Corona-Antikörpertests: sichere Ergebnisse im Fokus



Bio-News vom 13.05.2020

Das NMI Reutlingen packt ein großes Problem der Antikörper-Tests zum Nachweis von COVID-19 an: falsch positive Testergebnisse. Die neuen Tests auf Basis einer NMI-Seroplattform sollen sichere Befunde liefern – für einzelne Menschen ebenso wie für eine bessere Abschätzung der Grundimmunität in der Bevölkerung. Außerdem helfen die Tests Forschern dabei, die Immunantwort auf das Virus genauer zu verstehen.

Das NMI Reutlingen packt ein großes Problem der Antikörper-Tests zum Nachweis von COVID-19 an: falsch positive Testergebnisse. Die neuen Tests auf Basis einer NMI-Seroplattform sollen sichere Befunde liefern – für einzelne Menschen ebenso wie für eine bessere Abschätzung der Grundimmunität in der Bevölkerung. Außerdem helfen die Tests Forschern dabei, die Immunantwort auf das Virus genauer zu verstehen. COVID-19: Wer hat es akut, wer hatte es bereits und was sagt das über den Immunstatus? Die Antworten darauf sind komplex. Mittlerweile gibt es schnelle und zuverlässige Massentests für die zentrale Ja/Nein-Antwort, ob Antikörper gegen SARS-CoV-2 im Blutserum oder -plasma vorhanden sind.


Die Corona Pandemie hat derzeit in allen relevanten Forschungseinrichtungen höchste Priorität.

Publikation:


Sarah Link
Corona-Antikörpertests: sichere Ergebnisse im Fokus
NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen

Die Tests bieten eine Sensitivität von 100 Prozent und sind zu mehr als 98 Prozent spezifisch für SARS-CoV-2-Antikörper. Das ist zweifellos ein Durchbruch. Aus dem Blickwinkel der Statistik wird die Sache jedoch kompliziert. Dr. Nicole Schneiderhan-Marra ist Gruppenleiterin der Biochemie am NMI Reutlingen und erklärt warum: „Im Moment wird von einer Häufigkeit des Erregers in der Bevölkerung von unter einem Prozent ausgegangen, also wurde weniger als eine von hundert Personen mit dem Virus infiziert. Bei einer Sensitivität von 100 Prozent werden alle tatsächlich Virus-positiven Personen auch als positiv erkannt. Eine Test-Spezifität von beispielsweise 98 Prozent bedeutet, dass von 100 Personen, die eigentlich Virus-negativ sind, zwei fälschlich positiv auf Antikörper getestet werden. Das heißt, nur jede dritte Test-positive Person wird durch diesen Test auch korrekt identifiziert.“ Damit erklärt sie, warum es so wichtig ist, positiv getestete Personen einem zweiten Antikörper-Test zu unterziehen. Und genau auf diese „Second-Line“-Testung hat sich das NMI-Team um Schneiderhan-Marra fokussiert.

Der Anspruch: schnell, flexibel und mit minimalem Materialeinsatz testen

Dabei profitiert das Team von seiner mehr als zehnjährigen Erfahrung in der Serologie. „Wir haben unter anderem differentielle Testsysteme entwickelt, um zu untersuchen, ob jemand in seinem Leben bereits einmal eine Hepatitis-A oder -B-Infektion hatte oder nicht bzw. ob dagegen geimpft wurde. Auch serologische Tests auf Antikörper gegen andere Viren und Bakterien wie Helicobacter pylori und Mycobacterium tuberculosis wurden hier entwickelt“, so Schneiderhan-Marra.

Dabei setzt das NMI-Team auf die Luminex®-Technologie und hat damit eine Immunoassay-Plattform aufgebaut. Darauf beruht auch der Test auf SARS-CoV-2-Antikörper. Prinzipiell funktioniert das so, dass spezifische Moleküle (Antigene) an die Oberfläche mikroskopisch kleiner Polystyrol-Kügelchen gebunden werden. Diese „Beads“ erkennen damit in flüssigem Medium „ihren“ Antikörper und binden ihn. Der große Vorteil: Durch den Einsatz farblich unterschiedlich kodierter Beads kann zugleich auf mehrere Antikörper getestet werden. „Mit diesem Multiplex-Ansatz sind wir sehr flexibel und können schnell differenzierte Ergebnisse liefern.“ Das alles funktioniert mit geringsten Antigenmengen – 50-mal weniger als bei herkömmlichen Antikörpertests, wie Schneiderhan-Marra betont.

Speziell für SARS-CoV-2-Tests setzt das NMI Antigene aus eigener Herstellung ein. „Wir haben langjährige Erfahrung und das Know-how, Antigene oder sogar ganze Viruspartikel auf Beads zu binden,“ erklärt Dr. Nicole Schneiderhan-Marra die schnelle Realisierung. Mit dem Test können nun Antikörper detektiert werden, die sich gegen das Spike-Protein auf der Oberfläche von SARS-CoV-2 richten. In dem Multiplex-Ansatz kommen aber noch weitere Antigene zum Einsatz. Mit ihnen wird nach Antikörpern gegen gewöhnliche saisonale Corona-Viren gefahndet. „Genauer gesagt zielen wir spezifisch sowohl auf das Spike (S)-Protein der saisonalen Coronaviren als auch auf deren Nukleokapsid (N)-Protein, das die RNA umgibt. Die entsprechenden Antigene laufen jeweils als Kontrollen mit“, so Schneiderhan-Marra.

Mit diesem Ansatz hoffen die Forscher das Problem der Kreuzreaktionen in den Griff zu bekommen. Dr. Thomas Joos, stellv. Institutsleiter des NMI, erklärt: „Viele Menschen haben oder hatten irgendwann einmal Kontakt mit gewöhnlichen Corona-Schnupfenviren. Immerhin machen diese bis zu 15 Prozent aller Schnupfenviren aus. Entsprechend wahrscheinlich ist es, Antikörper gegen deren Virusproteine im Blut zu finden. Da Corona-Viren untereinander sehr ähnlich sind, kann es bei Tests auf SARS-CoV-2-Antikörper auch zu Kreuzreaktionen und damit zu falsch positiven Testergebnissen kommen. Diese wollen wir mit unserem Second-Line-Test ausschließen. Erste Tests mit dem Serum ehemaliger COVID-19-Patienten waren dabei bereits erfolgreich.“

Das Ziel: Immungeschehen über Ja/Nein-Antworten hinaus verstehen

Im Fall von positivem PCR-Test und erstmalig falsch-negativem Antikörpertest schafft die Second-Line-Testung Klarheit, denn: „Manchmal dauert es einfach etwas länger, bis eine nachweisbare Menge Antikörper im Blut vorhanden ist“, so Schneiderhan-Marra. Sie betont auch den Nutzen der differenzierten Tests für die Forschung: Mit dem Multiplex-Ansatz kann untersucht werden, ob schlechte Verläufe mit bestimmten Antikörper-Mustern korrelieren. Und Schneiderhan-Marra verweist auf eine epidemiologisch hoch interessante Idee: Mit dem Multiplex-Assay kann untersucht werden, ob ein Befall durch saisonale Coronaviren zu einer Präimmunität für SARS-CoV-2 führt. Das würde zum Beispiel erklären, warum manche Menschen sich trotz engem Kontakt zu Covid-19-Erkrankten nicht infizieren.

Mit den Testentwicklungen ist das NMI eingebettet in Verbundprojekte. Die ersten Arbeiten startete das Institut noch aus eigenen Mitteln Anfang Februar. Inzwischen werden die Arbeiten vom Land und der EU gefördert. „Wir arbeiten eng mit dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung HZI in Brauchschweig zusammen und sind hier in intensivem Austausch mit dem Epidemiologen Prof. Dr. Gérard Krause und seinem Team. Das HZI steuert in einem EU-Projekt auch Untersuchungen zur Grundimmunität in der Bevölkerung, an denen wir beteiligt sind,“ berichtet Schneiderhan-Marra. Da absehbar immer mehr Tests anfallen werden, hat das NMI eigens dafür einen neuen Pipettierroboter angeschafft. Möglich wurde dies durch eine 210.000-Euro-Landesförderung durch das Wirtschaftsministerium. „Wir arbeiten momentan mit 96-Well-Platten, können dann aber auch auf das nächste Format mit 384-Well-Platten gehen. Abzüglich der Kontrollen können wir mit einer dieser Platten 360 Proben testen und wir schaffen dann 4 Durchläufe pro Tag, bei Abendschichten sogar zwei mehr“, freut sich Schneiderhan-Marra.

Gefragt sind die Tests auch bei Forschungspartnern vor Ort, zum Beispiel am Universitätsklinikum Tübingen. Die Tests können auch für Screenings von Mitarbeitern des Gesundheitswesens eingesetzt werden – eben überall, wo über die Ja/Nein-Testung hinaus mehr Detailinformationen gefragt sind. Der Test soll nicht nur in den NMI-Laboren durchgeführt werden können. Der Transfer des Verfahrens in andere Labore ist ausdrücklich erwünscht. „Interessierten Laboren werden wir unseren Assay weitergeben. Die genauen Bedingungen dafür werden noch erarbeitet. Das System kann grundsätzlich flexibel an spezielle Anforderungen angepasst werden. Voraussetzung ist allerdings, dass das Labor über die Luminex-Technologie verfügt“, so Schneiderhan-Marra.

(Autorin: Dr. Heike Lehmann)


Diese Newsmeldung wurde mit Material derdes NMI Naturwissenschaftliches und Medizinischens Instituts an der Universität Tübingen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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