Bakterien machen Korallen widerstandsfähiger gegen die Auswirkungen des Klimawandels



Bio-News vom 25.07.2019

Internationale Wissenschaftler um den Konstanzer Biologen Prof. Dr. Christian Voolstra untersuchten das Wechselspiel zwischen Korallen und Bakterien zur Anpassung an veränderte Umweltbedingungen. Die Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Korallenriffe sind sensible Ökosysteme, die akut von menschenverursachten Einflüssen wie dem Klimawandel und Umweltverschmutzung betroffen sind. Selbst wenn die Erderwärmung 1,5 bis 2 Grad Celsius nicht übersteigen sollte, wie vom International Panel of Climate Change (IPCC) empfohlen, werden voraussichtlich mehr als 70 Prozent der Korallenriffökosysteme verloren gehen – eine ökonomische und ökologische Katastrophe.


Ein flaches Korallenriff im zentralen Roten Meer

Publikation:


Maren Ziegler, Carsten G. B. Grupstra, Marcelle M. Barreto, Martin Eaton, Jaafar BaOmar, Khalid Zubier, Abdulmohsin Al-Sofyani, Adnan J. Turki, Rupert Ormond & Christian R. Voolstra
Coral bacterial community structure responds to environmental change in a host-specific manner
Nature Communications 10, article 3092

DOI: 10.1038/s41467-019-10969-5



Wie passen sich Korallen an die sich verändernden Umweltbedingungen an? Welche Möglichkeiten gibt es, die Riffe zu schützen? Christian Voolstra, Professor für genetische Adaptation in aquatischen Systemen an der Universität Konstanz, schreibt dabei Bakterien und anderen Mikroorganismen eine besondere Bedeutung zu. Kein Tier und keine Pflanze lebe alleine – es müsse immer im Zusammenspiel mit Bakterien betrachtet werden, betont er. Die Koralle assoziiert sich mit Bakterien, das heißt sie bildet eine Symbiose, von der die Koralle maßgeblich profitiert. Diese Gemeinschaft von Wirt und Bakterien wird Metaorganismus genannt.

Die Besonderheit bei dem Metaorganismus Koralle ist, dass dieses Tier lebt wie eine Pflanze und an einen Ort gebunden ist. Durch diese Ortsgebundenheit ist die Koralle ihren Umweltbedingungen besonders ausgeliefert und daher enorm auf die Hilfe von Bakterien und anderen Mikroorganismen angewiesen, die beispielsweise bei der Ernährung, beim Stoffwechsel und bei der Immunabwehr eine Rolle spielen.

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Korallen mit diversen Bakterien assoziiert sind, die unterschiedliche Funktionen erfüllen. Folgende Kontroverse blieb dabei unbeantwortet: Variieren die Bakteriengemeinschaften je nach Umweltbedingungen oder bleiben sie gleich? Beide Fälle konnten beobachtet werden. Auf dieser Grundlage untersuchte das Team um Prof. Dr. Voolstra zwei Korallenarten, von denen sie ausgingen, dass sie sich hinsichtlich ihrer Strategie der Bakterienassoziation maßgeblich unterscheiden: Die Art Acropora hemprichii, die sich bei veränderten Bedingungen mit anderen Bakterien assoziiert und die Art Pocillopora verrucosa mit gleichbleibenden Bakterienassoziationen.

Das Experiment wurde über 21 Monate in der Gegend um Jeddah in Saudi Arabien durchgeführt, wo die Ökosysteme des roten Meeres großem menschlichen Einfluss ausgesetzt sind. Die Forscherinnen und Forscher transplantierten die Korallen in Umgebungen, die unterschiedliche Abstufungen von menschenverursachten Einwirkungen auf die marine Umwelt repräsentieren, um die Veränderung der Bakteriengemeinschaften in Stresssituationen zu untersuchen. Sie nutzten dazu Korallenfragmente aus derselben Kolonie, sodass die Proben identisches Genmaterial aufwiesen und die Veränderungen ausschließlich auf die Umweltbedingungen zurückzuführen waren.

„Was wir gezeigt haben ist, dass es Korallen gibt, die flexibel auf Umweltbedingungen antworten können, indem sie sich mit bestimmten Bakterien assoziieren, und dass es andere Korallen gibt, die das nicht können“, erklärt Prof. Dr. Voolstra. Die Studie bestätigt demnach die Vermutung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und zeigt, dass es unter den Korallen Generalisten gibt, die flexibel und vielseitig sind und dass andere Arten spezialisiert und in ihrer Assoziation mit Bakterien stetig sind. Die Anpassungsfähigkeit dieser Generalisten macht Hoffnung, denn eine evolutive Adaption würde viel zu lange dauern, als dass sie den rasanten Veränderungen durch den Klimawandel gerecht werden könnte. Durch Assoziationen mit neuen Bakterien können die Korallen viel schneller reagieren ‒ die Veränderungen wurden bereits nach einigen Monaten deutlich. Außerdem konnte bei einer Rücktransplantation in die ursprüngliche Umgebung festgestellt werden, dass sich auch die Bakteriengemeinschaft zum ursprünglichen Zustand zurückentwickelt, quasi erholt.

Das Beispiel der Pocillopora verrucosa verdeutlicht zudem, dass auch spezialisierte Korallen in ihrer Überlebensstrategie erfolgreich sind. „Wir müssen uns vor Augen führen, dass die untersuchten Arten diejenigen sind, die die massiven Veränderungen des vergangenen Jahrzehnts bereits überstanden haben ‒ ein Verlierermodell lässt sich in der Natur nicht finden“, hebt Voolstra hervor. Die Arbeit weist also nach, dass Korallen sich die symbiotische Beziehung mit Bakterien auf unterschiedlichen Wegen zunutze machen. Die Ergebnisse der Studie tragen zur Weiterentwicklung der „Coral Probiotics“ bei – einer Methode, bei der Korallen gezielt mit Bakterien zusammengebracht werden sollen, die die Anpassung der Koralle an veränderte Bedingungen fördern. Diese Methode soll dabei helfen, die Korallen widerstandsfähig gegenüber den extremen und rasanten Veränderungen ihrer Lebensräume zu machen und Riffe vor dem Aussterben zu bewahren.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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