Dynamische Geschlechtschromosomen bei Buntbarschen



Bio-News vom 02.09.2021

Die Buntbarsche im afrikanischen Tanganjikasee sind sehr vielfältig – auch bezüglich der Geschlechtschromosomen. Diese änderten sich im Verlauf der Evolution der Fische extrem häufig und können, je nach Art, vom Typ XY oder ZW sein.

Aus dem Biologieunterricht wissen wir: XX gleich Weibchen, XY gleich Männchen. Diese Konstellationen von Geschlechtschromosomen bestimmen bei Säugetieren, ob ein Individuum zu einem Weibchen oder zu einem Männchen wird. Anders bei Vögeln, dort gilt das Prinzip ZW gleich Weibchen, ZZ gleich Männchen. Bei vielen Reptilien wiederum entscheidet die Temperatur, unter der sich die Eier entwickeln, über das Geschlecht. Wie das genetische Geschlecht bestimmt wird, kann also von Art zu Art verschieden sein – in der Evolution haben sich unterschiedliche geschlechtsbestimmende Systeme gebildet. In der artenreichsten Gruppe der Wirbeltiere, den Fischen, existieren sowohl genetische Systeme wie bei den Säugetieren und Vögeln als auch umweltbedingte wie bei vielen Reptilien.


Bei vielen Buntbarschen im Tanganjikasee ist der Unterschied zwischen Weibchen und Männchen äusserlich klar ersichtlich, wie hier bei der Art Cyathopharynx foae (Weibchen links, Männchen rechts).

Publikation:


Athimed El Taher, Fabrizia Ronco, Michael Matschiner, Walter Salzburger and Astrid Böhne
Dynamics of sex chromosome evolution in a rapid radiation of cichlid fishes
Science Advances (2021)

DOI: 10.1126/sciadv.abe8215



Die Evolution von Geschlechtschromosomen

Die Geschlechtschromosomen stammen jeweils von «normalen» Chromosomen, den Autosomen, ab, auf denen sich eine neue, geschlechtsbestimmende Mutation ereignet. Das daraus entstehende neue Chromosomenpaar schlägt im Laufe der Evolution separate Pfade ein. Das stellt sicher, dass es zwischen den beiden Geschlechtschromosomen nicht zu einem Austausch von geschlechtsbestimmenden Genen kommt.

In Säugetieren fand dieser Prozess vor etwa 165 Millionen Jahren statt und resultierte im XY-System mit einem männchen-spezifischen Y-Chromosom. In Vögeln gibt es mit dem W ein weibchen-spezifisches Chromosom. In Fischen wiederum weiss man seit einiger Zeit, dass es kein generelles Geschlechtschromosomen-System gibt.

Mithilfe neuer Methoden zur Sequenzierung des Genoms, die einen Vergleich der Genome beider Geschlechter ermöglichen, hat man eine neue Welt von Geschlechtschromosomen in Fischen identifizieren können: Im Zuge der Evolution haben sich unterschiedliche Chromosomen unabhängig voneinander in unterschiedlichen Fischlinien als Geschlechtschromosom entwickelt. Das wiederholte Auftauchen ähnlicher oder funktionell verwandter geschlechtsbestimmender Gene lässt vermuten, dass es einen Pool von Chromosomen-Kandidaten gibt, die sich besonders gut für den Zweck der Geschlechtsbestimmung eignen.

Buntbarsche sind besonders facettenreich

Ein Forschungsteam am Departement für Umweltwissenschaften der Universität Basel unter der Leitung von Dr. Astrid Böhne (inzwischen am Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn) hat nun die Evolution der Geschlechtschromosomen in einer überaus artenreichen Gruppe von Fischen untersucht, den Buntbarschen aus dem afrikanischen Tanganjikasee. Eine Besonderheit dieser Fische ist, dass sie ein Musterbeispiel für eine sogenannte adaptive Radiation sind. Ein Prozess, bei dem in relativ kurzer Zeit durch schnelle Anpassung an unterschiedliche Lebensräume eine Vielzahl von Arten entstehen.

Die Forschenden analysierten umfangreiche Genom- und Transkriptom-Datensätze von rund 240 Buntbarscharten auf Unterschiede zwischen Weibchen und Männchen. Auf diese Weise identifizierten sie die Geschlechtschromosomen in über 70 Arten. Interessanterweise zeigten sich grosse Unterschiede zwischen den Arten in Bezug auf die für die Geschlechtsbestimmung verantwortlichen Chromosomen. Auch kam es im Verlauf der Evolution der Buntbarsche im Tanganjikasee zu mehreren Wechseln von Geschlechtschromosomen des Typs XY zu ZW und umgekehrt.

«Damit halten diese Buntbarsche den Rekord an Wechseln zwischen Geschlechtschromosomen bei Wirbeltieren», sagt Astrid Böhne. Gleichzeitig fanden die Basler Zoologen heraus, dass bestimmte Chromosomen besonders häufig zu Geschlechtschromosomen werden. Dies unterstützt die Hypothese, dass es eine Gruppe von Genen oder sogar ganzen Chromosomen gibt, die sich besonders gut für die Bestimmung des genetischen Geschlechts eignen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Basel via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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