Biodiversitätsverluste im Frankenjura: Massiver Rückgang der Dolomitkiefernwälder



Bio-News vom 09.06.2022

Der Naturpark „Fränkische Schweiz – Frankenjura“ ist ein Hotspot der Biodiversität in Deutschland. Er ist außergewöhnlich reich an Lebensräumen, die zum Natura-2000-Netzwerk geschützter Lebensräume der EU gehören. Besonders groß ist die Artenvielfalt in den Kiefernwäldern, die auf dem Dolomitgestein des Nördlichen Frankenjura wachsen. Eine Studie der Universität Bayreuth zeigt, dass die mit diesen Wäldern bedeckte Fläche des Nördlichen Frankenjura seit 1990 um mehr als 75 Prozent, seit 1950 sogar um etwa 99 Prozent zurückgegangen ist.

Ausgangspunkt der neuen Studie sind drei Forstinventuren, die der Erstautor, PD Dr. Andreas Hemp, in den Jahren 1990, 2012 und 2020 durchgeführt hat. Darin werden insgesamt mehr als 600 Bestände der Dolomitkiefernwälder in verschiedenen Landkreisen Ober- und Mittelfrankens sowie der Oberpfalz erfasst. Diese über drei Jahrzehnte dokumentierten Bestände hat das Bayreuther Team nun mit den Dolomitkiefernwäldern um das Jahr 1950 verglichen, als der Nördliche Frankenjura noch weitgehend von traditioneller Landnutzung geprägt war. Diese vor gut 70 Jahren existierenden Waldbestände wurden von der Bayreuther Masterstudentin Christie Philipp mit einem hierfür üblichen statistischen Verfahren, einem Random-Forest-Klassifikationsmodell, rekonstruiert. Darüber hinaus haben die Forscherinnen und Forscher untersucht, wie sich die extrem trockene und warme Witterung der letzten Jahre auf die Lebensfähigkeit der Kiefern im Nördlichen Frankenjura auswirkt.


Typischer Bestand eines lichten Kiefernwaldes auf einem Dolomit-Riff aus der Jura-Zeit.

Publikation:


Andreas Hemp, Christie Philipp, Claudia Hemp
European Union’s Natura 2000 network: an effective tool for nature conservation? The relic pine forests of the Franconian Jura

Biodiversity and Conservation (2022)

DOI: 10.1007/s10531-022-02430-9



„Unsere Untersuchung ist die erste Langzeitstudie, die das gesamte Verbreitungsgebiet eines zum Natura-2000-Netzwerk gehörenden Lebensraums umfasst. Der Nördliche Frankenjura verdankt seine hohe Dichte an Natura-2000-Schutzgebieten und -Lebensräumen nicht zuletzt dem großflächigen Vorkommen des Dolomitgesteins, auf dem die Kiefernwälder mit ihrer ungewöhnlichen Vielfalt von Pflanzen wachsen. Die Geschichte dieser Pflanzen reicht weit in die nacheiszeitliche Vegetationsgeschichte und teilweise bis in die letzte Eiszeit zurück. Deshalb betrifft unsere Untersuchung auch die Frage, inwiefern ein vergleichsweise wohlhabendes Land wie Deutschland seine Verpflichtungen, die sich aus der UN-Konvention zur Biodiversität ergeben, tatsächlich umsetzt“, erklärt PD Dr. Andreas Hemp, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Pflanzensystematik der Universität Bayreuth.



Hemp weiter: „Von Maßnahmen zum Erhalt dieser Wälder, wie sie aufgrund einer zunehmend intensiveren Landnutzung und Klimaveränderungen erforderlich gewesen wären, kann – abgesehen von Mittelfranken – nicht die Rede sein. Gemessen an der Größe der bewaldeten Flächen, sind seit 1990 mehr als Dreiviertel der Bestände und seit 1950 sogar rund 99 Prozent der Bestände verlorengegangen.“

Ein neues Naturschutzprojekt

Ein verbesserter Schutz der Dolomitkiefernwälder ist das Ziel eines neuen BayernNetzNatur-Projekts, das von PD Dr. Andreas Hemp an der Universität Bayreuth wissenschaftlich begleitet wird. Das Vorhaben „Biotopkomplex Kiefernwälder und Trockenrasen der Dolomitkuppenalb“ wird vom Bayerischen Naturschutzfonds ab dem 1. Juli 2022 für vier Jahre mit insgesamt rund 460.000 Euro aus Erträgen der Glücksspirale gefördert. Es ist zunächst auf den Landkreis Nürnberger Land in Mittelfranken beschränkt. Projektträger ist das Naturschutzzentrum Wengleinpark e.V., weitere Partner sind der Landschaftspflegeverein Nürnberger Land, die höhere Naturschutzbehörde der Regierung von Mittelfranken in Ansbach, die untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Nürnberger Land in Lauf, das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Roth-Weißenburg sowie der Naturpark „Fränkische Schweiz – Frankenjura“.



„Der starke Rückgang der Dolomitkiefernwälder zeigt, dass weithin akzeptierte Ziele der Forstpolitik in Deutschland nicht immer mit den Anforderungen übereinstimmen, die sich aus dem rechtlichen Status von Natura-2000-Lebensräumen oder auch aus dem Bayerischen Naturschutzgesetz ergeben. In unserer Studie haben wir zudem eindeutige Indizien dafür gefunden, dass der Verlust pflanzlicher Artenvielfalt auch die Tierwelt nachteilig beeinflusst und insbesondere zu einem Rückgang von Insekten- und Vogelarten führt“, sagt die Bayreuther Biologin Dr. Claudia Hemp vom Lehrstuhl für Pflanzensystematik, die zugleich am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt am Main tätig ist.



Geschichtlicher Hintergrund

Der Nördliche Frankenjura ist ein rund 2.000 Quadratkilometer großer Gebirgszug in Bayern. Die Dolomitkiefernwälder (botanischer Name: Buphthalmo-Pinetum) haben sich hier aufgrund geologischer und klimatischer Besonderheiten ansiedeln können: Am wichtigsten war die Bildung von Riffen im Jurameer, das vor 200 bis 150 Millionen Jahren weite Teile des heutigen Naturparks „Fränkische Schweiz – Frankenjura“ bedeckte. Aus diesen Riffen entwickelten sich die trockenen, sandigen Dolomitböden, die etwa 20 Prozent des Nördlichen Frankenjura ausmachen, aber im Südlichen Frankenjura und der angrenzenden Schwäbischen Alb fast völlig fehlen. Auch der Mensch förderte das Wachstum der Kiefernwälder: Viehwirtschaft und Wanderfeldbau im frühen Neolithikum vor rund 7.500 Jahren verhinderten die Ansiedlung von Buchenwäldern, welche die Kiefern hätten verdrängen können. Im Mittelalter, aber auch noch bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden die Dolomitkiefernwälder ebenfalls für die Viehhaltung genutzt, was dem Wachstum der Kiefern zugute kam. Die meisten Dolomitkiefernwälder im Frankenjura werden daher heute in der Forschung nicht als Teil der sogenannten „potentiellen natürlichen Vegetation (PNV)“, sondern als Reliktwälder eingeordnet, die vom Menschen und seinem Weidevieh über mehrere Jahrtausende erhalten wurden.



Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Bayreuth via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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