Fungizide als unterschätzte Gefahr für Organismen in Gewässern
Bio-News vom 17.09.2019
Fungizide aus der Landwirtschaft können in angrenzende Gewässer gelangen. Die Effekte auf die Lebewesen in Flüssen und Seen sind bisher jedoch kaum untersucht. Obwohl ein Einfluss von Fungiziden auf aquatische Pilze – Fungi – zu erwarten ist, sind diese in der Risikobewertung von Fungiziden nicht berücksichtigt. Forschende vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben festgestellt, dass in Gewässern vorkommende Konzentrationen von Fungiziden Auswirkungen auf verschiedene Prozesse haben können – beispielsweise indirekte Effekte auf die Entwicklung von Blaualgenblüten.
Die Forschenden haben untersucht, ob in der Landwirtschaft verwendete Fungizide wie Tebuconazole oder Azoxystrobin das Wachstum von aquatischen Pilzen beeinflussen. Denn auch in Gewässern können Pilze als Krankheitserreger oder Parasiten für andere Wasserorganismen wirken. Die Untersuchungen zeigen, dass die in Gewässern vorkommenden Konzentrationen von Fungiziden den Befall von potenziell giftigen Cyanobakterien – früher auch Blaualgen genannt – mit parasitischen Pilzen reduzieren.
Publikation:
Ortiz-Cañavate, B. K., J. Wolinska, and R. Agha
Fungicides at environmentally relevant concentrations can promote the proliferation of toxic bloom-forming cyanobacteria by inhibiting natural fungal parasite epidemics
Chemosphere 229:18-21
DOI: 10.1016/j.chemosphere.2019.04.203
„Zwar sehen wir Infektionen landläufig als etwas Negatives, Krankheitserreger und Parasiten sind aber ein wichtiger Bestandteil von ökologischen Systemen und können – wie in diesem Fall – auch eine positive Wirkung haben. Die parasitischen Pilze können das Wachstum der Cyanobakterien limitieren und damit giftige Blauaalgenblüten eindämmen. Eine Verunreinigung von Gewässern mit Fungiziden kann diese natürlichen Prozesse stören“, erklärt IGB-Forscher und Leiter der Studie Dr. Ramsy Agha.
Bereits in anderen Untersuchungen konnte das Forschungsteam in Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen von der Universität Minho in Portugal zeigen, dass Fungizide eine Wirkung auf das Wachstum von aquatischen Pilzen haben. Dabei untersuchten sie vor allem das Zusammenspiel von parasitischen Pilzen und ihren Wirten. Sie wiesen beispielsweise nach, dass die Infektion von Wasserflöhen mit Hefepilzen unter den gängigen Fungizidkonzentrationen im Wasser abnahm.
Aquatische Pilze sind im Gewässer überall zu finden:
Es gibt nur grobe Schätzungen über den Anteil von Pilzen an den Mikroorganismen in unterschiedlichen Gewässertypen – in Süßgewässern können sie vermutlich bis zu 50 Prozent der Kleinstlebewesen mit Zellkern ausmachen und übernehmen dort wichtige ökologische Funktionen: Als ‚Zersetzer‘ bauen sie organisches Material ab und zerlegen es in einzelne Nährstoffe, im Verdauungstrakt von aquatischen Insekten unterstützen sie deren Verdauung, und sie sind ein wichtiger Teil des Nahrungsnetzes in Gewässern.
Der Effekt von Fungiziden auf aquatische Pilze ist bisher nicht Teil der Risikobewertung:
Trotz ihrer Bedeutung werden aquatische Pilze in den EU-Rechtsrahmen nicht gesondert behandelt. Um die Ökologie der Gewässer vor schädlichen Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln zu schützen, führt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vor der Zulassung von Wirkstoffen und deren formulierten Produkten eine prospektive Risikobewertung durch. Das EFSA-Leitliniendokument (EFSA, 2013) verlangt Toxizitätstests für drei taxonomische Gruppen: Pflanzen, Wirbellose und eine Fischart, um eine vereinfachte Nahrungskette im Gewässer darzustellen.
Ein Grund warum aquatische Pilze bei der Risikobewertung von Fungiziden bisher nicht berücksichtigt werden, ist das Fehlen von standardisierten Testmethoden mit aquatischen Pilzen als Testarten. „Da sich die Möglichkeiten der Anzucht und Identifizierung von aquatischen Pilzen in wissenschaftlichen Labors kontinuierlich verbessert, könnten sich nun auch die Risikobewertungen stärker auf die Auswirkungen von Fungiziden auf diese Organismengruppen konzentrieren“, sagt die IGB-Forscherin Prof. Dr. Justyna Wolinska, Leiterin der Arbeitsgruppe Evolutionäre Ökologie von Krankheiten.
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