Gespitzte Ohren: Wie Fledermäuse verschiedene Hörereignisse gleichzeitig auswerten
Bio-News vom 27.04.2018
Fledermäuse können nicht nur die Information der Echos ihrer Ultraschalllaute zur Beutesuche nutzen, sondern gleichzeitig auch akustische Signale, die von der Beute selbst ausgehen. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen zeigen in einer neuen Studie, dass Große Hufeisennasen solche kombinierten Hörereignisse nutzen, um die begrenzte Reichweite der Echoortungslaute deutlich zu vergrößern.
Fledermäuse sind bei der nächtlichen Jagd auf ihre Echoortung angewiesen. Sie nutzen sie zur Orientierung im Raum und oft auch zur Beutesuche. So auch die Große Hufeisennase, die spezialisiert ist auf die Jagd von fliegenden Insekten in dichter Vegetation. Sie stößt dazu ununterbrochen Echoortungslaute aus, die aus einem langen Ruf einer bestimmten Frequenz bestehen. Trifft der Laut auf ein flatterndes Insekt, bekommt das lange Echo durch die Auf- und Abbewegungen der schlagenden Flügel rhythmische Muster, anhand derer die Fledermaus ihre Beute wahrnehmen können.
Publikation:
Ella Z. Lattenkamp, Samuel Kaiser, Rožle Kaučič, Martina Großmann, Klemen Koselj, Holger R. Goerlitz
Environmental acoustic cues guide the biosonar attention of a highly specialised echolocator
Journal of Experimental Biology 2018
DOI: 10.1242/jeb.165696
Dieses hoch spezialisierte Echoortungssystem ist jedoch beides, räumlich und zeitlich deutlich eingeschränkt: Die stroboskopartigen Ultraschallrufe zielen eng in eine Richtung und werden von der Atmosphäre schnell abgeschwächt. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen haben nun herausgefunden, dass die Tiere zunächst auf Geräusche der Beute oder der Umgebung lauschen, um dann die Aufmerksamkeit mit eigenen Lauten in die entsprechende Richtung zu lenken. Große Hufeisennasen sind also in der Lage, mehrere Hörereignisse gleichzeitig zu verarbeiten und für die Beutesuche ebenso zu nutzen wie zur Erkennung von Fressfeinden.
Für die Studie konstruierten die Wissenschaftler in einem Flugraum eine Anordnung von acht Mikrophonen in definierten Abständen zu einer Hängewarte der Fledermäuse, mit denen sie die Richtung der Echoortungslaute bestimmen konnten. Dazu kamen drei Lautsprecher, aus denen den Tieren Raschelgeräusche von Nachtfaltern vorgespielt wurden, die ihre Flügel bewegten und dabei über trockene Blätter liefen. Die Fledermäuse reagierten auf diese von einer vermeintlichen Beute ausgehenden Geräusche, in dem sie ihre Echoortungslaute aktiv in deren Richtung richteten und lauter riefen.
Neben den echten spielten die Wissenschaftler den Fledermäusen auch am Computer veränderte Raschelgeräusche vor. „Entgegen unserer Vermutung reagierten die Fledermäuse auch auf Geräusche, die offensichtlich keine Beute darstellten“, sagt Ella Lattenkamp, Erstautorin der Studie. „Sie reagierten also auch auf andere Umweltgeräusche in ihrer Nähe, wahrscheinlich um zu prüfen, ob diese von einem Fressfeind ausgehen“.
Das passive Hören der von einer Beute ausgehenden Geräusche ist die entwicklungsgeschichtlich ältere Methode der Jagd. „Wir vermuten, dass das passive Hören von Beute die Evolution des spezialisierten Echoortungssystems unterstützt hat, und auch noch immer dessen Einschränkungen kompensieren kann“, sagt Holger Goerlitz, Forschungsgruppenleiter in Seewiesen. Wie diese gleichzeitigen Hörereignisse neuronal verarbeitet werden, wäre nun eine weitere spannende Studie, um mehr über die Evolution sensorischer Systeme zu verstehen.