotter ernährt sich vorwiegend von Heuschrecken und Grillen, gelegentlich stehen auch Eidechsen, Frösche und junge Mäuse auf ihrem Speiseplan. Die Wiesenotter ist ovovivipar, also lebendgebärend.

Je nach Lebensraum lassen sich die Unterarten in zwei Gruppen einteilen, was sich auch in den deutschen Namen widerspiegelt: Die Wiesenottern Vipera u. rakonsiensis und Vipera u. moldavica bevorzugen warm-feuchte Wiesen und Schwemmland als Lebensraum. Die Wiesenotter kommt fast ausschließlich im Flachland vor. Die Karstottern Vipera u. ursinii, Vipera u. graeca und Vipera u. macrops leben im subalpinen Bereich in 1000 bis 2400 Höhenmetern und erreichen selten mehr als 45 cm Körperlänge.[5]

Taxonomie

Wiesenotter (Vipera ursinii)

Innerhalb der Familie der Vipern (Viperidae) gehört die Wiesenotter zur Gattung der Echten Ottern (Vipera). Erstmals wurde sie von Bonaparte 1835 als Pelias ursinii beschrieben. 1893 reiht Boulenger sie als Vipera ursinii bei den Echten Ottern ein.[6]

Karstotter (Vipera ursinii macrops) (Kroatien)

Nachdem Nilson und Andrén die Systematik 2001 überarbeiteten,[7] unterscheidet man folgende Unterarten:[8]

  • Vipera u. ursinii – Mittelitalien
  • Vipera u. macrops – Balkan
  • Vipera u. rakosiensis – Ungarn bis Rumänien
  • Vipera u. graeca – Griechenland
  • Vipera u. moldavica – Rumänien, Bulgarien, Moldawien

Die vormals unterschiedene Unterart Vipera u. wettsteini (Mittelfrankreich) wird meist der Nominatform Vipera u. ursinii zugeordnet.[9] Die Unterart Vipera u. anatolica (Südtürkei) wird inzwischen als eigenständige Art Vipera anatolica deklariert.[10] Gleiches gilt für die Unterarten Vipera u. eriwanensis – heute Armenische Wiesenotter (Vipera eriwanensis)[11] – und Vipera u. renardi – heute Steppenotter (Vipera renardi).[12][13] Die 1955 von Knöpfner und Sochurek eingeführte Unterart Vipera u. ebneri gilt heute meist als Synonym zu Vipera eriwanensis.[14]

Gift

Aufgrund ihrer geringen Größe hat die Wiesenotter von allen europäischen Vipern die kleinsten Giftdrüsen. Das Gift selber ist als überaus wirksam erprobt worden. Es ist deutlich stärker als das verwandter Arten aus dem Europäischen Verbreitungsgebiet. Dennoch kommt es bei Bissen von Menschen alleine aufgrund der geringen Giftmenge zu verhältnismäßig schwachen Vergiftungserscheinungen. Der Biss der kleinen Viper wird mit dem Stich einer Wespe verglichen. Allerdings ist wie bei diesem eine folgeschwere Erkrankung zu erwarten, wenn der Organismus des Betroffenen allergisch reagiert oder es zu Sekundärinfektionen kommt. Auf keinen Fall darf eine Verletzung unterschätzt werden. Ärztliche Hilfe ist stets in Anspruch zu nehmen!

Artenschutz

Die Wiesenotter steht in vielen Ländern unter Naturschutz, der Handel mit dieser Schlange ist unter dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen praktisch verboten: Sämtliche europäischen Populationen sind unter Anhang 1 gelistet und entsprechend besonders geschützt.[15] Die FFH-Richtlinie listet die die Wiesenotter in Anhang II und IV, also als streng zu schützende Art, für die besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. V. u. rakosiensis ist auf Grund ihrer akuten Bedrohung als prioritär eingestuft. In Deutschland ist sie durch das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt.[16]

Mehrere LIFE+-Projekte der EU bemühen sich derzeit um ihren Schutz,[17] wie zum Beispiel in Ungarn.[18]

Literatur

  • Benny Trapp: Amphibien und Reptilien des Griechischen Festlandes. Natur und Tier - Verlag, Münster 2007, ISBN 978-3-86659-022-9, S. 18–21 und 254–257.

Einzelnachweise

  1. Vipera ursinii in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2010. Eingestellt von: Ulrich Joger, Jelka Crnobrnja Isailovic, Milan Vogrin, Claudia Corti, Bogoljub Sterijovski, Alexander Westerström, László Krecsák, Valentin Pérez Mellado, Paulo Sá-Sousa, Marc Cheylan, Juan M. Pleguezuelos, Roberto Sindaco, 2008.
  2. Werner Kammel: Zur Situation der Wiesenotter, Vipera ursinii rakosiensis (Méhely, 1894) (Squamata: Serpentes: Viperidae), in Niederösterreich. In: Herpetozoa. Band 5. Wien August 1992, S. 3–11.
  3. Werner Kammel: Zur Situation der Wiesenotter, Vipera ursinii rakosiensis (MEHELY, 1894), und der Pannonischen Bergeidechse, Lacerta vivipara pannonica LAC & KLUCH, 1968, im Burgenland (Österreich). In: Herpetozoa. Band 5. Wien Dezember 1992, S. 109–118.
  4. Beata Ujvari, Thomas Madsen und Mats Olsson: Discrepancy in mitochondrial and nuclear polymorphism in meadow vipers (Vipera ursinii) questions the unambiguous use of mtDNA in conservation studies. In: Amphibia-Reptilia. Nr. 26, 2005, S. 287–292 (PDF, 0,1 MB).
  5. Kreiner: The Snakes of Europe. 2007, S. 269, 272ff.
  6. Paul Edgar, David R. Bird: Action Plan for the Conservation of the Meadow Viper (Vipera ursinii) in Europe. In: T-PVS/Inf. Nr. 21, November 2006, S. 9.
  7. G. Nilson, C. Andrén: The meadow and steppe vipers of Europe and Asia – the Vipera (Acridophaga) ursinii complex. In: Acta Zoologica Academiae Scientiarum Hungaricae. Nr. 47, 2001, S. 87–267.
  8. Guido Kreiner: The Snakes of Europe – All Species from West of the Caucasus Mountains. Chimaira Buchhandelsgesellschaft, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-89973-475-1, S. 268–284.
  9. Kreiner: The Snakes of Europe. 2007, S. 272.
  10. Kreiner: The Snakes of Europe. 2007, S. 280.
  11. Bilal Kutrup, Ufuk Bülbül, Nurhayat Yilmaz: On the Distribution and Morphology of the Steppe Viper, Vipera eriwanensis (REUSS, 1933), from Gavur Mountain (Gümüflhane). In: Turk J Zool. 2005.
  12. Dieter Glandt: Taschenlexikon der Amphibien und Reptilien Europas. Alle Arten von den Kanarischen Inseln bis zum Ural. Quelle und Meyer, Wiebelsheim 2010, ISBN 978-3-494-01470-8, S. 588–589.
  13. The Reptile Database: Vipera renardi
  14. The Reptile Database: Vipera ursinii
  15. Washingtoner Artenschutzübereinkommen, Anhang I, II und III. Stand vom 22. Mai 2009.
  16. Wissenschaftliches Informationssystem zum Internationalen Artenschutz: Taxon Information. Stand vom Juli 2009.
  17. Best LIFE Nature Projects 2007-2008. S. 18.
  18. Ungarisches Wiesenotter LIFE-Programm

Weblinks

Commons: Vipera ursinii – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien