Farbensehen bei Primaten mit dem Vorkommen farbiger Palmfrüchte verknüpft
Bio-News vom 26.02.2020
Die Entwicklung des Farbensehens könnte eng mit der Verfügbarkeit von Nahrung verbunden sein. Forscher vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Universität Leipzig (UL) und der Universität von Amsterdam (UvA) fanden heraus, dass das Farbensehen bei afrikanischen Primatenarten – eine Fähigkeit, die sie mit dem Menschen gemeinsam haben – mit der räumlichen Verbreitung der Farben von Palmfrüchten zusammenhängt. Die Ergebnisse ihrer Studie wurden im Fachmagazin Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht und geben neue Einblicke in die Evolution der Primaten.
In unserer Netzhaut befinden sich drei Arten von Rezeptoren, die dafür verantwortlich sind, dass wir unterschiedliche Farben wahrnehmen: Rot, Grün und Blau. Das Gleiche gilt auch für viele weitere Primatenarten – im Gegensatz zu allen anderen Säugetieren. Für nachtaktive Tierarten würde es keinen sonderlichen Vorteil bedeuten, viele verschiedene Farbtöne unterscheiden zu können. Daher entwickelte sich das sogenannte trichromatische Sehen mit hoher Wahrscheinlichkeit in tagaktiven Primaten.
Publikation:
Onstein RE, Vink DN, Veen J, Barratt CD, Flantua SGA, Wich SA, Kissling WD
Palm fruit colours are linked to the broad-scale distribution and diversification of primate colour vision systems
Proc. R. Soc. B 20192731
Sie können neben Grün- und Blau- auch Rottöne unterscheiden und so leichter farbige Früchte aufspüren. Das könnte einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen fruchtfressenden Tieren bedeuten, die keinen Unterschied zwischen Rot und Grün erkennen. Diese Annahme wurde zwar experimentell bereits bei einigen Arten auf den Prüfstand gestellt, blieb im größeren Maßstab jedoch bislang unerforscht.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern von iDiv, UL und UvA konnte nun nachweisen, dass das trichromatische Sehen bei Primaten eng mit der Verfügbarkeit auffälliger, rötlich gefärbter Palmfrüchte zusammenhängt. Im Rahmen ihrer Forschung analysierten sie Daten zum Farbensehen und zur Verbreitung von mehr als 400 Primatenarten sowie Daten zur Fruchtfarbe von über 1700 Palmenarten. Die Ergebnisse waren eindeutig: Das trichromatisches Sehen kommt am häufigsten bei Primatenarten in afrikanischen Ländern vor, in denen es außerdem ein hohes Vorkommen an Palmenarten mit sehr farbenfrohen, auffälligen Früchten gibt.
Diese Wechselbeziehung hat Vorteile für die Primaten, aber auch für die Palmen: Während die Tiere auf Palmfrüchte als ihre Nahrungsgrundlage angewiesen sind, unterstützen sie in tropischen Wäldern die Ausbreitung von Samen, insbesondere für größere Früchte. Die Forscher konnten zeigen, dass die Zahl der tagaktiven, früchtefressenden Primaten mit der Verbreitung auffälliger Palmfrüchte in Afrika zunimmt und ihren Höchststand in den Subtropen erreicht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Palmfrüchte somit in den Übergangszonen zwischen ariden und subtropischen Gebieten den größten Einfluss auf die Primaten haben, da dort die Nahrungskonkurrenz sehr hoch ist. Für afrikanische Primaten bedeutet es einen Vorteil bei der Futtersuche, verschiedene Farben sehen zu können. Die Palmen wiederum bildeten in der Evolution farbige Früchte aus, da diese von den Primaten leichter erkannt werden konnten und ihre Samen so besser verteilt wurden.
Die Forscher untersuchten nicht nur Daten vom afrikanischen Kontinent, sondern auch aus Asien und von den amerikanischen Kontinenten. „Interessanterweise verfügen in Amerika und Asien einige Primatenarten über das trichromatische Sehen, andere hingegen nicht. Hier konnten wir keinen Zusammenhang zwischen dem Farbensehen und dem Vorkommen auffälliger Palmfrüchte finden“, meint Erstautorin Dr. Renske Onstein, die bei iDiv und der UL forscht. Die meisten amerikanischen Primaten bevorzugen außerdem solche Palmfrüchte, die keine auffälligen Farben haben. Im Gegensatz dazu ist es vielen Primaten mit trichromatischem Farbensinn in Asien völlig egal, welche Farbe eine Frucht hat – sie mögen Früchte einfach insgesamt sehr gern.
“In Asien und auf den amerikanischen Kontinenten könnten Vögel und Fledermäuse eine wichtigere Rolle bei der Ausbreitung von Samen spielen“, erklärt Letztautor Dr. Daniel Kissling von der UvA. „In Afrika gibt es hingegen relativ wenige Vögel, die sich von Früchten ernähren. Die Palmen sind also möglicherweise stärker darauf angewiesen, dass ihre Samen von anderen Tieren verteilt werden.“ Die Analysen zeigen, dass in Afrika Palmenarten mit auffälligen Früchten dominieren, wohingegen in Amerika Arten mit eher unauffälligen Früchten vorherrschen.
Viele Primatenarten sind heute aufgrund der Zerstörung ihres Lebensraumes und globaler Veränderungen vom Aussterben bedroht. Daraus könnten sich Kaskadeneffekte ergeben – insbesondere dann, wenn einige Pflanzenarten von Primaten zur Ausbreitung ihrer Samen abhängig sind. Schutzmaßnahmen sollten daher immer auch die Interaktionen zwischen Pflanzen und Tieren sowie den Einfluss der Fruchtfarbe berücksichtigen, da diese essentiell für den Erhalt der natürlichen Vielfalt in tropischen Gebieten sind.
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.