Arktische Eisalgen stark mit Mikroplastik belastet



Bio-News vom 21.04.2023

Laut einer Studie des Alfred-Wegener-Instituts birgt die Alge Melosira arctica, die unter dem arktischen Meereis wächst, eine Gefahr für die Lebewesen an der Meeresoberfläche. Die Alge enthält zehnmal so viele Mikroplastikpartikel wie das umliegende Meerwasser, was eine hohe Konzentration an der Basis des Nahrungsnetzes verursacht. Abgestorbene Algenklumpen transportieren das Mikroplastik mit seinen Schadstoffen besonders schnell in die Tiefsee und könnten damit die hohen Mikroplastikkonzentrationen im dortigen Sediment erklären. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Environmental Science and Technology veröffentlicht.

Sie ist ein Futterfahrstuhl für die Bodenlebewesen in der Tiefsee: Die Alge Melosira arctica, die unter dem arktischen Meereis wächst, stellt nicht nur eine wichtige Nahrungsquelle für bodenlebende Tiere und Bakterien in der Tiefsee dar, sondern auch einen Transportmechanismus für Mikroplastik. Die Alge bildet meterlange Zellketten, die zu Klumpen verkleben, wenn sie absterben und das Eis schmilzt, an dem sie haften. Diese Klumpen sinken schnell auf den Meeresgrund und können bis zu mehrere tausend Meter tief in der Tiefsee transportiert werden.


Forschende um die Biologin Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut untersuchen auf einer Polarstern Expedition in der Arktis, wie viel Mikroplastik sich in Aggregaten der Eisalge Melosira arctica und dem Meerewasser direkt neben Eisschollen befindet.

Publikation:


Bergmann, M., Allen, S., Krumpen, T., Allen, D.
High levels of microplastics in the Arctic ice alga Melosira arctica, a vector to ice-associated and benthic food webs

Environmental Science and Technology (2023)

DOI: 10.1021/acs.est.2c08010



Das Forschungsteam um die Biologin Dr. Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) hat in der Fachzeitschrift Environmental Science and Technology veröffentlicht, dass die Alge zehnmal so viele Mikroplastikpartikel wie das umgebende Meerwasser enthält. Die hohe Konzentration an Mikroplastik an der Basis des Nahrungsnetzes kann eine Gefahr für Lebewesen darstellen, die sich an der Meeresoberfläche von den Algen ernähren.


Foto von Eisschollen von einer Expedition auf dem Forschungsschiff Polarstern in der Arktis

Laut Melanie Bergmann haben die Forscher endlich eine plausible Erklärung dafür gefunden, warum im Tiefseesediment am Rand des Eises die größten Mengen an Mikroplastik gefunden werden. Frühere Messungen hatten bereits gezeigt, dass sich Mikroplastik beim Entstehen von Meereis im Eis konzentriert und beim Schmelzen in das umgebende Wasser freigesetzt wird.



Die Algen befördern das Mikroplastik jedoch auf direktem Weg nach unten zum Meeresboden, wodurch unterhalb der Eiskante höhere Konzentrationen von Mikroplastik gemessen werden. Normalerweise sinken die sogenannten Meeresschnee-Aggregate aus Algenresten langsamer und werden von Wasserströmungen seitwärts abgetrieben, so dass sie weiter weg landen. Dies ist jedoch bei der Melosira arctica nicht der Fall, was zu einer erhöhten Konzentration von Mikroplastik führt.

Auf einer Expedition mit dem Forschungsschiff Polarstern sammelte ein Forschungsteam im Sommer 2021 Proben von Melosira-Algen und dem Umgebungswasser von Eisschollen. Diese wurden von Partnern der Dalhousie University in Kanada und der University of Canterbury in Neuseeland im Labor auf den Gehalt von Mikroplastik analysiert. Das überraschende Ergebnis: Die Algenklumpen enthielten mit durchschnittlich 31.000 ± 19.000 Mikroplastikpartikel pro Kubikmeter etwa zehnmal so hohe Konzentrationen wie das Umgebungswasser.

Deonie Allen von der University of Canterbury und der Birmingham University, die zum Forschungsteam gehört, erklärte: „Die fädigen Algen haben eine schleimig-klebrige Textur, so dass sie möglicherweise Mikroplastik aus atmosphärischen Niederschlägen, dem Meerwasser selbst, dem umgebenden Eis und jeder anderen Quelle, der sie begegnen, einsammeln. Einmal im Algenschleim gefangen fahren sie wie in einen Aufzug zum Meeresboden oder werden von Meerestieren gefressen“.

Die Eisalgen sind für viele Tiefseebewohner eine wichtige Nahrungsquelle, daher könnte das Mikroplastik in das dortige Nahrungsnetz gelangen. Auch an der Meeresoberfläche könnte es als Nahrungsquelle dienen und erklären, warum Mikroplastik besonders unter eis-assoziierten Zooplankton-Organismen verbreitet ist. Eine frühere Studie unter Beteiligung des AWI zeigt, dass Mikroplastik auf diese Weise in die Nahrungskette gelangen kann, wenn Zooplankton von Fischen gefressen wird, die wiederum von Seevögeln, Robben und schließlich von Eisbären konsumiert werden.

Die Analyse des Mikroplastiks in der Arktis hat gezeigt, dass es eine Vielzahl von Kunststoffen wie Polyethylen, Polyester, Polypropylen, Nylon und Akryl gibt, die mit verschiedenen Chemikalien und Farbstoffen kombiniert sind. Die Auswirkungen auf die Umwelt und Lebewesen sind schwer einzuschätzen. Menschen in der Arktis sind auf das marine Nahrungsnetz angewiesen und sind somit dem darin enthaltenen Mikroplastik und Chemikalien ausgesetzt.

Mikroplastik wurde bereits in verschiedenen menschlichen Körperteilen nachgewiesen und kann Entzündungsreaktionen hervorrufen. Es wurde auch festgestellt, dass Mikro- und Nanoplastik das Verhalten, das Wachstum, die Fruchtbarkeit und die Sterblichkeitsrate von Organismen verändern kann, und viele enthaltene Chemikalien sind nachweislich schädlich für den Menschen.

Die Erderwärmung bedroht das Ökosystem der Arktis bereits tiefgreifend, und die zusätzliche Exposition von Organismen gegenüber Mikroplastik und enthaltenen Chemikalien kann ihre Schwächung verstärken. Daher müssen verschiedene planetare Krisen dringend angegangen werden. Eine effektive Verringerung der Plastikverschmutzung kann durch die Reduzierung der Produktion von neuem Plastik erreicht werden, wie wissenschaftliche Berechnungen zeigen. Die AWI-Biologin fordert, dass dies im Rahmen des globalen Plastikabkommens Priorität haben sollte. Melanie Bergmann wird auch die nächste Verhandlungsrunde in Paris Ende Mai begleiten.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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