Heutige Salamander und das Fressverhalten früher Landwirbeltiere



Bio-News vom 19.10.2023

In einer Untersuchung anlysierte ein internationales Team das Fressverhalten von heute lebenden Salamandern. Die Forschenden nutzten die Ergebnisse anschließend, um Rückschlüsse auf das Verhalten früher Tetrapoden zu ziehen.

Seit Charles Darwin ist aus evolutionsbiologischer Sicht relativ klar woher wir kommen: Aus wasserbewohnenden Vorfahren gingen die Landwirbeltiere hervor, innerhalb derer schließlich auch der Mensch entstand. Noch nicht abschließend geklärt ist, wie genau der „Landgang der Wirbeltiere“ stattfand. Dieser nahm seinen Beginn im Devon vor ca. 360 Millionen Jahren. Die Ernährung war dabei einer der wichtigsten Vorgänge, die frühe Landwirbeltiere, sogenannte Tetrapoden, erfolgreich an den Wechsel von einem Leben im Wasser zu einem Leben an Land anpassen mussten.


Die beiden "Urlurche" Acanthostega und Ichthyostega.

Publikation:


Schwarz D, Heiss E, Pierson TW, Konow N, Schoch RR
Using salamanders as model taxa to understand vertebrate feeding constraints during the late Devonian water-to-land transition

Phil. Trans. R. Soc. B 20220541 (2023)

DOI: 10.1098/rstb.2022.0541



In einer Untersuchung anlysierte ein internationales Team um Dr. Daniel Schwarz und Prof. Dr. Rainer Schoch vom Naturkundemuseum Stuttgart das Fressverhalten von heute lebenden Salamandern und nutzte die Ergebnisse anschließend, um Rückschlüsse auf das Verhalten früher Tetrapoden zu ziehen. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit deuten darauf hin, dass frühe Landwirbeltiere trotz fehlender beweglicher Zungen, wie sie typisch für viele heutige Amnioten (Nabeltiere) sind, schon während ihrer ersten Versuche, das Land zu erobern, an Land gefressen haben könnten. Außerdem könnten die Tiere während frühen Entwicklungsstufen, in denen sie noch aquatisch lebten, trotz oft relativ einfach geformter Zähne (gebogen-konisch und einspitzig), komplexe Kauverhalten, ähnlich dem der Säugetiere, ausgeführt haben.


Ein Feuersalamander kommt aus dem Wasser.

Ein experimentalbiologischer Ansatz bildet die Grundlage für die Analysen

Um die Ernährungsweise von frühen Tetrapoden zu klären, wählten die Forscher einen experimentalbiologischen Ansatz. Sie untersuchten und beobachteten heute lebende Salamander, da diese eine ähnliche Anatomie aufweisen und im Wasser sowie an Land fressen können. Die Wissenschaftler analysierten das Fressverhalten von vierzig Arten aus neun der zehn Salamander-Familien während drei Entwicklungsstadien, was die aktuell umfassendste Salamander-Fressstudie darstellt.



Schwarz weiter: „Wobei die Salamander nach der Metamorphose, wenn möglich, sowohl unter Wasser als auch an Land beim Fressen studiert wurden. Unsere Studie hebt sich nicht nur durch die Artenzahl und den entwicklungsbiologischen Ansatz von früheren Untersuchungen ab, sondern auch dadurch, dass das Fressen von der anfänglichen Nahrungsaufnahme ins Maul bis hin zum Beginn des Schluckens untersucht wurde“. 

Mögliche Veränderungen im Fressverhalten der Urzeittiere wurden mit modernen Technologien studiert

Die Wasser-Land-Übergänge während der Entwicklung der Salamander wurden herangezogen, um mögliche Veränderungen im Fressverhalten von frühen Tetrapoden zu modellieren. Detaillierte Analysen waren unter anderem durch den Einsatz von modernen Technologien, wie Hochgeschwindigkeitsröntgenvideoaufnahmen aus zwei Perspektiven möglich. Daraus wurden dreidimensionale Animationen erstellt (XROMM). Durch diese Methode konnten sehr schnelle Bewegungen der Knochenstrukturen, die zum Fressen genutzt werden, sowie die Bewegungen der Beute im Maul der Salamander untersucht werden. Durch die Röntgenvideographie konnte den Tieren sozusagen ins Maul geschaut werden, auch wenn dieses geschlossen war.

Zwei mögliche Szenarien für die frühe terrestrische Ernährung

Die Daten der Forschenden deuten auf zwei Szenarien für die Ernährung der frühen Tetrapoden an Land hin: Entweder wurde die Beute mit dem Kiefer gegriffen, ins Wasser zurückgeschleppt, wo sie mit Hilfe von induzierten Wasserströmungen transportiert und mit Kaubissen verarbeitet wurde. Oder die Beute wurde noch an Land durch eine Kombination aus Schütteln und Beißen verarbeitet und schließlich mit Hilfe von Trägheitstransport (d. h. schnelle Vorwärtsbewegungen oder Kopfdrehungen bei gleichzeitigem vorübergehenden Loslassen der Beute) geschluckt.

Daher war eine terrestrische Ernährung wie es scheint, bereits vor dem Landgang der Wirbeltiere und bevor sich flexible Zungen entwickelten, möglich. Weiter deuten die Beobachtungen auf das Vorhandensein komplexer Kaugewohnheiten - einschließlich Kieferbewegungen in mehr als einer Dimension - während früher Entwicklungsstadien hin.

„Die vorliegende Arbeit kann als wichtige Grundlagenforschung verstanden werden, aus der sich weitere Fragestellungen ergeben. Wir möchten in weiteren Untersuchungen die Schädel, Kiefer und Zungenstrukturen früher Landwirbeltiere anhand von Fossilien erforschen, um damit weitere Details hinsichtlich der Evolution des Fressverhaltens von frühen Tetrapoden und dem Landgang der Wirbeltiere zu klären“, so die Wissenschaftler Dr. Daniel Schwarz und Prof. Dr. Rainer Schoch.


Diese Newsmeldung wurde mit Material Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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