Zellaufschluss


Als Zellaufschluss werden in der Biochemie Verfahren bezeichnet, bei denen Zellen zerstört werden, um an deren Inhalt - Organelle, Proteine, DNA, mRNA oder andere Biomoleküle – zu gelangen.

Mechanische Aufschlussverfahren

Physikalische Aufschlussverfahren führen meist zu einem Temperaturanstieg, deshalb muss die Temperatur kontrolliert werden und, wenn nötig, das Aufschlussgut im Eisbad gekühlt oder der Aufschluss mit Unterbrechungen durchgeführt werden. Tierische Zellen und pflanzliche Zellen müssen vor dem Aufschließen von unerwünschten Gewebeteilen befreit werden, indem man sie zunächst mittels Schere, Skalpell oder Fleischwolf grob zerkleinert. Zudem wird das aufzuschließende Gewebe von Mehrzellern vor der Homogenisierung in einem Mixer mit rotierenden Messern (oder einem Ultra-Turrax bei kleinem Volumen) zerkleinert.

  • Das Potter-Elvehjem Verfahren findet Anwendung, wenn die Zellorganellen erhalten bleiben sollen. Dabei bewegt sich ein Kolben, der eng von einem stationärem Gefäß ummantelt ist. Durch Scherkräfte werden die Zellen zerstört.
  • Bei Mikroorganismen, aber auch allen anderen Zellen können kleine Volumina im Mörser mit Sand oder Al2O3 oder in einer Glasperlenmühle zerrieben werden.
  • Durch Ultraschall werden die Zellen durch ständiges Aneinanderstoßen zerstört (Kavitationskräfte). Bei all diesen Verfahren wird bei Behandlung größerer Volumina viel Wärme entwickelt.
  • Für kontinuierlichen Betrieb oder Volumina > 1000 ml kann die Probe unter großem Druck durch ein enges Ventil gepresst werden (Manton-Gaulin-Homogenisator). Auch hier wirken Kavitationskräfte. Der Aufschluss unter Druck im kleinen Maßstab geschieht mittels French-Press, die nach dem gleichen Prinzip wie der Manton-Gaulin Homogenisator arbeitet.
  • Mit der Stickstoff-Dekompressionsmethode lassen sich auf einfache Weise unabhängig von der Probengröße schnell und schonend sowohl Tier- und Pflanzenzellen als auch empfindliche Bakterien aufschließen. Dabei wird in den Zellen entsprechend dem Henry´schen Gesetz Stickstoff bei höheren Gas-Drücken angereichert. Eine schlagartige Druckentlastung führt zu einem Platzen der Zellmembranen.
  • Durch wiederholtes Einfrieren und Auftauen werden die Zellen durch Scherkräfte der entstehenden Eiskristalle und Perforation zerstört. Durch eine Behandlung mit hypotonischen Pufferlösungen wird die Lyse der Zellen verstärkt. Die Kombination dieser Methoden führt allerdings zu keiner vollständigen Homogenisierung.

Nicht-mechanische Aufschlussverfahren

Nicht-mechanische Aufschlussverfahren werden bei Zellen angewandt, die sich nicht einfach aufbrechen lassen (beispielsweise bei Hefen). Sie sind meist schonender als die mechanischen Verfahren.

  • Bei nicht-pflanzlichen Zellen kann mit Varianten der Phenol-Chloroform-Extraktion wie Trizol durch ein Herauslösen der Membranlipide aus der Zellmembran ein Aufschluss durchgeführt werden, in Anwesenheit von Guanidinium-Thiocyanat ist sie jedoch denaturierend.[1]
  • Bei Hefezellen wird eine Autolyse mit Toluol induziert, welches Löcher in Zellmembran und die enzymatische Lyse mit Zymolyase zerstört die Glucan-Zellwand, während Triton X-100 die Zellmembran zerstört.
  • Bei Gram-positiven Bakterien wird durch die Behandlung mit Lysozym die Peptidoglycanhülle zerstört, anschließend kann mit Triton X-100 die Zellmembran gelöst werden.
  • Bei Gramnegativen Bakterien wird durch Behandlung mit EDTA das Lipopolysaccharid der äußeren Zellmembran gelöst, dann wird durch die Behandlung mit Lysozym die Peptidoglycanhülle zerstört, anschließend kann mit Triton X-100 die Zellmembran zerstört werden.
  • Bei Gram-negativen Bakterien können mittels alkalischer Lyse die Membranlipide verseift werden, aufgrund des hohen pH-Werts ist diese Methode ebenfalls denaturierend.

Schutz der Proteine

Durch den Aufschluss der Zellen gelangen die Proteine in eine unphysiologische Umgebung und müssen während der Proteinreinigung vor Inaktivierung, Denaturierung und Proteolyse geschützt werden. Da Proteasen während des Aufschließens freigesetzt werden, ist für höhere Ausbeuten schnelles Arbeiten bei niedrigen Temperaturen (nahe 0 °C) notwendig.

Proteolyse

Zur Vermeidung eines Abbaus der Proteine werden Proteaseinhibitoren hinzugegeben.

pH-Veränderung

Aufgrund des weiterhin teilweise ablaufendem Metabolismus kann sich der pH-Wert ändern. Daher ist auf eine ausreichende Pufferung zu achten. Gegebenenfalls ist ein Nachstellen des pH-Wertes durch Zugabe von Ammoniak- bzw. Tris(hydroxymethyl)aminomethan-Lösung (Tris) notwendig.

Ionenstärke

Eine Ionenstärke von unter 0,05 M kann zur Bildung von Einschlusskörperchen und einer geringen Ausbeute führen, da sich Proteine an einander und an Zelltrümmer anheften. Daher sollte die Aufschluss-Pufferlösung sollte 0,05-0,1 M Natriumchlorid oder Kaliumchlorid enthalten.

Hydrophobe Effekte

Eine Aggregation der Proteine (hydrophobe Wechselwirkungen und die Bildung von Einschlusskörperchen aufgrund von hydrophoben Effekten kann durch Zugabe von nichtionischen Detergentien wie Triton X-100 (ca. 0,02 % w/v) oder Lubrol PX (ca. 0,006 % w/v) gemindert werden.

Thioloxidation

Die Oxidation von Thiolgruppen kann durch Zugabe von Dithiothreitol (DTT), Dithioerythritol (DTE) oder 2-Mercaptoethanol zur Pufferlösung (im einstelligen mM-Konzentrationen) vermieden werden. Dies ist insbesondere bei zytosolischen Proteinen notwendig, da dort eine reduzierende Umgebung vorherrscht.

Schwermetallionen

Schwermetallionen können mit funktionellen Gruppen des Proteins reagieren. Zweiwertige Kationen (Ca2+, Mg2+) aktivieren Metalloproteasen, daher wird Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) in mM-Konzentrationen zugegeben, welches Komplexe mit Metallionen bildet.

Literatur

  • Friedrich Lottspeich, Haralabos Zorbas: Bioanalytik. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1998, ISBN 978-3827400413.
  • Hubert Rehm, Thomas Letzel: Der Experimentator: Proteinbiochemie / Proteomics. 6. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2009, ISBN 978-3827423122.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. P. Chomczynski, N. Sacchi: Single-step method of RNA isolation by acid guanidinium thiocyanate-phenol-chloroform extraction. In: Anal Biochem. (1987) 162(1):156-9. PMID 2440339.

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